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    Super-Hypochonder
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Super-Hypochonder
    Von Björn Becher

    Wenn Dany Boon eine neue Komödie dreht, dann ist in seiner Heimat Frankreich der Erfolg vorprogrammiert. Und so strömten gleich am Startwochenende über zwei Millionen Zuschauer in den neuesten Streich des Machers von „Willkommen bei den Sch’tis“ und „Nichts zu verzollen“. Mit der Kritik steht Boon dagegen auf Kriegsfuß, ist er doch der Meinung, dass sie seine Werke oft zu Unrecht verschmäht. Auch „Super-Hypochonder“, bei dem Boon erstmals wieder seinen „Sch’tis“-Co-Star Kad Merad an seiner Seite hat, ist bei weitem nicht nur positiv besprochen worden: Unsere Partnerseite allocine.fr notierte zum französischen Kinostart in ihrem Pressespiegel bei 23 Kritiken im Durchschnitt 2,4 von 5 möglichen Sternen. Dieser mittelmäßige Wert ist aus unserer Sicht durchaus treffend, denn nach dem äußerst dürftigen Hypochondrie-Schabernack der ersten Hälfte wird das Erzählkonzept kräftig auf links gedreht und es folgt temporeiche Unterhaltung auf den Spuren klassischer Verwechslungskomödien, bei der auch die Witz-Trefferquote deutlich gesteigert wird.

    Romain Faubert (Dany Boon) ist nicht nur ein Hypochonder, sondern ein Super-Hypochonder. Er glaubt ständig, er sei krank, lässt bei jedem vermeintlichen Zipperlein den Krankenwagen anrücken oder belagert die Praxis seines Arztes Dr. Dimitri Zvenka (Kad Merad). Der hat aber eigentlich schon genug um die Ohren, denn seine Schwester Anna (Alice Pol), die sich für Flüchtlinge aus dem osteuropäischen Land Tscherkistan engagiert, quartiert diese gerne auch mal bei Dimitri ein. Nun will der Arzt wenigstens seinen Dauerpatienten loswerden und versucht, Romain zu verkuppeln. Nachdem die Bemühungen fehlschlagen, greift Dimitri zum letzten Mittel: Schocktherapie. Er nimmt den eingebildeten Kranken mit in ein Auffanglager für Flüchtlinge, in der Hoffnung, dass dieser angesichts des echten Leids dort zur Vernunft kommt. Doch dann gelingt es dem tscherkistanischen Revolutionsführer Anton Miroslav (Jean-Yves Berteloot), seinen Pass mit dem von Romain zu vertauschen: Der Super-Hypochonder wird nun für den berühmten Outlaw gehalten und von Anna sogar bei sich zu Hause versteckt - und da sich der ängstliche Hypochonder längst in die hübsche Helferin verliebt hat, klärt er das Missverständnis nicht auf und versucht sich stattdessen in der Rolle des harten Mannes. Dimitri macht sich derweil Sorgen, weil sein Patient, der doch irgendwie auch sein Freund ist, scheinbar spurlos verschwunden ist.

    Erfolgscomedian Dany Boon bezeichnet sich selbst als Super-Hypochonder, der immerzu befürchtet, krank zu sein – sein Film sei daher auch sehr persönlich. Aber auch mit dem Wissen um diesen privaten Hintergrund erscheint die komödiantische Behandlung des Themas nicht überzeugender. Zu Beginn besteht der Film aus nichts anderem als einer recht inkonsequenten Aneinanderreihung naheliegender Witze, wobei die Hypochondrie bei Protagonist Romain mal stärker und mal schwächer ausgeprägt ist – je nachdem wie man es gerade braucht. Da legt er einmal einen wilden Tanz in der U-Bahn hin, weil er um keinen Preis etwas berühren will (Bakterien!), hat aber in einer anderen Szene keine Probleme damit, sich in einem vollen Club in einer Sitzecke niederzulassen. In der unausgegorenen Sketchparade der ersten Filmhälfte, deren Tiefpunkt ein ziemlich deplatzierter Todesfall durch eine von Romain verabreichte Aspirin-Überdosis ist, lässt sich einzig die erneut hervorragende Chemie zwischen den Hauptdarstellern Dany Boon und Kad Merad bewundern, die sich ein ums andere Mal gekonnt die Bälle zuspielen. Inszenatorisch gibt es dagegen nur einen herausstechenden Moment: Wenn eines von Romains Dates beim Essen genüsslich das Fleisch in den bloßen Händen hält und jeden Knochen abnagt, ist dieser „unhygienische Vorgang“ aus Romains Perspektive im Stile eines Horrorfilms aufgenommen und vertont.

    Man könnte glauben, dass Dany Boon selbst irgendwann die Lust an der scheinbar endlosen Kette von Krankheits-Gags und Phobiker-Witzen verloren hat, denn auf halber Strecke macht er einen radikalen Schnitt hin zu einer völlig absurden und komplett überdrehten Verwechslungskomödie, die dann immerhin einige sehr spaßige Momente bietet. Wenn Anna den vermeintlichen Revolutionsführer aus dem fiktiven Staat Tscherkistan bittet, ihr beizubringen, wie man in seiner Sprache „Ich liebe dich“ sagt, ist das sehr lustig und erinnert an Boons frühere Erfolgskomödien, in denen ebenfalls Sprachbarrieren und Vorurteile aufs Korn genommen wurden. Im Spiel um die vertauschten Identitäten gibt es gleich mehrere köstliche Momente, zum Beispiel wenn der sich männlich gebende Romain vor einem kleinen Hündchen Reißaus nimmt oder wenn Dimitri ihn in einer Kneipe verprügelt und die besorgten Umstehenden mit dem Hinweis beruhigt, er sei Arzt. Außerdem absolviert „Nichts zu verzollen“-Szenendieb Bruno Lochet (dort als einfältiger und bemitleidenswerter Drogenschmuggler, hier als nicht gerade intelligenter Behördenschreibtischtäter) einen komischen Gastauftritt. Nachdem das Verwirrspiel genüsslich auf die Spitze getrieben wurde, folgen schließlich noch ein paar ordentliche Schießereien und sogar eine rasante Autoverfolgungsjagd - und damit fast schon ein weiterer Stilwechsel. Zwingend notwendig ist dieses Action-Finale nicht, aber es ist ein recht kurzweiliger Abschluss für einen überaus uneinheitlichen Film.

    Fazit: Dany Boons neuester französischer Publikumshit ist anfangs eine ziemlich unausgegorene Hypochondrie-Komödie und mutiert erst im späteren Verlauf zu einem unterhaltsamen Verwechslungsverwirrspiel.

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