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    Das Vaterspiel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Das Vaterspiel
    Von Jan Hamm

    Mit Contact High gelang Michael Glawogger kürzlich ein erstaunlicher Coup: Das psychedelische Kiffer-Road-Movie atmete den Geist Tarantinos, ohne darüber auch nur in Ansätzen zum Plagiat zu verkommen. Seinen internationalen Durchbruch feierte er mit der bildstarken Dokumentionen Workingman's Death, mit dem präzise erzählten Slumming bewies er, auch im Drama heimisch zu sein. So unterschiedlich die bisherigen Arbeiten des Österreichers sind, ein gutes Händchen für ergiebige Filmstoffe hat er bislang immer gehabt. Kurz vor „Contact High“ wagte sich Glawogger mit „Das Vaterspiel“ an eine Literaturverfilmung. Auch hier überzeugt seine stilsichere Inszenierung, auf inhaltlicher Ebene aber folgt er der diffusen Vorlage seines Landsmannes Josef Haslinger, statt sie zu entwirren. Der elegant episodisch verknüpfte Film erzählt von der Konfrontation mit Vaterkomplexen, ergeht sich dabei aber in spekulativen Andeutungen, deren Mehrwert Glawogger nicht vermitteln kann.

    Das Dritte Reich ist vorüber, die Hinrichtung seines Vaters hat der Litaue Jonas (Ulrich Tukur, John Rabe, Das Leben der Anderen) jedoch nie verarbeiten können. Akribisch treibt er Belege zusammen, um einen alten Mitschüler dingfest zu machen, den er damals im Schlächter seines Dorfes wiedererkannt hat. Jahrzehnte später, heute: Der österreichische Informatiker Rupert Kramer (Helmut Köpping, Contact High), genannt Ratz, hat es im Leben nicht zu viel mehr als einem billigen Computerspiel gebracht. Der durch seinen Vater inspirierte Shooter bietet Gamern die Möglichkeit, Bildchen ihrer Erzeuger über die Gegnerhorden zu legen und so unverdaute Generationenkonflikte auszuleben. Sein alter Herr (Christian Tramitz, TRaumschiff Surprise – Periode 1) ist ein korrupter Minister, der seine zersplitterte Familie auf dem Gewissen hat. So hält Ratz auch wenig vor Ort, als ihn seine alte Kommilitonin Mimi (Sabine Timoteo, Der freie Wille, Ein Freund von mir) nach New York bittet, um ihr beim Ausbau eines Kellergewölbes zu helfen. Die Sanierung soll ihrem Großvater einen würdevollen Lebensabend bescheren. Bald wird Ratz erfahren, warum der Greis sich unter Tage versteckt...

    „Das Vaterspiel“ ist ein psychologisches Puzzle, dessen Zusammensetzung in weiten Teilen dem Publikum obliegt. Manisch zirkuliert Jonas um die eine Frage: Wie konnte ich meinem Vater beim Sterben zuschauen, ohne einzugreifen? Nachträgliche Versöhnung sucht der traumatisierte Mann in der Jagd nach dem Täter. Ratz’ Energie hingegen fließt einzig in die virtuelle Vernichtung des Vaters. Im New Yorker Keller entsteht ein Ersatzverhältnis zwischen ihm und dem einsamen Greis, das so bizarr wie amüsant ist. Die Österreicherin Mimi schlussendlich ist in New York geblieben, um ihren Großvater zu versorgen – was nach dessen Lebensbeichte zu einer irrationalen und qualvollen Obsession wird.

    Interview

    Filmstarts trifft...

    ...Hauptdarstellerin Sabine Timoteo.

    Geschickt verwebt Glawogger die Einzelschicksale zu einer rhythmischen Erzählung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die in einem schockierenden Dialog zwischen dem Naziverbrecher und Ratz, selber Nachfahre eines KZ-Überlebender, kulminiert. Hier wirft „Das Vaterspiel“ eine mutige Frage auf, die über jede Figur anders verhandelt wird: Ist ein neues Verhältnis zur Elterngeneration möglich – auch wenn sie reuelos ist und sich dem Diktat der Kinder nicht unterwirft? Mit bissigem Metatext arbeitet Glawogger die damit einhergehende Aggressionsproblematik heraus, etwa wenn ein Videospielproduzent Ratz’ Entwurf mit der Begründung ablehnt, ein PC-Krieg ließe sich gut vermarkten – virtueller Vatermord hingegen sei eine moralische Bankrotterklärung.

    Diese sehr offen gehaltene Konfrontation mit makro- und mikroskopischen Vaterkomplexen wird von sexuell orientierten, aber nur selten ergiebigen Details eingerahmt. Da ist die mit ihren wechselnden Frisuren als mysteriöse Femme Fatale inszenierte Mimi, verführerisch und verletzlich zugleich interpretiert von Sabine Timoteo. Einsichten in ihr kompliziertes Verhältnis zu Ratz bleiben jedoch aus. Durch die inzestuöse Sehnsucht nach seiner Schwester Klara (Franziska Weisz, Hotel) wird dessen Irritation weiter ausgeführt. Inwiefern die erotischen Verästelungen aber mit dem Leitthema zusammenspielen, bleibt vage.

    Verunsicherte Sexualität wird als Folge einer gestörten Vaterbeziehung angedeutet, während der ungünstig gegen den Strich besetzte Sympathieträger Christian Tramitz zu keinem Zeitpunkt plausibel machen kann, wofür er den virtuellen Tod denn nun eigentlich verdient. Hier fehlt dem Film eine klare Figurenzeichnung – ein Vorwurf, dem sich bereits Haslingers Vorlage ausgesetzt sah, und dem Glawogger bei seiner Adaption kaum offensiv begegnet. Damit verpasst „Das Vaterspiel“ die runde Qualität seiner sonstigen Arbeiten, überzeugt durch die gewohnt sichere Inzensierung und den mutigen Verzicht auf vorformulierte Antworten zur diffizilen Fragestellung aber dennoch.

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