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    Berlin für Helden
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Berlin für Helden
    Von Christian Horn

    Mit einer Protestaktion gegen die Berliner Filmfestspiele und die „Saftlosigkeit" des deutschen Films machte der eigensinnige Regisseur Klaus Lemke („Rocker") während der Berlinale 2012 von sich reden. Unweit des roten Teppichs präsentierte der 71-jährige Filmemacher seinen nackten Hintern, bezeichnete die Berlinale in einem Interview als „Kindergarten auf Speed" und betitelte die deutsche Filmlandschaft als „übersubventionierte Film-Folklore". Lemkes Agitation mag zur Hälfte Frustration darüber sein, dass sein neuer Film „Berlin für Helden" nicht ins Programm des Festivals aufgenommen wurde, aber es steckt auch ein wahrer Kern in der rebellischen Protestaktion des Regisseurs, denn nicht selten sind die deutschen Filme, die die meisten Fördergelder abgreifen, nicht gerade die spannendsten Beiträge. „Berlin für Helden", Lemkes neuer Film, ist – wie beinahe alle Werke des Regisseurs – als echter Low-Budget-Film komplett ohne Förderung entstanden und atmet diesen Independent-Geist auch in jeder einzelnen Szene. Trotzdem ist der Film nicht durchgängig interessant, sondern versandet immer mal wieder in der Beliebigkeit.

    Das frisch getrennte Liebespaar Anna (Anna Anderegg) und Henning (Henning Gronkowski), erreicht gemeinsam Berlin, dort gehen die beiden Ex-Partner eigene Wege. Anna trifft den italienischen Schlagzeuger Marco (Marco Barotti), bei dem sie die Nacht verbringt, während Henning einen kleinen Lieferservice mit seinem Auto eröffnet. Derweil erreicht auch Saralisa (Saralisa Volm, „Hotel Desire") Berlin, trifft ebenfalls auf Marco und wird sehr zum Missbehagen der gekränkten Anna dessen Geliebte. Auch Saralisas Ex-Freund Andreas (Andreas Bichler), der in der Hauptstadt gerade ein Vorsprechen am Theater absolviert, ist vom neuen Liebhaber seiner Ex wenig angetan – vor einem Café kommt es zur Rangelei. In der Folge treffen die fünf Berlin-Besucher in unterschiedlichen Konstellationen aufeinander und bleiben für eine Weile zusammen. Als in Marcos Wohnung ein wütender Musiker auftaucht, der schon seit längerem auf ein Musikvideo des Italieners wartet, deutet sich eine Handlung an: Saralisa will die Sache in die Hand nehmen und den bestellten Videoclip drehen...

    Für den Plot rund um den Musikvideo-Dreh zeigt Lemke im weiteren Verlauf wenig Interesse. Dem Regisseur, der Fördergelder enthusiastisch ablehnt und seine Filme mit geringsten Mitteln, vielen Improvisationen und Laiendarstellern dreht, geht es viel eher um Momentaufnahmen aus dem Leben seiner Protagonisten und um die Vermittlung eines bestimmten Lebensgefühls. Seine Filme spielen im Hier und Jetzt, auf das Morgen wird geschissen und das Gestern ist bereits vergessen. Dementsprechend gibt es im Grunde gar keine: „Berlin für Helden" poltert von Szene zu Szene vorwärts, ohne dass sich erahnen lässt, wie es mit den Figuren weitergeht oder wohin deren Reise führt. Ganz so wie die Protagonisten leben filmt Lemke in den Tag hinein und findet dabei immer wie zu ganz unmittelbaren und bezwingenden Filmmomenten, mitunter plätschert sein kleiner, ungestümer Film jedoch schlichtweg vor sich hin.

    Neben der immer wiederkehrenden Titelmelodie bilden die fünf Hauptfiguren, an deren Seite Lemke zu jeder Zeit bleibt, die Konstanten in „Berlin für Helden". Im Grunde besteht der Film vollständig aus wechselnden Liebeskonstellationen und Bündnissen (hier hat jeder mal was mit jedem). Die Liebe kommt dabei so unvermittelt wie heftig, bleibt aber jederzeit flüchtig und unverbindlich: Das ist die Essenz des unbedingt gegenwärtigen Lebensgefühls, das Lemke hier zum Ausdruck bringt. Berlin ist dabei letztlich ein sechster Protagonist im Hintergrund – zwar findet Lemke in der Hauptstadt passende Kulissen für seine filmische Erzählung, doch könnte „Berlin für Helden" auch anderswo spielen, auch wenn seine orientierungslosen und außerplanmäßig lebenden Figuren in den Berliner Straßen wohl weniger aus dem Raster fallen als anderswo.

    Fazit: Mit „Berlin für Helden" liefert Klaus Lemke eine Episodengeschichte um Sex, Drogen und Alkohol, in der insbesondere der Hintern und die Beine von Saralisa Volm eine große Rolle spielen. Sein weitestgehend handlungsfreier Straßenfilm ist dabei so unvorhersehbar und unverbindlich wie das Leben selbst, viele starke Momente stehen neben einigen erzählerischen Sackgassen.

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