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    Der Richter - Recht oder Ehre
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der Richter - Recht oder Ehre
    Von Carsten Baumgardt

    Hollywood hat Kevin Lomax einen weiteren großen Bruder geschenkt – mit dem super-arroganten Großstadtanwalt Hank Palmer gesellt sich ein wahres Musterexemplar zu  Keanu Reeves‘ ehrgeizigem Rechtsverdreher aus „Im Auftrag des Teufels“ und all den anderen großkotzig-brillanten Juristenfiguren, die das US-Kino und –Fernsehen so zahlreich bevölkern. Die Winkelzüge und Marotten, die sich Nick Schenk und Bill Dubuque, die Drehbuchautoren von David Dobkins „Der Richter – Recht oder Ehre“, für den eitlen Starverteidiger Palmer ausgedacht haben, stammen allerdings allesamt aus der Mottenkiste des Krimi- und Thrillergenres und so besitzt die Figur weder etwas Geheimnisvolles noch etwas Überraschendes. Weil aber mit Robert Downey Jr. einer der charismatischsten unter den charismatischen Superstars diese Rolle übernimmt, ist es dennoch eine Freude, Hank Palmer beim Verrichten seiner Arbeit zuzusehen. Ein ähnliches Fazit darf dann auch für den ganzen Film gelten, denn Dobkins Mischung aus Justiz-Reißer und Familiendrama ist zwar wenig inspiriert aus altbekannten Versatzstücken zusammengeschustert, aber dank der starken Darsteller besitzt die arg vorhersehbare Erzählung dennoch einen nicht zu unterschätzenden Unterhaltungswert.

    Der Chicagoer Staranwalt Hank Palmer (Robert Downey Jr.) ist so brillant wie gewissenlos und nimmt für das entsprechende Honorar jeden Mandanten an. Zuhause läuft derweil nicht alles rund, Palmers junge Ehefrau Lisa (Sarah Lancaster) hat ihn betrogen, der Kampf um die Tochter Lauren (Emma Tremblay) ist eröffnet. Als Hanks Mutter Mary stirbt, tritt er missmutig (und allein) die Reise in sein Heimatkaff Carlinville, Indiana an. Zu seinen Brüdern Glen (Vincent D‘Onofrio) und Dale (Jeremy Strong) hat er kaum Kontakt und  sein Vater Joseph (Robert Duvall) und er ignorieren sich gegenseitig mit Inbrunst. Joseph ist seit 42 Jahren Richter im Ort, er hat in Stadt und Familie das Sagen. Als nach der Beerdigung alles darauf hindeutet, dass er den Kriminellen Mark Blackwell (Mark Kiely) mit dem Auto angefahren und tödlich verletzt hat, gibt der machtbewusste Patriarch zu Protokoll, sich nicht an den Vorfall erinnern zu können. Er nimmt seine Verhaftung zunächst auf die leichte Schulter, doch als der toughe Bezirksstaatsanwalt Dwight Dickham (Billy Bob Thornton) ihn wegen Mordes anklagt, hilft ihm sein unerfahrener Provinzanwalt C.P. Kennedy (Dax Shepard) wenig. Hank will Joseph vor dem Gefängnis bewahren und bietet kostenlos seine Dienste an. Aber Vater und Sohn müssen sich zusammenraufen…

    Wer bei der Inhaltsangabe schon gewisse Befürchtungen hegt, weil ihm die Figuren und Konflikte arg bekannt vorkommen, hat recht. Das beginnt mit der klischeetriefenden Einführung von Hank, der als aalglatter Klugscheißer vor Gericht einem rechtschaffenen Polizisten das Fell über die Ohren zieht, dann im Sportwagen zu seiner Protzvilla düst, wo das schicke Luxusweibchen mit dem „Hintern einer College-Volleyballerin“ und eine süße Tochter auf ihn warten. Die Provinzbevölkerung von Carlinville besteht ebenfalls aus den üblichen Verdächtigen: Da gibt es die ehemalige Dorf-Schönheit, den trotteligen Grünschnabelanwalt, den Loser-Bruder, dem die große Sportkarriere verwehrt blieb und dann auch noch den geistig zurückgebliebenen, gutherzigen anderen Bruder, der mit seiner Tollpatschigkeit Lacher einsammeln soll. Zum erzählerischen Problem wird diese Ansammlung von stereotypen Figuren aber erst durch die Berechenbarkeit der Handlung: Jede Szene spielt sich exakt so ab, wie man es schon etliche Male gesehen hat.  

