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    Sworn Virgin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Sworn Virgin
    Von Michael Meyns

    Die Konflikte zwischen Tradition und Moderne, zwischen archaischen und emanzipierten Lebensverhältnissen sind nicht nur im Kino ein ständiges Thema. Gerade der Balkan und insbesondere seine abgelegenen Regionen waren in den vergangenen Jahren oft Schauplatz für Geschichten dieser Art. In ihnen wurden Unterdrückungsmechanismen aufgezeigt, die gerade im Kontrast zum extrem liberalen Leben in Westeuropa wie aus der Zeit gefallen wirken. Ähnlich funktioniert auch Laura Bispuris Debütfilm „Sworn Virgin“, der im Wettbewerb der Berlinale 2015 seine Weltpremiere feierte. Die Titelheldinnen sind albanische Frauen, die sich durch den Schwur ewiger Jungfräulichkeit der Zwangsehe und der Knechtschaft entziehen und fortan als Mann leben. Auch heute leben noch rund 40 solcher Eingeschworener Jungfrauen, wie es auf Deutsch heißt, nach diesem Ritus in Albanien. Das ist fraglos ein interessantes Thema, wird aber in diesem Fall viel zu undramatisch und konfliktfrei beschrieben.

    Laura Bispuri erzählt in ihrem recht nüchternen Drama keine ereignisorientierte Geschichte, sondern schildert die innere Reifung der Hauptfigur Hana (Alba Rohrwacher). Nach dem Tod der Eltern wuchs sie bei Zieheltern auf, fühlte sich aber stets emanzipierter, freier, als es in der abgelegen, geradezu archaischen Landschaft der albanischen Berge möglich war. Nach einiger Zeit als Eingeschworene Jungfrau – wie lange das bleibt wie so vieles in dem allzu elliptisch erzählten Film im Ungefähren – reist sie nach Mailand und entdeckt langsam ihre Weiblichkeit. So subtil das Spiel der Hauptdarstellerin Alba Rohrwacher („Land der Wunder“) auch ist, so potentiell vielschichtig die Gender-Thematik, die Fragen der Sexualität und der unterdrückten Freiheit: dass Bispuri sich auf eine rein beschreibende Erzählweise beschränkt, lässt die Reichweite und die Tragik der Situation letztlich nur erahnen. Der Verzicht auf dramatische Konflikte ist hier nicht nur ein Verzicht auf Emotionen, sondern auch einer auf gedankliche Tiefe.

    Fazit: Ein spannendes Thema in einer allzu zurückhaltenden Umsetzung: Debütregisseurin Laura Bispuri nutzt das erzählerische Potenzial ihrer Geschichte über Frauen in Albanien, die nach einem Ritus mehr oder weniger freiwillig als Mann leben, nicht aus.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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