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    My Name Is Khan
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    My Name Is Khan
    Von Christoph Petersen

    So richtig konnten die indischen Gäste um Superstar Shahrukh Khan, Hauptdarstellerin Kajol und Regisseur Karan Johar die Premiere ihres Films „My Name Is Khan“ im Berlinale-Palast nicht genießen. Zu sehr beschäftigten sie die Zerwürfnisse, die den zeitgleichen Indienstart des stark politisch angehauchten Liebesdramas umranken. Schon die für tagsüber angesetzten Interviews ließ Shahrukh Khan notgedrungen sausen. Doch was war passiert? Vor einiger Zeit kauften die indischen Cricketclubs bei einer Versteigerung von internationalen Spielern nicht einen einzigen Profi aus Pakistan ein. Shahrukh Khan reagierte auf diesen Mangel an Toleranz mit tiefer Enttäuschung und gab seinen Unmut auch öffentlich zu Protokoll. Dies rief wiederum die rechtsnationale Partei Shiv Sena auf den Plan, die den Megastar kurzerhand zum Volksverräter abstempelte. Kinobetreiber wurden von der Shiv Sena aufgerufen, Karan Johars Film nicht ins Programm zu nehmen und auch keine Werbeplakate auszuhängen. Trotzdem beharrte Shahrukh Khan auf seinem Standpunkt - ähnlich wie der Regierung in Neu Delhi ist auch ihm viel an einer Aussöhnung mit Pakistan gelegen. Genau wie sein Star steht auch „My Name Is Khan“ offen zu seiner Toleranz-Botschaft, ohne sie zu verstecken oder sich gar für sie zu schämen. Zyniker sollten also einen weiten Bogen um den Film machen. Wer sich jedoch auf die Geradlinigkeit von „My Name Is Khan“ einlässt, der bekommt ein romantisch-anrührendes Politmärchen geboten, das ein wenig an Barack Obamas „Yes, we can!“-Schlachtruf gemahnt.

    Weil er unter dem Asperger-Syndrom, einer milden Form des Autismus, leidet, fällt es Rizvan Khan (Shahrukh Khan) schwer, die Eigenarten seiner Mitmenschen zu durchschauen. Ironie und Sarkasmus etwa sind ihm vollkommen fremd. So nimmt er die Aufforderung seiner Frau Mandira (Kajol) auch vollkommen wörtlich, er solle doch zum Präsidenten gehen und ihm sagen, dass er trotz seines muslimischen Nachnamens kein Terrorist sei. Während Rizvan quer durch die Vereinigten Staaten reist, um dem mächtigsten Mann der Welt endlich persönlich gegenüberzutreten, reflektiert er über sein bisheriges Leben. Er erinnert sich daran, wie er Mandira kennen gelernt und sie trotz seines Handicaps für sich gewonnen hat. Wie nach den Anschlägen des 11. September die Kunden in Mandiras Schönheitssalon ausblieben, nur weil „Khan“ am Eingang stand. Und wie ihr Sohn allein aufgrund seines Namens zu Tode geprügelt wurde...

    Der Vergleich mit Forrest Gump liegt auf der Hand. Wie Robert Zemeckis in seinem modernen Klassiker zeigt auch Karan Johar („Duplicate“, Om Shanti Om) die Welt durch die Augen eines Menschen, der zu Zynismus nicht fähig ist. Rizvan versteht die Welt auf einer rein rationalen Ebene, irrationale Gefühle - wie etwa der Hass der Amerikaner auf die muslimische Welt nach den Anschlägen auf das World Trade Center - sind ihm vollkommen fremd. Natürlich mutet diese Sicht der Dinge im ersten Augenblick über die Maßen naiv an. Aber in Wahrheit ist die Botschaft von Gleichheit und Toleranz so evident, dass es schlicht keiner doppelten Böden und keiner subtilen Verschlüsselung bedarf.

    In „My Name Is Khan“ heißt es, mit dem 11. September hätte eine neue Zeitrechnung begonnen. Statt vor und nach Christi heißt es nun vor und nach 9/11. Entstanden ist der Film deshalb auch aus einer Ohnmacht gegenüber der westlichen Welt, die erst in Angst erstarrt und dann aus Hass über jedes Ziel hinausgeschossen ist. Diese Art, sich zu wehren, nämlich mit einem Aufruf zu mehr Toleranz, ist natürlich um einiges reifer (und vermutlich auch wirkungsvoller) als etwa ein Film wie Tal der Wölfe - Irak, der auf amerikanische Verfehlungen mit platten Rache- und Allmachtsfantasien reagierte. Doch „My Name Is Khan“ begnügt sich nicht mit Kritik an Amerika, sondern richtet sich auch an die eigenen Leute. Als Rizvan in der Moschee mitbekommt, dass einer der Gläubigen Hass predigt und einen Anschlag plant, wendet er sich ganz selbstverständlich ans FBI. Und auch die als überaus liebenswürdige Frau und Mutter eingeführte Mandira, deren Trauer über den Verlust ihres Kindes schnell zu Hass mutiert, muss erst lernen, mit ihrer Angst und ihrer Wut umzugehen.

    Ist die Botschaft also alles andere als naiv, so erscheint Shahrukh Khans (Pardes, Swades, Kabhi Alvida Naa Kehna, Chak De! India) Darstellung des am Asperger-Syndrom erkrankten Rizvan doch recht simpel gestrickt. Einfach nur den Kopf ein wenig schräg zu halten, ist eben doch ein bisschen wenig. Doch was er an schauspielerischen Nuancen vermissen lässt, holt er mit seiner Präsenz locker wieder raus. Schließlich ist Shahrukh Khan mit über einer Milliarde Fans der größte Kinostar der Welt. Und nicht nur das: Neben seinen lukrativen Jobs als Filmproduzent und Werbeikone (er ist der zweitgrößte Steuerzahler Indiens) moderiert Shahrukh Khan in seiner Heimat auch noch die populären indischen Ableger von „Wer wird Millionär?“ und „Das weiß doch jedes Kind!“. Zudem setzt sich der Schauspieler immer wieder für humanitäre und politische Zwecke ein. Dies kommt ihm auch in „My Name Is Khan“ zugute. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen nimmt man ihm die Rolle des Weltverbesserers vorbehaltlos ab - was sonst aufgesetzt und verlogen hätte wirken können, passt hier einfach wie die Faust aufs Auge.

    Fazit: Abgesehen davon, dass die typischen Tanzeinlagen fehlen, ist „My Name Is Khan“ astreines Bollywood-Kino. Das heißt, dass große Gefühle ebenso wie große Botschaften ohne falsche Scham auf die Leinwand geschmissen werden. Wer Offenheit und Direktheit mit Naivität gleichsetzt, ist hier also definitiv im falschen Film. Freunden des indischen Kinos sei der neueste Film des großen KHAN hingegen wärmstens ans Herz gelegt.

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