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    Schreibe mir - Postkarten nach Copacabana
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Schreibe mir - Postkarten nach Copacabana
    Von Nicole Kühn

    Copacabana ist ein Ort der Sehnsucht. Doch die 14-jährige Alfonsina wächst nicht im mondänen Strandviertel von Rio des Janeiro auf, sondern im kleinen bolivianischen Örtchen Copacabana auf der gleichnamigen Halbinsel im Titicacasee. Ihre Sehnsucht geht hinaus in die Welt, die sie sobald als möglich mit ihrer besten Freundin Tere erobern will. Zunächst jedoch ist es umgekehrt: Diverse Eroberer kommen in das Städtchen und bringen das Leben von Alfonsina, ihrer verwitweten und rassigen Mutter Rosa, und sogar das ihrer Großmutter Elena gehörig durcheinander. Mit von der Partie sind auch allerlei gute und böse Geister, die sich und ihre Absichten nicht immer sofort zu erkennen geben. Die spielerisch-magischen Elemente des Coming-of-Age-Dramas „Schreibe mir - Postkarten nach Copacabana“ von Regisseur Thomas Kronthaler entfalten unmittelbar eine betörende Wirkung, der man sich nur schwer entziehen kann.

    Auf der anderen Seite des riesigen Titicacasees wartet ein aufregenderes Leben, davon sind die Teenager Alfonsina (Júlia Fortunato) und Tere (Camila Guzmán) aus dem Städtchen Copacabana überzeugt. Solange sie noch nicht hinauskönnen in die weite Welt, sammeln sie wenigstens Postkarten von überall her. Die unzertrennliche Freundschaft wird auf die Probe gestellt, als die Liebe ins Spiel kommt. Während Tere sich mit einem halbstarken Macho einlässt und in romantischer Verklärung Heiratspläne schmiedet, fühlt Alfonsina sich zum sensiblen Münchner Ornithologen Daniel (Friedrich Mücke) hingezogen. Bei derlei Sorgen ist Großmutter Elena (Agar Delos) die beste Ratgeberin. Schließlich pflegt die lebenserfahrene Dame das kulturelle Erbe ihres verstorbenen Mannes mit Hingabe, indem sie mitten in den Anden Dirndl trägt und mitunter waschechte Semmelknödel serviert. Während Alfonsinas temperamentvolle Mutter Rosa (Carla Ortiz) selbst dem großen Glück hinterher jagt, weiht Elena ihre Enkelin in die Mysterien des Lebens ein, in dem man ohne Phantasie und den festen Glauben an sich selbst vieles verpasst...

    Nach seinem höchst erfolgreichen Kurzspielfilm „Die Scheinheiligen“ aus dem Jahr 2001 zeigt der aus dem bayerischen Erding stammende Thomas Kronthaler nun, dass er auch in abendfüllender Länge mit feinem Humor und Tiefsinnigkeit vielschichtig zu unterhalten versteht. Entlarvte er durch das Kontrastieren von Moderne und Tradition in „Die Scheinheiligen“ die Absurditäten des katholischen Glaubens seiner Heimat, so blickt er nun mit einem sanftmütigen Schmunzeln auf die eigenwillige, pragmatische Mischung aus Glauben und Aberglauben, die für Lateinamerika so typisch ist. Im Erwachsenwerden setzt sich seine Hauptfigur mit verschiedenen Formen von (Aber-)Glauben und Mysterien auseinander und wird immer wieder aufgefordert, eine eigene Position dazu zu entwickeln. In diesem undogmatischen Umgang mit der leider manchmal etwas vorhersehbaren Besetzung von Zeichen schmiegt sich die sinnbildliche Wahrnehmung der Natur zwanglos ein.

    Auf der Grundlage ihres eigenen Romans hat Stefanie Kremser ein wunderbar leichtes Drehbuch über den Ernst des Lebens geschrieben. Dabei konnte die 1967 in Düsseldorf Geborene aus ihrer eigenen Erfahrung einer Jugend in São Paulo schöpfen, wo sie von 1975 an 13 Jahre lebte. Das erstaunlich harmonische, wenn auch nicht immer reibungslose globale Eindringen der Moderne in traditionelle Gesellschaften packt Kameramann Christoph Oefelein in starke Bilder. Grelle Farbenpracht wechselt mit stillen, dunklen Räumen, aus denen die Menschen sich wiederum hinausbegeben in eine sprachlos schöne, unendlich weite Natur. Zu sehen, wie sich die Protagonistin zwischen all diesen Orientierungspunkten einen eigenen Weg sucht, ist eine Wonne.

    Fazit: Thomas Kronthaler gelingt mit wunderbaren Darstellern ein zärtlicher und kraftvoller Film über das Erwachsenwerden, das oftmals bis zum Tod andauert. Auch wenn drei Frauen im Zentrum stehen, sei der Film nicht nur einem weiblichen Publikum wärmstens empfohlen.

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