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    Walking On Sunshine
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Walking On Sunshine
    Von Thomas Vorwerk

    In einem sogenannten Jukebox-Musical dreht sich meistens alles um die Hits eines bestimmten Interpreten, die atmosphärisch wie textlich das Gerüst einer mehr oder  weniger elaborierten Geschichte bilden. Nach diesem Muster wurde bereits das Schaffen von Künstlern wie Buddy Holly, Johnny Cash, Udo Jürgens, Udo Lindenberg, Queen, den Ramones und vielen anderen auf Musical-Bühnen ausgeschlachtet. Von dort schafften es Shows wie „Mamma Mia!“ (Abba) sowie jüngst „Sunshine on Leith“ (The Proclaimers) und „Jersey Boys“ (The Four Seasons) auch auf die Kino-Leinwand, gelegentlich geht es auch direkt in die Filmtheater wie im Fall von „Across the Universe“ (The Beatles) oder wie nun bei „Walking On Sunshine“. Hierbei versteift sich das Regie-Duo Max Giwa und Dania Pasquini („StreetDance 3D“) glücklicherweise nicht nur auf die Songs von Katrina and the Waves, sondern räubert fröhlich in einer Musiktruhe voller 80er-Hits, ein Korpus, aus dem sich auch schon die Macher von „Rock Of Ages“ bedient haben und der sich nicht so schnell erschöpfen lässt wie bei einem (egal wie fleißigen) Einzelkünstler. Das Ergebnis ist ein sonniger (Liebes-)Reigen voll flotter Musik und guter Laune.  

    Im sonnendurchfluteten Apulien erlebt die vor dem Studium stehende Taylor (Hannah Arterton) eine intensive Sommerliebe mit dem Italiener Raffaele (Giulio Berruti). Als sie drei Jahre später wiederkehrt, geschieht dies nicht, um ihm hinterherzustöbern, sondern weil ihre ältere Schwester Maddie (Annabel Scholey) sie eingeladen hat. Was Taylor nicht weiß: Maddie will heiraten, die Hochzeit soll bereits wenige Tage später stattfinden. Als Taylor erfährt, dass es sich bei dem Bräutigam in spe um niemand anderen als ihren einstigen Geliebten handelt, will sie das Glück der Schwester nicht in Gefahr bringen und gibt vor, Raf nicht zu kennen. Der spielt das Spielchen mit, genauso wie der gemeinsame Freundeskreis, der in Italien verblieb. Doch irgendwo knistert es noch zwischen den Ex-Lovern, ähnlich wie zwischen Maddie und ihrem Dauer-On/Off-Geliebten Doug (Greg Wise), der ausgerechnet jetzt wieder offensiv um die Beinahe-Braut wirbt.

    Wie in „Mamma Mia!“, mit dem „Walking On Sunshine“ auch das mediterrane Setting teilt, singen hier die Darsteller selbst, aber zum einen wurden sie eher nach ihren gesanglichen Fähigkeiten (Popstar und „X-Factor“-Gewinnerin Leona Lewis hat auch eine kleine Rolle) als nach dem Star-Appeal ausgewählt, und zum anderen werden die Songs nicht eigenwillig interpretatorisch zurechtgebogen, sondern man folgt eher einer Karaoke-Mentalität des inbrünstigen Nachsingens. „Walking on Sunshine“ besticht dabei vor allem durch die cleveren Gedankengänge hinter der nicht übermäßig anspruchsvollen Handlung, insbesondere die geschickte Songauswahl. Man hat aus den Liedtexten (bevorzugtes Thema ist natürlich die Liebe – von „The Power of Love“ bis „It Must Have Been Love“) nicht einfach stumpf Namen oder ähnlich Oberflächliches übernommen, sondern feinsortierte Themen und Motive. Die fünf Jahre aus „Don't You Want Me“ oder die Schwester aus „White Wedding“ werden hier zum sinnfälligen Teil der Erzählung und das Vergnügen, dem geliebten Menschen beim Schlafen zuzusehen, wird beleuchtet vom Sonnenuntergang zum gefühlvollen visuellen Ausdruck der „Eternal Flame“.

