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    Tatort: Der sanfte Tod
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Tatort: Der sanfte Tod
    Von Lars-Christian Daniels

    Geschlagene zwei Jahre mussten die Fans von Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) auf eine neue Folge mit ihrer Lieblings-„Tatort“-Kommissarin warten: Lindholm ermittelte zuletzt im Dezember 2012 in der Doppelfolge „Tatort: Wegwerfmädchen“ und „Tatort: Das goldene Band“. Warum die lange Abstinenz? Furtwängler, die in den vergangenen Jahren auch für öffentlich-rechtliche TV-Mehrteiler wie Kai Wessels „Die Flucht“ oder Miguel Alexandres „Schicksalsjahre“ vor der Kamera stand, wollte kürzer treten und nur noch einen „Tatort“ pro Jahr drehen. Hinter vorgehaltener Hand wurde sogar über ihren Abschied aus der Krimireihe spekuliert. „Tatort“-Ermittler wie Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) sprangen zuletzt für den NDR in die Bresche – und der Zufall will es, dass Lindholm bereits eine Woche nach deren Oldenburg-Ausflug im „Tatort: Die Feigheit des Löwen“ in einer ganz in der Nähe gelegenen Region ermittelt: im Oldenburger Münsterland. Aber hat sich das Warten gelohnt? Leider nein: Alexander Adolphs „Der sanfte Tod“ ist eine der schwächsten „Tatort“-Folgen des Jahres 2014.

    Der schwerreiche Wurstfabrikant Jan-Peter Landmann (Heino Ferch) entgeht nach einem langen Tag im Büro nur knapp einem Mordanschlag: Als er bei der nächtlichen Autofahrt nach Hause mit seinem Chauffeur Karl „Carlito“ Ebert (Steven Merting) im Wagen spontan den Platz tauscht, landet eine tödliche Kugel nicht in seinem Kopf, sondern trifft seinen Fahrer. Gezielter Schuss oder Verwechslung in der Dunkelheit? Weil der Industrielle gute Beziehungen und großen Einfluss hat und weil die örtliche Polizei mit dem brisanten Fall überfordert scheint, wird LKA-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) von ihrem Chef Herbert von Keller (Robert Döller) zur Leitung der Ermittlungen ins Oldenburger Münsterland beordert. Vor Ort trifft die erfahrene Kommissarin, die angesichts ihres vollen Terminkalenders nicht mal die Zeit für einen Geburtstagsanruf bei ihrem Sohn David (Neven Metekol) findet, auf die unerfahrene Kollegin Bär (Bibiana Beglau). Als Landmann dem Tod bei einem zweiten Anschlag erneut um Haaresbreite von der Schippe springt, scheint sich die Verwechslungstheorie zu bestätigen – doch Lindholm, die sich der Avancen des Schweinebarons nur mit Mühe erwehren kann, verfolgt noch eine andere Spur...

    Wirklich spannend waren die „Tatort“-Folgen mit Charlotte Lindholm seit ihrem ersten Einsatz im Jahr 2002 nur selten – und weiterentwickelt hat sich der Krimi aus Niedersachsen allenfalls durch den Abschied von Ingo Naujoks, der die langjährige Nebenrolle als treudoofer Mitbewohner Martin Felser irgendwann satt hatte. Wie könnte man es ihm verübeln? Der „Tatort“ aus Hannover folgt schließlich seit jeher einem festen, aber quotenbringenden Schema, in das sich auch die 925. Ausgabe der Krimireihe nahtlos einfügt: Neben dem obligatorischen Ausflug in die niedersächsische Provinz, in der die Uhren diesmal zum Glück nicht gänzlich anders ticken, zählt auch die limitierte Kompetenz der örtlichen Behörden fest zum Konzept. So dämlich wie im „Tatort: Der sanfte Tod“ haben sich Lindholms Kollegen allerdings selten angestellt: Die grob überzeichnete Kripo-Kollegin Bär (Bibiana Beglau, „Die Stille nach dem Schuss“) macht als stammelnde Landpomeranze einfach alles falsch und stellt die Nerven des Zuschauers mit ihrer selbstbemitleidenden Art schon früh auf die Probe. Und ob wohl je eine „Tatort“-Folge mit Charlotte Lindholm gedreht wird, in der die vielbeschäftigte Mutter mal nicht ihren Sohn vernachlässigt, nur mit einem Handtuch bekleidet aus der Dusche steigt oder sich den kitschigen Komplimenten eines glühenden Verehrers (diesmal: Landmann) erwehren muss?

