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    Er ist wieder da
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Er ist wieder da
    Von Carsten Baumgardt

    Darf man das? Diese Frage beantwortete schon Charlie Chaplins famose Satire „Der große Diktator“ 1940 – man darf! Das gilt auch 75 Jahre später noch. Im Rahmen der Kunst und Unterhaltung ist es durchaus erlaubt, sich über Adolf Hitler lustig zu machen, um den Tyrannen mit den Waffen der Satire zu bekämpfen. Doch was passiert, wenn man nicht über, sondern mit Adolf Hitler lacht? David Wnendt („Feuchtgebiete“) weiß ganz genau, auf welch moralisch gefährlichem Minenfeld er sich mit der Verfilmung von Timur Vermes‘ Bestseller „Er ist wieder da“ bewegt. Der Regisseur fährt den Grad der Tiraden, die ein wiederauferstandener Hitler auf sein neues Volk loslässt, im Vergleich zum Buch zurück und positioniert sich besonders am Ende deutlich. Das Abschwächen schadet der Wirkung der scharfen Satire aber kaum, denn „Er ist wieder da“ ist über weite Strecken beängstigend komisch, was echte Reaktionen auf den falschen Hitler sogar noch verstärken.

    Mitten in Berlin: Aus einer Rauchschwade erwacht der Führer. Adolf Hitler (Oliver Masucci) ist selbst mehr als überrascht, als er realisiert, dass er im Jahr 2014 plötzlich wieder am Leben ist. Und wie hat sich die Welt verändert?! Der gerade bei dem großen Privatsender MyTV gefeuerte Journalist Fabian Sawatzki (Fabian Busch) wittert als Erster die Chance, mit diesem seltsam-faszinierenden vermeintlichen Adolf-Hitler-Imitator, der dem echten Führer verblüffend ähnlich ist, Geld zu verdienen und seinen alten Job wiederzubekommen. Die frisch gekürte Sender-Geschäftsführerin Katja Bellini (Katja Riemann) ist jedenfalls begeistert von diesem authentischen Hitler, der aus dem Stehgreif bierernst Thesen und Tiraden vorbringen und sie wie Comedy wirken lassen kann. Die Heckenschützen sitzen in ihrem eigenen Team. Ihr bei der Beförderung übergangener Vize Christoph Sensenbrink (Christoph Maria Herbst) soll Adolf Hitler als Comedy-Format aufbauen, hofft aber insgeheim, dass seine Chefin für die Respektlosigkeit, mit Hitlers Agitationen Quote zu machen, gnadenlos scheitert. Doch das deutsche Volk fährt auf den Hitler 2.0 ab. Er wird zum Fernsehstar … und versucht über diesen Weg seine Macht wieder aufzubauen.

    Mehr als zwei Millionen verkaufte Bücher, übersetzt in 41 Sprachen: Debütant Timur Vermes ist mit „Er ist wieder da“ ein Coup gelungen, weil er einen Nerv des Publikums punktgenau getroffen hat. Kaum ein Abend vergeht, an dem nicht irgendeine Dritte-Reich-Doku durch die Fernsehprogramme rauscht - unermüdlich, die Leute wollen es offensichtlich sehen. Das Thema lässt das Land einfach nicht los. Und doch bietet „Er ist wieder da“ noch einen ungewohnten Blickwinkel. Der Fantasy-Ansatz mit dem Wiedergänger Hitler, der schon in dem düsteren TV-Thriller „Vaterland“ (1994) mit Rutger Hauer erfolgreich ausprobiert wurde, bezieht seinen Reiz aus der Verschiebung der Perspektive. Könnte ein Mann wie Adolf Hitler, der dem gebeutelten Volk damals Wohlstand und Macht versprach, heutzutage - aller programmierten gesellschaftlichen Gegenreaktion zum Trotz – tatsächlich Erfolg haben? David Wnendts komödiantische Antwort darauf ist nicht unbedingt bequem, der Filmemacher hält den Deutschen einen Spiegel vor.

