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    Cotton Club
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Cotton Club
    Von Robert Cherkowski

    Wer Kino liebt, liebt Musicals. Das gilt erst Recht für die Regisseure des New-Hollywood-Kinos der 70er Jahre, die sich dementsprechend immer wieder an Musicals versuchten: Martin Scorsese verhob sich bei „New York, New York", Bob Fosse wagte sich an „Cabaret", Peter Bogdanovich scheiterte kläglich mit „At Long Last Love". Und natürlich darf in dieser Liste einer nicht fehlen: Francis Ford Coppola. Nach seinem Jahrhundertfilm „Apocalypse Now" hatte er sich bei „Einer mit Herz" schon einmal an einem Musical versucht und eine enorme (finanzielle) Bruchlandung erlitten. Dennoch wagte er sich 1984 erneut an ein Musical, das den Geist der Klassiker atmete und gleichzeitig so düster, paranoid und brutal wie die besten New Hollywood-Filme war. „Cotton Club" ist großes Kino und so schamlos unterhaltsam, dass man kaum seinen Augen und Ohren traut.

    New York in den Zwanzigern. Es ist die Zeit der Prohibition, der Verkauf von Alkohol ist offiziell verboten, doch in illegalen Kaschemmen fließt der Fusel in rauen Mengen und macht Alkoholschmuggler reich. Ein besonders gediegener Ort des Exzess ist der „Cotton Club", der von den ebenso eleganten, wie zupackenden Gangster-Größen Owney Madden (Bob Hoskins) und Frenchy Damange (Fred Gwynne) betrieben wird. Auf der Bühne sorgen schwarze Entertainer wie der junge Tänzer Sandman Williams (Gregory Hines) für Unterhaltung, während im Publikum die meist weiße Halb- und Unterwelt die Puppen tanzen lässt. Einer von ihnen ist der psychotische Gangster Dutch Schultz (James Remar). Eines Abends kommt es zu einem Mordversuch an Schultz, der nur durch das beherzte Eingreifen des jungen Jazz-Trompeters Dixie Dwyer (Richard Gere) verhindert wird. Aus Dankbarkeit protegiert Schultz fortan Dixie und seinen Bruder Vinnie (Nicolas Cage). Während der sanfte Dixie zum Aufpasser von Dutchs Liebchen Vera Cicero (Diane Lane) gemacht wird, steigt der hitzköpfige Vinnie bald zum Gangster-Schergen auf. Als Dixie sich jedoch in eine Affäre mit Vera stürzt, Vinnie auf eigene Faust Geschäfte macht und Dutch sich immer mehr Feinde macht, eskaliert die Situation.

    Wer ein Faible für Musicals hat und sich für die Produktionen von Arthur Freed bis Geza von Cziffra begeistern kann, ist bei Coppolas „Cotton Club" ohnehin richtig. Doch auch Musical-Skeptiker, die es nicht ertragen können, wenn eine Handlung gesungen statt erzählt wird, sollten nicht gleich verzweifeln: Denn auch wenn hier nahezu permanent Hits von Duke Ellington, Cab Calloway oder Ted Koehler erklingen, sind Story und Musik doch auf elegante Art miteinander verbunden.

    Die Musik spielt stets auf der Bühne, während Barry Malikins Schnitt die Entwicklung der diversen Handlungslinien in einigen virtuosen Parallelmontagen integriert. So treibt der Rhythmus der Songs, Steppeinlagen oder Jams die Story voran, die Coppola Raum geben sich mit spielerischer Leichtigkeit durch die Hinterzimmer der Macht und die prächtigen Kulissen der Clubs zu bewegen und den Geist der Wilden Zwanziger zu atmen.

    Neben dem Musical erweist Coppola auch dem klassischen Gangsterfilm der frühen Tonfilm-Ära seinen Respekt. Immer wieder wirkt das Geschehen mit seiner barocken Ausstattung, der teilweise expressiven Lichtsetzung, den swingenden Rhythmen und dem artifiziellen „larger than life"-Spiel der Darsteller wie aus der Zeit gefallen. Hart an der Parodie ist das oft, doch finden Coppola und seine Autoren (zu denen kurzzeitig auch Mario Puzo gehörte) immer wieder kleine Details, die die archetypischen Rollen unterlaufen.

    Da wirken Bob Hoskins und Fred Gwynne als strippenziehende Unterweltgrößen einerseits wie klassische, im Halbschatten sitzende Kriminelle, um im nächsten Moment als etwas grantiges Liebespaar dargestellt zu werden, das sich geradezu rührend umeinander sorgt. Da taucht Gangster-Legende Lucky Luciano auf, der jedoch vom Schönling Joe Dallesandro gespielt wird. Da liefert Coppolas Neffe Nicolas Coppola (besser bekannt als Nicolas Cage) eine zwischen infantiler Geltungssucht und mörderischer Rage pendelnde Performance als Junggangster, die gleichermaßen unterhält wie rührt.

    Die erste Geige spielen hier jedoch andere. Im Mittelpunkt steht die Liaison zwischen Dixie und Vera, die Richard Gere und Diane Lane zwar optisch ausfüllen können, angesichts des von ihnen verlangten Pathos aber auch ein wenig blass bleiben. Vervollständigt wird die Dreiecksbeziehung durch James Remar, der als gehörnter Liebhaber eine Schau ist: Mit Gusto und wahrem Irrsinn im Blick gibt er den fiesen Gangster, der es mit Brutalität und Terror zu Einfluss gebracht hat, jedoch nur ein kleiner Schläger ohne Stil und Manieren geblieben ist, der weder von den Establishment-Größen noch seiner Herzdame Vera geschätzt wird. Schade, dass Remars eindrucksvolle Performance nicht den Beginn einer größeren Karriere bedeutete.

    Und schließlich muss noch Gregory Hines als aufstrebender Stepptänzer Sandman erwähnt werden. Mangelndes schauspielerisches Talent macht Hines durch große Gesten und reichlich Herzblut wett. Eine tolle Performance und definitiv das Herz des Films, der zu Coppolas letzten großen kreativen Leistungen zu zählen ist. Selten ließ ein Studio ihn danach noch so frei gewähren und seiner Inszenierlust frönen. Wobei schon „Cotton Club" genau genommen kein echter Studiofilm war, sondern ein Herzensprojekt der windigen Las-Vegas-Prominenten Fred and Ed Doumani, beides schwere Jungs mit bewegter Vergangenheit, die dem vergötterten Regie-Paten Carte Blanche gewährten. Mit im Boot saß die exzentrische Produzenten-Legende Bob Evans, der sich mit seinem Intimfeind Coppola manche Schlacht lieferte und hinter den Filmkulissen gar in ein reales Mordkomplott geriet. Vom Trubel rund um seine Finanziers und seinen Produzenten unbeeindruckt lieferte Coppola ein ausladendes, detailversessenes, exzessives Meisterwerk ab. Ein Film, der es wert ist, wieder entdeckt zu werden.

    Fazit: „Cotton Club" ist opulentes, musikalisches, brutales und romantisches Kino, das in jeder Beziehung aus dem Vollen schöpft. Altmodischer Pomp, gepaart mit moderner Experimentierfreude – Ein Volltreffer.

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