    Dass sich die Filmemacher den altbekannten Prinzipien so widerstandslos unterwerfen, ist dabei durchaus überraschend: Regisseur und Drehbuchautor Alexander Adolph („So glücklich war ich noch nie“) hat in der Vergangenheit schließlich schon Ausnahmekrimis wie die mutigen Münchner „Tatort“-Folgen „Der tiefe Schlaf“ oder „Der oide Depp“ inszeniert. Was der zweifache Grimme-Preisträger allerdings diesmal abliefert, ist mehr als enttäuschend: Außer dem obligatorischen Familienknatsch im Hause Lindholm, seltsam ironisch angehauchten Ermittlungen nach Schema F („Ich brauche Sie jetzt, wir spielen ‚Guter Bulle, böser Bulle‘!“) und bemühten Rotwein-Dialogen hat Adolph wenig zu bieten. Auch das unvermeidliche Anprangern des deutschen Konsumverhaltens (ein schmieriger Politiker darf sich sogleich als „Flexitarier“ outen) und der gesundheitsgefährdenden Methoden der Fleischindustrie gerät zu oberflächlich und einseitig – und ist angesichts zurückliegender Folgen wie dem Ludwigshafener „Tatort: Tödliche Häppchen“ oder dem Berliner „Tatort: Schweinegeld“ überdies alles andere als innovativ. Ein plötzlich eingeflochtener Schockmoment (bei dem die trauernde Mutter Lise Ebert kurz zur Horrorfigur mutiert) wiederum wirkt angesichts des überwiegend gemächlichen Erzähltons völlig deplatziert.

    Zumindest der vielfach leinwanderprobte Heino Ferch („Comedian Harmonists“, „Der Untergang“) zeigt als kühl-kalkulierende Komplimente-Schleuder mit Zuneigung für Lindholm und Abneigung gegen seinen trinkfreudigen Loser-Neffen Martin Landmann (Sebastian Weber, „3096 Tage“) eine solide Leistung. Setzt man Ferchs Auftritt als aalglatter Schweinebaron („Nehmen wir den Tieren das Leben oder schenken wir es ihnen nicht vielmehr?“) aber in Relation zu ähnlich spektakulär angelegten „Tatort“-Bösewichten der jüngeren Vergangenheit, fällt er im Vergleich zu Ulrich Matthes (überragend im „Tatort: Im Schmerz geboren“), Yasin el Harrouk (furcheinflößend im „Tatort: Der Wüstensohn“) oder Milan Peschel (sympathisch im „Tatort: Der Hammer“) spürbar ab. Sein Zusammenspiel mit Furtwängler wirkt dabei immerhin noch glaubwürdiger als die steifen Szenen mit Jungschauspielerin Ricarda Zimmerer („Clara und das Geheimnis der Bären“) als Landmanns Tochter Stella. Die an diese Figur geknüpfte Familiennebenhandlung bringt den „Tatort“ auf der Zielgeraden endgültig aus der Spur – da kann auch die nette Schlusspointe, die ein wenig an das verräterische Husten des Mörders in Adolphs herausragendem „Tatort: Der tiefe Schlaf“ erinnert,  am Ende nicht mehr viel retten.

    Fazit: Filmemacher Alexander Adolph bleibt mit dem „Der sanfte Tod“ um Längen hinter seinen früheren „Tatort“-Arbeiten zurück. Nur eingefleischte Fans von Heino Ferch oder Maria Furtwängler dürften Gefallen an diesem misslungenen Krimi finden.

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