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    Green Room
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Green Room
    Von Christoph Petersen

    Mit seinem schnörkellosen Rachethriller „Blue Ruin“ hat sich Jeremy Saulnier („Murder Party“) vor wenigen Jahren zur neuen Hoffnung des amerikanischen Indie-Genrekinos aufgeschwungen. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an seinen nächsten Film, denen der Regisseur mit „Green Room“ nun tatsächlich gerecht wird: Der Punks-Vs.-Neonazis-Thriller ist erneut geradlinig-effektives, extrem unterhaltsames Spannungskino! Dabei ist sich Saulnier der Genre-Tradition (und speziell des John-Carpenter-Klassikers „Assault – Anschlag bei Nacht“) offensichtlich sehr bewusst - aber im Gegensatz etwa zu Quentin Tarantino bedient er sich dabei nie des Stilmittels des direkten Zitats, sondern bleibt immer ganz nah bei seinen Figuren und konzentriert sich auf die zunehmend eskalierende, scheinbar aussichtslose Situation, in der sich eine Punkband plötzlich wegen eines liegengelassenen Mobiltelefons wiederfindet.

    Als den The Ain't Rights auf ihrer Tour durch den Nordwesten der USA ein Auftritt wegbricht, weil dem Veranstalter wegen einiger Kotzvorfälle bei seinem letzten Konzert die Lizenz entzogen wurde, haben Gitarrist Pat (Anton Yelchin, „Fright Night“) und seine Bandkollegen nicht einmal mehr genügend Geld, um den Sprit für die Fahrt bis zum nächsten Veranstaltungsort zu bezahlen. Notgedrungen nehmen die Punkmusiker einen Gig in einer abgelegenen Rockerbar in den Wäldern Oregons an, obwohl sie wissen, dass sie dort vor einem in erster Linie aus Neonazis bestehenden Publikum auftreten werden. Sie eröffnen ihr Set mit einem provokanten Scherz und spielen den Protestsong „Nazi Punks Fuck Off“ von den Dead Kennedys, trotzdem geht der Auftritt abgesehen von ein paar Flaschenwürfen in Richtung Band glimpflich über die Bühne. Aber dann kehrt Gitarristin Sam (Alia Shawkat, „Arrested Development“) noch einmal kurz wegen ihres Handys in die Umkleide zurück – und entdeckt dort einen niedergestochenen Groupie. Während die The Aint‘ Rights darauf bestehen, dass die Polizei gerufen wird, verfolgen die Veranstalter um Barbesitzer Darcy Banker („Star Trek – The Next Generation“-Captain Patrick Stewart) gänzlich andere Pläne…

    Wie im Vorgänger gibt es auch in „Green Room“ eine Menge dunkelschwarzen Humor – und wie in „Blue Ruin“ ändert das auch diesmal nichts daran, dass die erneut ultrabrutale Gewalt dennoch mit voller Wucht und ohne abschwächendes Augenzwinkern einschlägt: Die Kampfhunde reißen ihren Opfern die Kehle raus und als Pat durch eine immer wieder zugeschlagene Tür hindurch eine Pistole festzuhalten versucht, sieht er mit seiner halb abgerissenen Hand und seinem von tiefen Furchen durchzogenen Arm anschließend aus, als sei direkt neben ihm eine Granate explodiert. „Green Room“ ist extrem unterhaltsam, ohne dass deshalb gleich alles ironisch gebrochen werden muss, er atmet in seiner ganzen Ästhetik den Geist klassischer Exploitationfilme - da ist es gar nicht nötig, dass sich Saulnier konkret vor diesen Inspirationsquellen verbeugt, das würde nur ablenken. „Green Room“ ist so konzentriert-geradlinig und auf gewisse Weise fast schon sachlich wie ein Genrefilm nur sein kann: Gerade das macht ihn so unfassbar effektiv und das ist in diesen von ironischem Metakino bestimmten Zeiten eine wahrlich erfrischende Abwechslung!

    Apropos sachlich: Trotz ihrer verachtenswerten Einstellung sind die Neonazis hier keine hirnlose Horde – stattdessen wirkt gerade Patrick Stewart als ihr Anführer eher wie ein erfahrener und abgeklärter Vorarbeiter auf einer Baustelle, der sich um eine Lappalie mit dem Bagger und nicht um die Beseitigung unliebsamer Zeugen kümmert. Zudem werden wie nebenbei immer wieder auch der Aufbau und die Befehlskette der Nazi-Organisation mit beleuchtet – so spielt zum Beispiel das Verhältnis von Darcy zum Türsteher Gabe („Blue Ruin“-Hauptdarsteller Macon Blair) eine besondere Rolle. Durch diese in dieser Präzision für die Handlung eigentlich gar nicht benötigten Alltagsdetails wird der Film fest in einer stimmigen Realität verankert, weshalb auch die Gewalt tatsächlich eine echte Bedeutung erlangt und nicht einfach als reines Unterhaltungselement verpufft. Außerdem wird durch Darcys ruhige und bestimmte Art, die keine Einwände zulässt, sehr schnell klar, dass es aus dieser Situation einfach keinen Ausweg ohne viele Tote geben kann – und so ziehen beide Seiten eben die Schlüsse, die sie ziehen müssen, ohne Wenn und Aber!

    Fazit: Es gibt aktuell wohl keinen zweiten Regisseur, der Gewalt in einem Genrekontext derart unmittelbar und effektiv inszeniert wie Jeremy Saulnier und nicht zuletzt deswegen ist sein „Green Room“ einer der besten Belagerungsfilme seit dem Überklassiker „Assault – Anschlag bei Nacht“ von 1976.

    „Green Room“ läuft auf den Fantasy Filmfest Nights 2016 – hier geht’s zum vollständigen Programm.

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