    Erst die Stars in den Hauptrollen und die atmosphärischen Aufnahmen von Kameramann Janusz Kaminski („Schindlers Liste“) heben „Der Richter“ in den Rang solide-gediegener Unterhaltung. Mit dem edlen Look - beispielhaft idyllisch ist das Café in Carlinville, das malerisch vor einem reißenden kleinen Fluss mit Wasserfall (!) liegt -  gibt David Dobkin („Die Hochzeits-Crasher“, „Wie ausgewechselt“) seinem Film Kinoformat und setzt ansonsten auf eine schnörkellose Inszenierung. Im Mittelpunkt stehen klar die Schauspieler und die nutzen ihren Freiraum: Bei ihren absolut spektakulären Schreiduellen spielen sich Robert Downey Jr. („Iron Man“) und Robert Duvall („Der Pate“) geradezu in Ekstase. Die beiden Roberts dominieren den kompletten Film und lassen ihre Figuren ungebremst aufeinanderprallen. Da ist der mit harter Hand herrschende Patriarch, an dessen Lippen eine ganze Gemeinde hängt und auf der Gegenseite steht ein nicht weniger selbstbewusster Staranwalt, der sich nichts vorschreiben lassen will, den aber tiefe Wunden von den früheren Auseinandersetzungen mit seinem Vater zeichnen.

    Die Aalglatter-Anwalt-Nummer hat Downey so gut drauf wie sonst kaum jemand und er hat sichtlich Vergnügen daran. Doch der Superstar versteht sich nicht nur perfekt auf die zynische Fassade, hinter der es sich der juristische Überflieger Hank gemütlich gemacht hat, sondern macht auch deren Bröckeln sichtbar. Die Brüche in der Persönlichkeit des vermeintlich so selbstsicheren Karrieristen, seine schleichenden Zweifel, ob er sich der Familie gegenüber immer richtig verhalten hat, bis hin zum kompletten Überdenken seiner Lebenseinstellung – Downey haucht dieser fragwürdigen, trotz ihrer Offensichtlichkeit nicht immer wirklich nachvollziehbaren Charakterwandlung Leben ein. So fehlt letztlich nur Hanks Beziehung zu seiner alten Liebe Samantha (die als Landpomeranze hergerichtete Vera Farmiga ist keine Idealbesetzung, macht aber das Beste draus) die Überzeugungskraft. Und der Konflikt um seinen One-Night-Stand mit Samanthas heißer Jura-Studentin-auf-Heimatbesuch-Tochter Carla (Leighton Meester) wird als Ein-Szenen-Gag verschwendet, statt die dramatische Dimension dieser pikanten Verwicklung auszuspielen.

    Ikone Robert Duvall ist prädestiniert für die Rolle des alten Granitkopfs Joseph Palmer, selbst wenn der Mann des Jahrgangs 1931 im Film einen „nur“ 72-Jährigen spielt. Das Urgestein glänzt mit kerniger Präsenz und auch er verleiht einigen in ihrem überdeutlichen Kalkül trivial anmutenden Momenten ein Quantum echte Emotion, etwa wenn der Sturkopf Joseph Palmer sich entgegen der Erwartung als liebevoller Opa erweist oder wenn Hank seinem Vater in schwerer Not tapfer zur Seite steht: Hier wird aus dem Duell der Topstars ein beeindruckendes Miteinander. Angesichts dieser schillernden Protagonisten hält sich sogar eine so starke Schauspielerpersönlichkeit wie Billy Bob Thornton („Sling Blade“) als cleverer Bezirksstaatsanwalt spürbar zurück. Und damit folgt er Regisseur Dobkin, der das Potential seiner Zwei-Mann-Show richtig erkennt: Er lässt „Der Richter“ als klassischen Justiz-Thriller im Stile eines John-Grisham-Films beginnen, doch dann rückt er die Krimihandlung um den möglichen Mord immer mehr in den Hintergrund und bietet seinen Stars die Bühne eines wuchtig-emotionalen Familiendramas.

    Fazit: Die Handlung und die Figuren von David Dobkins „Der Richter - Recht oder Ehre“ sind in ihrer Anlage extrem konventionell, aber dank der charismatischen Hauptdarsteller und einer stilsicheren Inszenierung ist die Kreuzung aus Justiz-Thriller und Familiendrama dennoch ziemlich unterhaltsam.

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