Mein Konto
    Dying Breed
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Dying Breed
    Von Carsten Baumgardt

    Die Kamera fährt langsam aus luftiger Höhe hinab über dichte Wälder und folgt einer Straße immer tiefer in die wilde Natur. Wunderschöne Bilder, die Kameramann Geoffrey Hall (Chopper) da einfängt. Das wirkt zwar nicht ganz so bedrohlich wie die vergleichbare, legendäre Kamerafahrt in Stanley Kubricks Shining, schafft aber dennoch einiges an Atmosphäre. Trotz dieser Schauwerte wird das tasmanische Fremdenverkehrsamt aber wohl kaum Werbung mit Jody Dwyers solidem Kinodebüt „Dying Breed“ betreiben, denn der Survival-Horror wirft nicht gerade ein rühmliches Licht auf die Bewohner des australischen Hinterlandes, das sich als klassisches Deliverance-County entpuppt.

    Vor acht Jahren verschwand Ninas (Mirrah Foulkes, Spider) Schwester Ruth (Sally McDonald) bei Forschungen in der tasmanischen Einöde. Die Zoologie-Studentin will Ruths Arbeit nun fortsetzen und die Existenz des lange ausgestorben geglaubten Tasmanischen Tigers nachweisen. Begleitet wird sie von ihrem Freund Matt (Leigh Whannell, Saw) und dessen bestem Kumpel Jack (Nathan Phillips, Wolf Creek) samt Freundin Rebecca (Melanie Vallejo). Bevor das Quartett seine Expedition in die Tiefen der Wälder antritt, übernachten die vier jungen Leute in einer heruntergekommenen Absteige. Die Einheimischen sind mit Vorsicht zu genießen, doch Großmaul Jack legt sich gleich mit ihnen an, was zu einem handfesten Streit führt. Am nächsten Tag scheint die Sache vergessen, die Suche kann beginnen. Mit dem Schlauchboot dringen Nina, Matt, Jack und Rebecca in scheinbar unberührtes Gebiet vor. Doch so einsam wie gedacht, ist es nicht. Nach einer Nacht in einer Höhle verschwindet Rebecca plötzlich…

    In keinem anderen Genre (mit Ausnahme der Romantischen Komödie) sind die Regeln so festgefahren wie im Horrorsujet. Zumindest eine frische Idee bringt Jody Dwyer aber in „Dying Breed“ ein. Der Regisseur verbindet zwei beliebte Legenden Tasmaniens: Der Verbrecher Alexander „The Pieman“ Pearce floh 1822 aus dem Gefängnis und hielt sich in der Wildnis durch gepflegten Kannibalismus bis zu seinem Tod 1824 am Leben. Die Redneck-Sippe in „Dying Breed“ stammt direkt vom Pieman ab, was nicht nur deren Hunger nach Menschenfleisch erklärt, sondern auch das nicht immer schicke Antlitz plausibel macht. Die zweite Verwendung einer Legende ist die Suche nach dem Tasmanischen Tiger (ein etwa 1,80 Meter großes Beuteltier), der seit 1936 als ausgestorben gilt, aber seitdem immer mal wieder angeblich gesichtet worden ist. So weit der innovative Teil, der Rest ist Genre-Konvention.

    Nach einem kurzen Prolog, der Alexander Pearces Flucht und Überlebensmethoden zeigt, nimmt sich Dwyer ähnlich wie der Australien-Terror Wolf Creek viel Zeit, um die Charaktere auf ihren Überlebenskampf vorzubereiten. Doch besonders effektiv fallen die Bemühungen, dem Film eine gewisse Grundtiefe zu verleihen, nicht aus. Einige interessante Konfliktansätze, die in der schäbigen Herberge zwischen den Gästen aus der Stadt und den seltsamen Buschbewohnern angerissen werden, wird eine Vertiefung versagt. Als zentrale Figur kristallisiert sich Zoologin Nina heraus, die jedoch trotzdem nicht über eine holzschnittartige Charakterisierung hinauskommt. Vielmehr etabliert sich hier zuallererst der Trashfaktor, der im weiteren Verlauf noch größere Ausmaße annimmt. Mit ein paar fachfremden Freunden eine „Expedition“ nach einem ausgestorbenen Tier (das sich als MacGuffin herausstellt) anzutreten, ist schon reichlich naiv. Aber im Grunde ist das sowieso nur der Vorwand, den Kampf mit den Erben des Pieman aufzunehmen.

    Nach kleinen humoristischen Auflockerungen (Aus was besteht wohl ein Pieman’s Pie?) läutet das Verschwinden Rebeccas die Hatz brutal ein. Der Härtegrad ist stattlich, die Spannung auf gutem Niveau, selbst wenn sich der Horror-erfahrene Zuschauer an einer Hand abzählen kann, wem es als nächstes ans Leder geht. Die Twists, die Regisseur und Co-Autor Dwyer einstreut, sind zahlreich, aber dennoch nicht sonderlich überraschend. Durch die hanebüchene Geschichte verlieren die Wendungen zusätzlich an Brisanz, weil eine Erdung des Geschehens nicht erfolgt. Für ein reines Trashfest hingegen macht „Dying Breed“ einfach nicht genügend Spaß. Einzig eine Szene mit einem erjagten Kaninchen schlägt in diese Richtung, danach bleibt der Ton grimmig.

    Schauspielerisch ist „Dying Breed“ – Genre-typisch - nicht von Belang. Der Kotzbrocken Jack erweist sich als Motor des Films, weil seine Aktionen die größte Reibungsfläche bieten. Wichtiger sind da schon die atmosphärischen Werte, die über weite Strecken stimmen. Das schmale Budget ist dem mäßig animierten Tasmanischen Tiger zwar anzusehen, aber ansonsten bewegt sich die Optik im Rahmen des Genre-üblichen. Der spärliche Einsatz von Licht fördert die bedrohliche Stimmung, die tödliche Gefahr ist stets präsent.

    Fazit: „Dying Breed“ ist ein mittelprächtiger Survival-Horror von der Stange, der sich auf die Spuren von Beim Sterben ist jeder der Erste und The Hills Have Eyes begibt, aber diese Werke nicht erreicht, sondern stattdessen eher als australische Wrong Turn-Variante daherkommt.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top