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    Ruhm
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Ruhm
    Von Tim Slagman

    Und schon wieder eine Adaption, möchte man sagen. Die Verfilmung von literarischen Stoffen sieht sich immer einem Rechtfertigungszwang ausgesetzt – oder zumindest der Frage, was das bewegte Bild der Erzählung hinzufügen kann, das sich nicht schon im Kopfkino des Lesers abgespielt hätte. Viele Autoren, wenn ihnen die Umsetzung denn gefällt, weisen dabei auf die Schauspieler hin, Frank Miller etwa, für dessen „Sin City" sich einige Schwergewichte Hollywoods vor der Kamera versammelten. Und auch Daniel Kehlmann, der mit dem Roman „Ruhm" die Vorlage für Isabel Kleefelds routinierten, aber wenig inspiriert in Szene gesetzten Ensemblefilm lieferte, zeigt sich zurecht begeistert davon, wie Senta Berger, Heino Ferch, Gabriela Maria Schmeide ein tragikomisches Mosaik mit Leben füllen, in dem die Jet-Set-Kreativen auf den ihnen plötzlich erstrebenswert scheinenden Durchschnitt treffen, die Schöngeister auf das wahre Leben und eine literarische Figur – möglicherweise - auf den Tod.

    Joachim (Justus Von Dohnanyi), ein bodenständiger Elektroingenieur, kauft sich endlich auch ein Handy. Doch offensichtlich wurde seine Nummer doppelt vergeben, er erhält ständig Anrufe, die dem Schauspiel-Star Ralf Tanner (Heino Ferch) gelten. Mit der Zeit gibt Joachim es auf, die schmachtenden Damen am Telefon abzuwimmeln, und Tanner, bei dem sich niemand mehr meldet, kommt auf den Geschmack des einfachen Lebens. Das Projekt mit dem Schriftsteller Leo Richter (Stefan Kurt) ist damit natürlich gestorben – und der Autor, der nur in Geschichten zu denken scheint, sagt seiner Freundin Elisabeth (Julia Koschitz) zuliebe eine Pressereise durch einen der Zerfallsstaaten der ehemaligen Sowjetunion ab. Die befreundete Krimiautorin Maria Rubinstein (Gabriela Maria Schmeide) springt ein, und gibt ihrem untreuen Mann Klaus (Thorsten Merten) damit freie Hand für seine außerehelichen Aktivitäten. Klaus ist Abteilungsleiter in einem Mobilfunkkonzern und... damit schließt sich der Kreis?

    Aus Kehlmanns „Roman in neun Geschichten" hat Regisseurin Kleefeld, die auch das Drehbuch verfasste, eine Filmerzählung von Einzelschicksalen gemacht, die mal enger, mal eher lose miteinander verwoben sind. So etwas wie einen erzählerischen Zirkelschluss gibt es dabei kaum, eher ein weites Feld von thematischen Bezügen, in dem die echten Überschneidungen selten sind. Dabei ist in jeder Einzelepisode schon der Stoff für einen ganzen Kinoabend angelegt. Da geht es einmal um den Jedermann, der einen kurzen, aufregenden Blick in die Welt der oberen Zehntausend erheischen darf. Auch die Last mit dem titelgebenden Ruhm und die Freiheit der Normalos – die hier ausdrücklich auch eine sexuelle ist – wird zum Gegenstand des Films. Wie dann aber die neu entfachte Lust Joachims in ein wenig Bett-Gymnastik mit der eher uninteressierten Gattin mündet oder wie der in die Anonymität zurückgeworfene Star zwischen der Unbeschwertheit des Unbekannten und den Verlustängsten des Privilegierten schwankt, das bleibt banal. So lässt sich für beinahe jede der einzelnen Geschichten eine verpasste Chance entdecken, ein Zögern vor dem konsequenten Auserzählen, was den Film zwar vor dem Versinken in prätentiöser Wichtigtuerei bewahren mag, ihm aber auch irritierend unfertig und unentschlossen wirken lässt.

    Nun ist es ein schmaler Grat zwischen erfrischender, leichter Unverbindlichkeit und schlichter Beliebigkeit. Die Auslassungen des Plots sind gerade deshalb ärgerlich, weil die Saat für das ganz große Kino, mit dem Talent vor der Kamera, dahinter und am Schreibtisch zweifelsohne vorhanden war und die Ideen ganz offen vor dem Zuschauer liegen – nur entfalten dürfen sie sich zu wenig. Natürlich muss es auch nicht immer das ganz große Thesen- und Themenkino sein, ab und zu sind die kleinen Geschichten, die wie der Alltag nicht immer den Linien einer klassischen Handlung folgen, ja mal ganz erfrischend. Aber wenn es dann ausgerechnet die Episode mit dem Schriftsteller und modernen Don Quijote Leo ist, die zu einem eindeutigen, dazu recht konventionellen und aufgesetzt selbstreflexivem Ende geführt wird, während alles andere im Ungefähren verläuft, das hat etwas von genau der bildungsbürgerlichen Nabelschau, die Kleefeld im Film dem weltfremden Leo Richter zuschreibt, der von Stefan Kurt („Dreileben 3 - Eine Minute Dunkel") als verhuschter Vampir angelegt ist: Er saugt seiner gesamten Umwelt im übertragenen Sinne soweit die Essenz aus wie er es für seine Arbeit braucht.

    So ist es tatsächlich an den Darstellern, ihre Figuren aus dem Nebulösen zu retten. Senta Berger („Steiner - Das Eiserne Kreuz") spielt eine todkranke Frau und ihre resignierte Zurückhaltung zeigt gerade, welche Stärke sich in dieser Rosalie versteckt. Und auch Gabriela Maria Schmeide („Das weiße Band"), die sich ohne falsche Scham in die Rolle einer naiven Frau stürzt, deren offensive Heiterkeit nur eine große Einsamkeit verbergen soll, ragt mit ihrem Charme und ihrer Quirligkeit heraus aus einem grundsätzlich starken Ensemble. Es sind die Schauspieler, die einem etwas abstrakten Konstrukt zumindest phasenweise Zusammenhang und Leben verleihen und es somit vor dem Scheitern bewahren.

    Fazit: In „Ruhm" stecken viele faszinierende Ideen: Themen wie Prominenz, Außenseitertum, die Verantwortung des Kreativen und die Zerbrechlichkeit von Identität im digitalen Zeitalter – aber kaum etwas davon wird vertieft, kaum etwas geht über Allgemeinplätze hinaus. Den starken Darstellern und einigen witzigen erzählerischen Einfällen ist es zu verdanken, dass einzelne Episoden dennoch durchaus berührend und unterhaltsam ausgefallen sind.

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