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    Heat
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Heat
    Von Carsten Baumgardt

    1995 war das Jahr des Robert DeNiro. Lange vor seiner Abkehr von den harten Stoffen zu leichter komödiantischer Kost legte der Schauspiel-Titan innerhalb weniger Monate zwei Filmklassiker hin. Er brillierte nicht nur in Martin Scorseses Mafia-Epos „Casino“, sondern krönt sein Paradejahr mit einer grandiosen Leistung in Michael Manns atemberaubender dreistündiger Crime-Saga „Heat“. Den Kampf der Giganten, De Niro gegen Al Pacino, unterlegt Mann mit visionären Bildern, einer bis ins kleinste Detail ausgefeilten, komplexen Handlung und einer Stilsicherheit, die „Heat“ zu einem absoluten Meisterwerk machen.

    Bandenchef Neil McCauley (Robert DeNiro) ist ein gnadenloser Perfektionist. Seine Raubzüge im Großraum Los Angeles sind minutiös geplant – seine Stammgang (Val Kilmer, Tom Sizemore, Danny Trejo) hört bedingungslos auf ihren intelligenten Kopf. Erst als der Hitzkopf Waingro (Kevin Gage) bei einem Geldtransporterüberfall - bei dem er aushelfen sollte - durchdreht und eine Lawine von Gewalt in Bewegung setzt, gerät das harmonische Bandenleben langsam außer Kontrolle. Der fanatische Cop Vincent Hannah (Al Pacino) heftet sich mit seinem Team an die Fersen von McCauley. Der eiskalte, berechnende Profi-Gangster („Du darfst dich niemals an was hängen, das du nicht innerhalb von 30 Sekunden problemlos wieder vergessen kannst, wenn du merkst, dass dir der Boden zu heiß wird") verliebt sich überraschend in die Grafikerin Eady (Amy Brenneman). Ein letzter großer Coup soll noch folgen – dann ist Schluss. Doch dieser millionenschwere Banküberfall geht schief – die Gangster können zwar fliehen, aber Hannah und seine Leute sitzen ihnen direkt im Nacken...

    Dass Meisterregisseur Michael Mann („The Insider", „Ali") ein perfekter Stilist ist, weiß seit „Miami Vice“ und dem oft unterschätzten „Roter Drache“-Original „Blutmond“ jeder. Doch nicht nur seine Fähigkeit, grandios durchkonzipierte Bilder auf die Leinwand zu montieren, verblüfft hier. „Heat“ ist das Epos des Genres schlechthin. Die im Kern simple Story (aus Manns Feder) von „Cop jagt Gangster“ unterfüttert der Amerikaner in dem Remake seines TV-Films „Showdown in L.A.“ mit einem filigranen Geflecht von Nebenhandlungen und –figuren, die aber allesamt die Handlung voranbringen, Charaktere beleuchten, Glaubwürdigkeit vermitteln: DeNiros Liebesgeschichte mit Amy Brenneman, Val Kilmers Eheprobleme mit Ashley Judd, Pacinos scheiternde dritte Ehe mit Diane Venora oder die Probleme ihrer selbstmordgefährdeten Tochter Natalie Portman. Diese Handlungsstränge wären alle einen eigenen Film wert, dienen aber dem durchdachten Konstrukt des Films. Das alles ist herausragend gespielt, jeder Charakter bis in die kleinste Nebenrolle exakt besetzt.

    Das wahre Ereignis von „Heat“ ist jedoch das erste direkte Aufeinandertreffen der Schauspiellegenden Robert DeNiro und Al Pacino (in „Der Pate II“ hatten sie keine gemeinsame Szene). Gangster McCauley und Cop Hannah sind Getriebene, vom Ehrgeiz zerfressen. Sie geben alles, um ihre Ziele zu erreichen. Sie sind sich gleicher als sie denken. Es gibt nur ein Unterscheidungsmerkmal. Und das ist die Seite des Gesetzes, auf der sie stehen. Der fantastische Höhepunkt von „Heat“ neben der apokalyptischen, knapp 10-minütigen, extrem bleihaltigen Straßenschlacht nach dem missglückten Banküberfall – eine moderne Version des Showdowns am OK Corrall – ist das Belauern der Titanen DeNiro und Pacino in einem Café. Vollkommen ohne Action, nur Worte, Gesten, Mimik – jede einzelne sitzt. DeNiro offenbart unter der Oberfläche einen winzigen Anflug von Verletzlichkeit und Pacino muss feststellen, dass er für sein Gegenüber sogar Sympathie empfindet – aber er würde keinen Augenblick zögern, „wenn ich entscheiden muss zwischen ihnen und irgend so einer armen Sau, dessen Frau sie zur Witwe machen wollen... Bruder, dann hast du keine Chance.“ Das ist ganz großes Kino.

    Dem perfekten Spiel der Protagonisten steht der stimmige Score und die visionäre Kameraarbeit von Dante Spinotti zur Seite. Das kühle Blau, das den kompletten Film durchzieht, findet sich in fast allen Mann-Filmen wieder und wurde praktisch zu seinem Markenzeichen. Bei „Heat“ stimmt einfach alles. Inhaltlich, optisch – ein großes Erlebnis. Die lange Spielzeit vergeht wie im Flug, jede Szene wird benötigt, nichts ist überflüssig. Die schwermütige Ballade vom Leben und Sterben in L.A. ist ein Meilenstein des Genres. Absolut perfekt. Nicht mehr und nicht weniger...

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