Nicht mehr ganz so dicke Eier
Von Christoph PetersenGerard Butler spielt fast immer raubeinige Charaktere. Aber was der „Greenland“-Star im Heist-Thriller „Criminal Squad“ abgezogen hat, setzt dem Ganzen trotzdem die Krone auf: Als gern auch mal verkatert am Tatort erscheinender Cop ‚Big Nick‘ O‘Brien, der selbst Frischerschossenen ihre Donuts stiehlt, offenbarte der schroffe Schotte dermaßen dicke Eier, dass man sich ernsthaft fragen musste, wie er überhaupt noch geradeaus laufen kann. Auf der Seite der Gangster war Pablo Schreiber genau so ein Macho, weshalb sich die Ermittlungsarbeit nach und nach zu einem einzigen gewaltigen Schwanzvergleich entwickelte, in dessen Schatten O'Shea Jackson Jr. als heimliches kriminelles Mastermind Donnie Wilson einen wirklich verdammt cleveren Millionenraub orchestrieren konnte.
In der letzten Szene sah man den entkommenen Donnie in einer Bar in Antwerpen, wo er offenbar bereits seinen nächsten Coup in die Wege leitete. Und so beginnt das sieben Jahre später in den Kinos anlaufende Sequel „Criminal Squad 2“ nun auch in der belgischen Diamanten-Hochburg, bevor es seine Handlung nach der Eröffnungsszene direkt in das weit weniger bekannte Diamanten-Viertel von Nizza verlegt (womöglich aus steuerlichen Gründen, aber zugleich ist die Côte d’Azur als Schauplatz natürlich auch deutlich spektakulärer). Was folgt, ist ein weiterer Heist-Thriller, der das Testosteron-Level nach den ersten 15 Minuten allerdings spürbar zurückfährt und damit ein gutes Stück weit das Alleinstellungsmerkmal des Vorgängers opfert. Zugleich erweisen sich Gerard Butler und O’Shea Jackson Jr., die im ersten Teil noch kaum gemeinsame Szenen hatten, als überraschend überzeugendes Bad-Guy-Buddy-Duo.
Donnie Wilson (O’Shea Jackson Jr.) kann es nicht lassen. Nachdem er in „Criminal Squad“ noch die Federal Reserve Bank ausgenommen hat wie eine Weihnachtsgans, arbeitet er inzwischen mit dem Team von Gangsterbraut Jovanna (Evin Ahmad) zusammen, um im Süden Frankreichs eine ähnlich gewaltige Beute einzufahren. Allerdings nimmt der ausgetrickste Cop ‚Big Nick‘ O’Brien (Gerard Butler) die Sache in Los Angeles mehr als persönlich – und verfolgt den Meisterplaner bis nach Nizza, wo er den Gejagten schon bald auf einem Balkon mit grandioser Aussicht in Empfang nimmt. Aber Überraschung: Nick will Donnie gar nicht hopsnehmen, sondern stattdessen selbst endlich einen fairen Teil vom Kuchen abhaben. Der Scheiß-drauf-Ermittler schließt sich also der Bande an, um gemeinsam Diamanten im Wert von mehreren hundert Millionen von Dollars zu stehlen…
In seiner ersten Szene tritt ‚Big Nick‘ noch so auf, wie wir ihn aus dem Vorgänger kennen (und, je nach Geschmack, lieben oder verachten): Mit seinen offenbar frischen Scheidungspapieren zwischen den Zähnen erleichtert er sich am Pissoir, bevor er seinen nun überflüssigen Ehering wutentbrannt in die Ecke feuert. Wenig später entführt er eine Stripperin und droht ihr sogar mit dem Tod, wenn sie ihm nicht verrät, wohin Donnie geflüchtet ist. Dabei hat er allerdings vergessen, dass sie heimlich ein Video davon aufgenommen hat, wie er im ersten Teil noch mit ihr fremdgevögelt hat. Ein No-Nonsens-Noir-Cop mit einem Testosteron-Level jenseits von Gut und Böse. Aber mit der Ankunft an der sonnigen Mittelmeerküste schaltet ‚Big Nick‘ (leider) direkt zwei Gänge runter.
Aber bei der unglaublichen Aussicht mag man ihm das kaum verübeln. Der erneut für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnende Christian Gudegast entwickelt vor allem in den nächtlichen Szenen eine stimmungsvolle Atmosphäre. Wenn sich die Wagen in den zwischen Klippen und Bergen eingeklemmten Serpentinen entlangschlängeln, wird diese durch den ungewöhnlichen, fast schon sphärischen Score sogar noch verstärkt. Das erinnert in seiner rauen Schönheit tatsächlich weniger an moderne Urlaubsfilme als an Genrefilme aus den Siebzigern, von denen ja wie „Wen die Meute hetzt“ erstaunlich viele ebenfalls an der europäischen Mittelmeerküste entstanden sind.
Dafür wirkt der Heist selbst längst nicht so spektakulär wie noch in „Criminal Squad“. Donnie mietet sich gleich zu Beginn ein kleines Büro in einem altehrwürdigen Diamantenhaus – und der Plan ist, die Schließfächer im Keller auszurauben. Natürlich sind die mehrere Millionen Dollar schweren Schließfächer dort unten vielfach gesichert, aber am Ende macht es trotzdem einen riesigen Unterschied, ob man in den (eigenen) Keller oder in die einzige noch nie überfallene, quasi wie Fort Knox überwachte Bank von Los Angeles einsteigt. So richtig wird jedenfalls nicht deutlich, warum die ganze europäische Gangsterwelt Donnie deshalb plötzlich für das Heist-Mastermind zu halten scheint.
Wenn Gerard Butler sich bei seinen neuen Gangsterfreund*innen einzuschleimen versucht, indem er laut „FUCK NATO“ und „FUCK THE POLICE“ brüllt, schaut O'Shea Jackson Jr. wohl auch deshalb so verdutzt drein, weil sein berühmt-berüchtigter Vater Ice Cube das schon als Mitglied der Hip-Hop-Gruppe N.W.A. gerappt hat. Ein netter kleiner Inside-Gag. Aber auch sonst stimmt die Chemie zwischen den beiden Stars. Im Kern geht es in der „Criminal Squad“-Reihe, wie früher auch in vielen Western, um die Frage, ob Cops und Gangster ohne den jeweils anderen überhaupt existieren können – oder ob es nicht vielmehr eine symbiotische Beziehung zueinander ist, bei der sich alle zwingend gegenseitig bedingen.
Wenn der sehr ausführlich gezeigte Heist vorbei ist und man auf die Uhr schaut, dann dauert der tatsächlich etwas lang geratene „Criminal Squad 2“ immer noch fast eine halbe Stunde. Aber da wird eben nicht nur genau dieses zentrale Thema noch weitergesponnen, sondern damit im selben Moment auch noch ganz eindeutig ein möglicher „Criminal Squad 3“ vorbereitet. Wir wären jedenfalls wieder mit am Start. Allerdings wünschen wir uns, dass Gerard Butler dem Affen wieder etwas mehr Zucker gibt als im zweiten Teil. Dann drücken wir aber auch definitiv die Daumen, dass es nicht wieder geschlagene sieben Jahre dauert, bis die Reihe fortgesetzt wird.
Fazit: Mit weniger Twists und Testosteron als im Vorgänger lebt „Criminal Squad 2“ vor allem von der Chemie zwischen Gerard Butler und O'Shea Jackson Jr. – da haben sich zwei gesucht und gefunden, um eine leinwandtaugliche Runde Räuber und Gendarm miteinander zu spielen.