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    Raising Resistance
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Raising Resistance
    Von Asokan Nirmalarajah

    Zu Anfang ist man ein wenig irritiert. Auf dem Programm steht ein Dokumentarfilm mit dem eigentlich klar kämpferischen Titel „Raising Resistance" – eine deutsch-schweizerische Co-Produktion über den scheinbar unlösbaren Konflikt zwischen den Campesinos, den lokalen, autark lebenden Kleinbauern Paraguays, und den internationalen Agrarkonzernen, die sich mit ihrem flächendeckenden Soja-Anbau neben den kleinen Feldern der Einheimischen niedergelassen haben und so deren wirtschaftliche Existenz bedrohen. Statt eines propagandistisch gestimmten Protestfilms gibt es zu Beginn von Bettina Borgfelds und David Bernets kraftvoller Doku allerdings erst einmal eine meditativ-ruhige Aneinanderreihung malerischer Landschaftsaufnahmen zu sehen, die in ihrer betörenden Schönheit genauso gut aus einem Film von Terrence Malick („The Tree of Life") stammen könnten. Dabei ist das hier dargestellte Ereignis ein gewaltsames: Die Bauern wollen nicht mehr klein beigeben und stellen sich in den Weg eines Traktors, der Pestizide über die genmanipulierten Sojafelder verteilt, die den organischen Anbau und die Gesundheit der Ortsansässigen vergiften. Borgfeld und Bernet beleuchten diesen Streit zwischen globalen und lokalen Interessen detailliert, fair und umsichtig.

    Geronimo Arevalos ist das Oberhaupt einer fünfköpfigen Familie, die er auf seinem eigenen Grundstück, in seinem eigenen Haus als Kleinbauer ernährt. Der fruchtbare Boden seines Dorfes Santa Rosa wird allerdings bedroht durch die Spritzmittel, die ohne Rücksicht auf die Einheimischen über die riesigen Sojafelder verteilt werden. Das höchst effiziente Mittel zur Unkrautvernichtung kann den genmanipulierten Sojabohnen nichts anhaben, wird vom Wind aber auch auf die kleineren Felder der Einheimischen geweht, wo es nicht nur die Ernte beschädigt und so die Einnahmen der Kleinbauern schmälert, sondern auch das Trinkwasser verseucht und zu Missbildungen unter den jüngeren Bewohnern der Gegend führt. Arevalos beschließt gemeinsam mit seinen Leidensgenossen aus der Nachbarschaft, darunter auch die wütende und verbitterte Juana Gonzalez, gegen das Unrecht anzukämpfen und mobilisiert alle ihm zur Verfügungen stehenden Ressourcen. Doch ein Sieg scheint ausgeschlossen.

    Eine berührende Melancholie durchzieht die packenden 85 Minuten von „Raising Resistance" angesichts der Aussichtslosigkeit des Kampfes lokaler Aktivisten gegen globale Konzerne. Die emotionale Wucht des Films ist dabei in erster Linie den zwei charismatischen Protagonisten, den bockigen Kleinbauern Juana Gonzalez und Geronimo Arevalos geschuldet. Während der leise und ruhig sprechende Arevalos über Sinn und Unsinn seiner Situation philosophiert, hält sich die forsche Gonzalez an die harten Fakten und will sich dem Unrecht nicht mehr beugen. Dieses menschliche Zentrum der Geschichte wird von den ehemaligen Journalisten und mehrfach prämierten Dokumentarfilmern Bettina Borgfeld („Schusswechsel") und David Bernet („Die Flüsterer") intelligent und erhellend in einen größeren Kontext gestellt, in dem der lokale Konflikt als globales Problem erkennbar wird.

    Denn die Macher befragen nicht nur die Opfer des großflächigen Sojaanbaus in Südamerika, sondern auch die Beteiligten auf der anderen Seite. Sie machen nicht etwa blind gegen die vermeintlich böse Agrarindustrie mobil, sondern beleuchten alle wesentlichen Facetten des Problems. Niemand wird hier dämonisiert, alle werden letztlich in einem sympathischen Licht gezeigt, sie alle sind durchschnittliche Menschen in einer außergewöhnlichen Situation. Das ist nicht nur erhellend und informativ, sondern auch filmästhetisch besonders ansprechend umgesetzt. Von den eindringlichen, atmosphärischen Bildern, die Marcus Winterbauer („Die große Stille") und Börres Weiffenbach zaubern, über Inge Schneiders kluge Montage bis hin zur stimmungsvollen Musik Ali N. Askins („Sieben Monde") stimmt hier handwerklich einfach alles.

    Fazit: „Raising Resistance" ist nicht nur bildgewaltig und atmosphärisch packend, sondern auch überaus informativ, anregend und auf den Punkt erzählt. Falls sich Terrence Malick jemals entschließen sollte, einen reinen Dokumentarfilm zu drehen, dann könnte der so aussehen wie „Raising Resistance".

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