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    Flamenco, Flamenco
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Flamenco, Flamenco
    Von Katharina Granzin

    Carlos Saura ist ein Besessener. Der mittlerweile achtzigjährige Filmemacher liebt den Flamenco, der sich seit dem 19. Jahrhundert in den Gitano-Vierteln andalusischer Städte als fruchtbare Fusion von arabischen, spanischen und Roma Einflüssen entwickelt hat. Wohl mehr als jeder andere Künstler hat Saura dazu beigetragen, die Kultur des Flamenco, der weit mehr ist als nur eine Tanzform, europaweit populär zu machen. Wiederholt hat der Regisseur dem Flamenco Filme gewidmet und ihn als ästhetisches Programm für seine Melodramen wie „Carmen" oder „Bluthochzeit" verwendet und mit dem reinen Musikfilm „Flamenco" drehte er 1995 die ultimative Huldigung an die geliebte Kunst. Nun bringt Saura mit „Flamenco, Flamenco" eine aktualisierte Fortschreibung dieser Hommage auf die Leinwand und liefert einen eindrucksvollen dokumentarischen Querschnitt durch die derzeitige Flamencoszene – selbstverständlich in vollendeter filmischer Ästhetik.

    Etwa dreihundert Künstler treten in Sauras Dokumentation auf, dabei verzichtet der Filmemacher auf jeglichen erläuternden Kommentar. Ganz ähnlich wie in „Flamenco" werden in aufeinanderfolgenden musikalischen Nummern alle unterschiedlichen Flamenco-Disziplinen präsentiert. Dabei ist der Tanz etwas stärker vertreten als der Gesang, der wiederum einen höheren Anteil einnimmt als das reine Instrumentalspiel. Doch dafür tritt als dessen Repräsentant kein Geringerer auf als der weltberühmte Gitarrist Paco de Lucía. Dessen Auftritt ist der vorletzte des Films, bevor der Flamenco zum Abschluss mit einer volkstümlichen Bulería gleichsam auf seine Anfänge zurückgeführt wird und sich der Kreis schließt.

    Gedreht wurde „Flamenco, Flamenco" im spanischen Pavillon auf dem ehemaligen Weltausstellungsgelände in Sevilla - ein hochsymbolischer Ort für einen Dokumentarfilm über einen der Exportschlager spanischer Kultur. Als Kulisse für die Darbietungen dienen Saura gemalte Hintergründe, die den Gang der Sonne, des Mondes und wieder der Sonne zeigen und somit als Zeitrahmen einen durchtanzten und durchmusizierten Tag-Nacht-Tag-Zyklus vorgeben. Die kühle, moderne Ästhetik der Messe-Gebäude kontrastiert der Filmemacher außerdem mit Gemälden, die im Pavillon aufgestellt sind. Auf ihnen sind meist berühmte Tänzerinnen zu sehen: die Geschichte des Flamencos gespiegelt in Porträts von schönen Frauen in ausdrucksstarken Posen. Die Tradition lebt, mag das heißen und dementsprechend hat Saura bei der Auswahl der Darbietungen auch auf manche neuere Entwicklung des Flamencos verzichtet.

    Nun ist in der Tat noch nicht entschieden, welche der zahlreichen Fusion-Erscheinungen, die es mittlerweile gibt, sich als dauerhaft und welche nur als vorübergehender modischer Trend erweisen. Als Verbeugung vor der Moderne wird immerhin eine sehr gelungene Variation des Stückes „Dos Almas" gezeigt, das hier nicht in der bekannten Fassung für ein Gitarrenduo dargeboten wird, sondern in einem Arrangement für zwei Klaviere. Abgesehen davon aber dominieren klassische Flamenco-Formen in durchweg hochklassigen Interpretationen, wodurch „Flamenco. Flamenco" für Fans und Kenner zu einem anderthalbstündigen Fest wird. Uneingeweihte dagegen brauchen ein wenig guten Willen. Wer sich aber auf diese eigenartige Parallelwelt aus kehligem Leidensgesang, energetischem Tanz, Percussion und lässigem Gitarrenspiel einlässt, wird womöglich mit tranceähnlichen Bewusstseinszuständen belohnt.

    Fazit: Carlos Sauras filmische Huldigung an Spaniens Flamenco-Kunst ist für alle von ihr Infizierten ein Leckerbissen - großartig fotografiert und stilsicher in Szene gesetzt. Für Anfänger und Laien erweist sich „Flamenco, Flamenco" jedoch möglicherweise als eine gewisse Geduldsprobe.

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