    Dies macht schon Wnendts Konzept mehr als deutlich. Er setzt die Menschen diesem neuen Hitler aus. Neben der fiktiven Spielfilmhandlung um Hitlers Aufstieg zum Comedy-Star und Machtkämpfe im TV-Sender finden sich einige improvisierte Szenen, in denen Oliver Masucci als Hitler auf reale Menschen trifft – auf dem Hundeplatz, in der Benimmschule, bei lokalen Parteiveranstaltungen oder einfach auf der Straße. Was da noch so alles an verloren geglaubtem rechtsnationalem Gedankengut schlummert, ist beunruhigend und seit der Pegida-Bewegung inzwischen sogar öffentlich nicht mehr zu leugnen. Aber auch die „gemäßigteren“ Reaktionen in der typischen Es-war-ja-früher-nicht-alles-schlecht-Geisteshaltung sind öfter als einem lieb ist, erschreckend. Natürlich provoziert der Film mit seiner Prämisse, Wnendt stichelt gezielt ... trifft aber.

    „Er ist wieder da“ bietet nicht den eindimensionalen Dämonen Hitler, sondern einen nicht uncharmanten Pragmatiker, der das moderne Leben schnell adaptiert und zu seinen Zwecken nutzt. Dieser „neue“ Hitler hält weitgehend an seinen menschenverachtenden Thesen fest, diese kommen aber als Comedy getarnt daher, ohne dabei ihre Wirkung zu verfehlen. Mit der Parodie-Figur Hitler sind die Menschen vertraut, vertrauter als mit dem echten Tyrannen, den die wenigsten noch persönlich erlebt haben. Somit begibt sich Wnendt auf ideologisch unwegiges Terrain, wenn er sein Publikum mit diesem Adolf Hitler lachen lässt. Er führt die Leute vor, nicht den Führer wie in der klassischen Parodie. Das war auch Timur Vermes‘ Ansatz, Hitler umgänglich und höflich zu zeigen und ihn dennoch zu entlarven. Um das überdeutlich zu machen, setzt Regisseur Wnendt am Ende auch nochmal ein Statement, das über den Schluss des Buchs hinausgeht, um dem Verdacht zu entgehen, sich auch noch selbst an Hitler zu berauschen. Das Konzept geht aber auf. Vor allem in der ersten Hälfte bietet „Er ist wieder da“ so furiosen Witz, der aber nicht über die gesamte Laufzeit gleich hochklassig bleibt. In der mittelprächtigen Rahmengeschichte stapeln sich dann doch die Klischees über Medien, fast alle Figuren sind Karikaturen – Fabian Busch („23“) als weinerlicher Muttersöhnchen-Journalist, Christoph Maria Herbst als hinterhältiger Produzent oder Katja Riemann („Fack ju Göhte“) als machtbesessene Senderverantwortliche.

    Die Entscheidung, Hitler mit dem einer größeren Öffentlichkeit unbekannten Burgtheater-Star Oliver Masucci („Madonnen“) zu besetzen, ist goldrichtig. „Standard-Hitler“ Christoph Maria Herbst („Stromberg“), der den Adolf(-Verschnitt) schon in den beiden „Wixxer“-Filmen sehr überzeugend gab und auch Vermes‘ Hörbuch zu „Er ist wieder da“ effektiv vertonte, verzichtet auf die nächste Führer-Nummer. Er bekommt dafür eine Nebenrolle als Intrigant Sensenbrink. Masucci versteht es, nicht zu überziehen, in keiner Sekunde. Das macht das Phänomen noch unheimlicher. Mit seiner imposanten Statur von 1,88 Metern Größe gleicht er dem realen (kleinen) Hitler körperlich nicht einmal, dafür wirkt er umso einschüchternder. Den Sprachduktus hat er sich perfekt angeeignet. Alle bekommen ihr Fett weg – Politik (nur die heimatverbundenen Grünen finden Gnade vor dem neuen Hitler!), Deutschtümler und ewig Gestrige, Neo-Nazis sowieso, aber auch der einfache Mann auf der Straße, der sich nach mehr Disziplin und Ordnung sehnt. Und natürlich nicht zuletzt die quotengeilen, gewissensbefreiten Medien, die für den großen Hit selbst einen massenmordenden Diktator exhumieren würden.

    Fazit: Selbst wenn David Wnendt erzählerisch mit seiner Verfilmung des gleichnamigen Satire-Bestsellers nach der Hälfte der Spielzeit etwas die Luft ausgeht, ist seine toxische Komödie „Er ist wieder da“ so unterhaltsam-lustig wie gleichermaßen schmerzhaft, wenn man sieht, wie viele dem Hitler 2.0 schon wieder auf den Leim gehen.

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