    „It's time for the good times, forget about the bad times ...“ heißt es in Madonnas „Holiday“: Schon dieser erste Song, der mit opulenten Choreographien einen kompletten Flughafen in Aufruhr versetzt, gibt die Stimmung des Films vor. Die Feelgood-Atmosphäre (im weiteren Verlauf neben dem Titelsong vor allem im fröhlichen Kehraus zu „Wake Me Up Before You Go-Go“ von Wham! präsent) erinnert mal an die überschwänglichen Emotionen (und Tänze) Bollywoods, dann wieder an typische Werbebilder der 80er-Jahre (man denke nur an alte Spots von Langnese, Bacardi oder Davidoff). Das Flair jener Zeit kommt wiederum am stärksten zur Geltung in der Nacht vor der Hochzeit, hier werden zwei sich ergänzende Songs („Wild Boys“ und „Girls Just Want to Have Fun“) sogar zu einem parallel montierten kleinen Medley, bei dem die Teilnehmer des Junggesellen-Abends (bzw. Junggesellinnen-Abends) sich auch noch wie die Stars der 80er verkleidet haben: zum einen Adam Ant, George Michael und Meat Loaf, dazu in der Mädchen-Gruppe nicht nur Tina Turner und Whitney Houston, sondern gleich drei verschiedene Variationen von Madonna - aus der „Celebration“-, der „Like a Virgin“- und der „True Blue“-Phase.

    Man merkt, dass die Filmemacher sich hier durch keine Pflichtübung quälen („Wir müssen irgendwie noch ‚Waterloo‘ einbauen“), sondern einfach Spaß haben - und der überträgt sich aufs Publikum. Nebenbei wird dabei auch die Musik- und Filmgeschichte weit vor den 80ern gefeiert, wenn zur Bananarama-Fassung von „Venus“ nicht nur plötzlich eine Traumwelt inklusive Riesenmuschel am Swimmingpool entsteht, sondern man auch noch Choreographen-Legende Busby Berkeley („Goldgräber von 1933“) und Wassernixe Esther Williams („Badende Venus“) nacheifert: Hier schlägt die Magie des rhythmischen Zusammenspiels von Musik und Inszenierung wie in den besten Musicals durch. Und es bleibt dennoch Zeit, den Konflikt zwischen Realität und Traumwelt kurz zu thematisieren, wenn die Putzfrau einige plötzlich aufgetauchte Rosenblätter auffegt und sich der Poolboy als feines Symbol der europäischen Klassengesellschaft gar nicht mehr fragt, warum seine extrovertierte Chefin ihn gerade ins Wasser geschubst hat.

    Die vielleicht schönste Musical-Passage des Films zeigt ein kleines Duett auf einem Gemüsemarkt. Er und sie diskutieren singend ihre Beziehung durch, tänzeln dabei durch die Marktbuden, und bei den Passanten um sie herum ahnt man zwar die Körperanspannung trainierter Tänzer, doch nur in einigen parallel ausgebreiteten Pizzateigen oder rhythmisch halbierten Wassermelonen offenbart sich ganz subtil, wie der ganze Film förmlich voller Musik steckt wie eine sonnengereifte Orange voller Saft. Und selbst bei einer eher fragwürdigen Sequenz wie dem „Tomatenfestival“ weiß man mit einer geschmeidigen Eleganz zu umgehen, dass sich die ausufernde Lebensfreude nicht wie ein zu großer Klacks Ketchup über die nuancierte Rezeptur ausbreitet. Die Fröhlichkeit mag hier zum Programm erhoben sein, aber sie wird eben nicht überstrapaziert und kommt durch wohldosierte Beigaben von Romantik und Liebe erst richtig zur Geltung.

    Fazit: Wer nicht generell etwas gegen Urlaub, Liebe, schöne junge Menschen und Musik einzuwenden hat, wird sich schwer tun, diesen Film nicht zu mögen.

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