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    Brasserie Romantiek - Das Valentins-Menü
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Brasserie Romantiek - Das Valentins-Menü
    Von Thomas Vorwerk

    Im klassischen griechischen Drama wurde die Einheit von Raum und Zeit, wobei sich eine Geschichte am selben Ort und im Verlauf eines Tages abspielen sollte, als eine der höchsten Kunstformen angesehen. Auch bei Filmemachern gilt diese Herausforderung, die einige Budget-Erleichterungen mit sich bringen kann, zu den höchsten Weihen, wobei die verschärfte Bedingung darin besteht, einen außergewöhnlichen Spielort zu finden, beispielsweise einen Fahrstuhl (Carl Schenkels „Abwärts“), eine Telefonzelle (Joel Schumachers „Nicht auflegen!“) oder bei Altmeister Alfred Hitchock „Das Rettungsboot“. Wenn sich Filmemacher auf eine bestimmte Zeit beschränken, sind damit dagegen oftmals kommerzielle Erwägungen verbunden. Besonders gilt dies, wenn das Filmthema ganz auf einen kinotauglichen Feiertag zugeschnitten ist. Bekannteste Vertreter dieses Sub-Genres sind die Weihnachtsfilme, doch natürlich wird auch zu Halloween oder zum Valentinstag so das Publikum zusätzlich angelockt. Wie der Name schon angedeutet, ist „Brasserie Romantiek - Das Valentins-Mahl“ so ein Film zum Fest der Liebenden. Das Spielfilmdebüt des Belgiers Joël Vanhoebrouck bietet dabei zwar ein ambitioniertes Konzept, ist am Ende aber eine eher bemühte Variante bekannter romantischer Ensemble-Komödien.

    Pascaline (Sara de Roo), Anfang 40, führt zusammen mit ihrem Bruder, dem Koch Angelo (Axel Daeseleire), ein kleines, mit einem Stern ausgezeichnetes Familienlokal, in dem am Valentinstag für ein Dutzend Pärchen ein passendes vielgängiges Festmenü mit herzförmigem Seebarsch, Austern, Jakobsmuscheln und Taubenbrust angeboten wird. Ein Gast ist zudem alleine da: Frank (Koen de Bouw), die ehemalige Liebe von Pascaline. Vor über zwanzig Jahren hat er sie sitzen gelassen, nun bietet er ihr – etwas verspätet – an, ihren alten gemeinsamen Traum zu verwirklichen und noch am selben Abend nach Buenos Aires aufzubrechen, wo er einen Job in der belgischen Botschaft antritt. Während der Druck des Feiertagsgeschäfts (und ihres Bruders) die absurde Offerte immer verlockender erscheinen lässt, spielen sich im Lokal mehrere dramatische Liebesgeschichten ab: Der neurotischen Walter (Mathus Scheepers) hat ein Blind Date. Der laute Autoverkäufers Paul (Filip Peeters) hat seiner Frau Roos (Barbara Sarafian) wie schon im Vorjahr ein Fläschchen „Chanel No. 5“ mitgebracht, während sie ihm beichtet, dass sie einen Liebhaber hat. Und die unglücklichen Mia (Ruth Becquart) versucht der aufdringliche Kellner Lesley (Wouter Hendrickx) aufzumuntern…

    Liebe geht bekanntlich durch den Magen und wie in so vielen Filmen, die sich diesem Leitsatz widmen, versucht auch Joël Vanhoebrouck in „Brasserie Romantiek“ über das Anrichten der verschiedenen Gänge ein sinnliches Erlebnis zu veranstalten, was über die stimmungsvolle Ausleuchtung und den Soundtrack unterstützt werden sollte. Doch das simpel gestrickte Klavierthema ist eher etwas penetrant und schon der „Sternekoch“ Angelo, dem nur eine Kippe im Mundwinkel fehlt, um als Negativbeispiel eines Kochs herüberzukommen, wirkt alles andere als romantisch, wenn er gleich zu Beginn mit seiner Schwester herumzankt, ob man nicht den Preis für das Menü lieber höher angesetzt hätte. Die Art von Romantik, die in diesem Film propagiert wird, unterscheidet sich zwar deutlich von der heilen Hollywood-Scheinwelt in einem Reißbrett-Film wie „Valentinstag“ - doch man ist sich als Zuschauer nicht ganz sicher, ob man diesen seltsamen Tonfall positiv oder negativ bewerten soll. So ist auch der rustikale bis skurrile belgische Humor zwar erfrischend anders, aber ganz sicher nicht jedermanns Sache. Ein Satz aus dem Mund der besonders depressiven Mia fasst die Stimmung dann auch ganz gut zusammen: "Jeden Tag begeht ein Belgier Selbstmord, nachdem er zurückgewiesen wurde." Hier geht es nicht um die Liebe wie in den Songs der Beatles, sondern um leidenschaftslosen Sex im Volvo und einzelne Socken, die in der Waschmaschine vergessen wurden.

    Figuren, in die man sich als Zuschauer „verlieben“ kann, gibt es hier kaum. Die Männer sind tollpatschig (und zwar nicht auf liebenswerte Weise), die Frauen zicken herum, es wird kaum jemand zur Identifikation angeboten, selbst Pascaline und Frank, das Paar, das vermeintlich im Zentrum des Films steht, erinnert eher an eine Therapiesitzung als an einen Liebesfilm. Der Regisseur beschreibt diesen Umstand im Presseheft als „gewöhnliche Menschen, deren Frustrationen, Obsessionen und Träume gut wiedererkennbar sind“. Einen der Drehbuchautoren faszinierte zudem nach eigener Auskunft, wie realitätsfremd der Anspruch eines Gastes ist, der zum Valentinstag glaubt, in einem Restaurant könnte ihm „die Liebe auf einem Tablett“ präsentiert werden. Diese kritisch-realistischen Ansprüche stehen im starken Kontrast zum eigentlichen Kern des Liebesfilm-Genre. Und dieses versuchen die Macher trotz all ihrer anderen Ansätze dennoch zu bedienen. Doch damit setzen sie sich zwischen die Stühle. Der romantische Grundton verträgt sich nicht mit den traurigen Figuren, die einem nur schwerlich ans Herz wachsen. Paul zerstört mit seinen lauten Telefonaten jeden Anflug von Candlelight-Romantik, Walter verliert sich in Selbstgesprächen im Waschraum, Mia weint ihrem Verflossenen hinterher und bringt sich ihre eigene Pralinenschachtel mit zur ausgefallenen Verabredung.

    Fazit: „Brasserie Romantiek“ wirkt mitunter wie ein misslungenes Blind Date, bei dem sich personifizierter Realismus und Romantik näherkommen wollen, doch zwischen den beiden klafft ein Abgrund, den man auch nicht mit Humor überbrücken kann.

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