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    Samson & Delilah
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Samson & Delilah
    Von Robert Cherkowski

    In der internationalen Kinolandschaft mag der australische Film nicht besonders präsent sein. Trotzdem arbeiten auch dort erzählerisch eigenwillige und visuell verspielte Filmemacher wie Peter Weir („Picknick am Valentinstag"), Andrew Dominik („Chopper") oder John Hillcoat („The Proposition"), über die auch in Hollywood gesprochen wird. Weniger verspielt, nicht aber weniger sehenswert ist Warwick Thorntons „Samson und Delilah". Der Film spielt dem Titel zum Trotz nicht in biblischer Vorzeit, sondern in der Gegenwart – wobei die Leiden der Protagonisten in der Tat biblisch anmuten: Das hochgelobte und mehrfach preisgekrönte Survival-Love-Story-Road-Movie von 2009 thematisiert das alltägliche und medial weitestgehend übersehene Dahinsiechen der Aborigines in abgelegenen Reservaten. „Samson and Delilah" ist keine leichte Kost, ganz sicher aber eine notwendige Konfrontation mit den traurigen Spätfolgen des europäischen Kolonialismus.

    Der 14-jährige Aborigine Samson (Rowan McNamara) lebt in einem schwülen Wellblechhütten-Ghetto und seine Lebensaussichten sind alles andere als sonnig. Mit geschnüffeltem Petroleum, Klebstoff und Filzstiften verschafft er sich den täglichen Kick, um der quälenden Langeweile zu entkommen. Wenn er nicht gerade zugedröhnt den schaurig schlechten Klängen einer lokalen Reggae-Band lauscht, lungert er schnorrend vor einer Apotheke herum oder stellt der ebenfalls 14-jährigen Delilah (Marissa Gibson) nach, während die ihre bettlägerige Großmutter pflegt. Obwohl sie ihn vorerst abweist, bahnt sich langsam eine schüchterne Romanze zwischen den Teenagern an. Als der Junkie in Schwierigkeiten gerät und Delilahs Großmutter stirbt, stehlen die beiden einen Lastwagen und brechen in die unwirtliche Steppe auf...

    Warwick Thorntons Reise durchs Outback ist eine bewegende Erfahrung - Ruhe und Offenheit für das schwierige Thema sind dabei allerdings absolute Grundvoraussetzung. Gelegentlich fühlt man sich an Debra Graniks etwa zeitgleich entstandenes Hinterwäldler-Drama „Winter's Bone" erinnert. Hier wie dort spielt die unwirtliche Umgebung eine wichtige Rolle, in der die Protagonisten umher treiben und versuchen, sich noch in bitterster Verwahrlosung einen Rest Würde zu bewahren. Während sich Graniks Heldin Ree (Jennifer Lawrence) noch wort- und tatkräftig durch den grimmigen Alltag in den amerikanischen Ozarks kämpfte, fällt die Identifikation hier schwerer. Nicht nur, dass sich die alles andere als zugänglichen Titelhelden nicht gerne öffnen und die meisten Dialoge eher aneinander vorbei geknurrt werden – auch ihre Handlungen sind impulsiv und wirken gelegentlich befremdlich.

    So karg und trocken wie der Boden der australischen Steppe ist auch der Erzählfluss. Insbesondere im eröffnenden Slum-Kapitel arbeitet Thornton mit langen Einstellungen, ohne musikalische Untermalung und mit vielen tristen Wiederholungen. Unterhaltsam ist das nicht, die Aussichtslosigkeit im Leben der Ureinwohner spiegelt es aber kraftvoll wider. Ebenso wie die Schauspieldebütanten Marissa Gibson und Rowan McNamara, die weit jenseits westlicher Ethno-Schönheitsideale besetzt wurden und perfekt zu einem kleinen und ehrlichen Stück Film wie „Samson und Delilah" passen. In ihren Gesichtern sind die Spuren ihres Milieus deutlich zu erkennen. Eine bessere Welt werden sie auf ihrer Reise nicht finden, dafür wachsen sie ein wenig näher zu sich selbst und zueinander – und das ist unter derartigen Lebensbedingungen nicht nur ein kleiner Triumph.

    Fazit: Warwick Thorntons Outback-Road-Movie „Samson und Delilah" ist langatmig, sperrig und bedrückend – wegschauen kann und sollte man in diesem Fall aber trotzdem nicht.

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