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    Der Wein und der Wind
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der Wein und der Wind
    Von Antje Wessels

    Wenn sich Familien nach langer Zeit im Kino wiedertreffen, dann bestimmen meist viele unausgesprochene Dinge das Miteinander, alte Gefühle drängen an die Oberfläche und schließlich kommt es fast zwangsläufig zu Streitereien. Nicht so im Falle von Cédric Klapischs Tragikomödie „Der Wein und der Wind“. Zwar haben die durch den Tod des Vaters wieder auf dem elterlichen Weingut vereinten Geschwister Jean (Pio Marmaï), Juliette (Ana Giradot) und Jérémie (François Civil) auch in diesem Film einige Differenzen auszutragen, aber in erster Linie handelt der Film des „Beziehungsweise New York“-Regisseurs davon, wie Zeit die Wunden heilt. Hier wird nicht gekeift oder lauthals gestritten, vielmehr werden die Unwägbarkeiten des Lebens mit einer gewissen Gelassenheit und einer gehörigen Portion Humor betrachtet. „Der Wein und der Wind“ kommt in gediegenem Tempo und mit viel französischem Flair daher und nicht nur darin erinnert dieser  Wohlfühlfilm ohne aufgesetzte Feelgood-Attitüde an Ridley Scotts oft unterschätzte Romanze „Ein gutes Jahr“.

    Zwischen dem 30-jährigen Jean und seiner Familie herrschte lange Zeit Funkstille. Schon vor vielen Jahren verschlug es den  leidenschaftlichen Winzer vom französischen Burgund ins ferne Australien, wo der Familienvater gemeinsam mit Söhnchen Ben und seiner Frau Océanne (Yamée Couture) lebt. Als Jeans Vater im Sterben liegt, zieht es ihn zurück aufs Weingut seiner Eltern und damit auch zu seinen Geschwistern Juliette und Jérémie, die in den letzten Monaten für die Bewirtschaftung des Anwesens gesorgt haben. Nach anfänglichen Vorwürfen darüber, dass Jean nicht einmal zur Beerdigung seiner eigenen Mutter in die Heimat zurückgekehrt war, ziehen die drei schon bald an einem Strang. Gemeinsam stehen sie vor der Frage, ob sie das Gut behalten, oder hochpreisig verkaufen wollen. Zunächst versuchen Jean, Juliette und Jérémie, die Familientradition fortzusetzen, doch als es Jean zurück ins ferne Australien zieht, steht das Gut vor dem Aus. Und damit auch das traute Familienglück…

    Das Thema Wein spielt in „Der Wein und der Wind“ eine ganz zentrale Rolle. Das edle Gesöff ist nicht bloß das, was die drei Geschwister seit ihrer frühsten Kindheit verbindet (im Original heißt der Film übrigens „Ce qui nous lie“, was auf deutsch „Was uns verbindet“ bedeutet), es steht auch symbolisch dafür, dass nur was lange reift wirklich gut ist. Zwar erschöpft sich das Fachsimpeln über verschiedene Rebsorten und Jahrgänge irgendwann, aber die Leidenschaft für den Anbau und die Lese der Trauben spiegelt gleichsam die Passion wider, mit der die Geschwister auch für ihre Familie einstehen. Das Weingut als Familienunternehmen, das nur dann aufrecht erhalten werden kann, wenn die Menschen füreinander ebenso viel Liebe aufwenden, wie für den Wein selbst – das mag gewiss auch subtiler gehen, doch im Großen und Ganzen gelingt Regisseur und Co-Autor Cédric Klapisch hier ein hübsches Sinnbild für das Innenleben der drei Geschwister, die von Schicksalsschlägen und tragischen Ereignissen ebenso heimgesucht werden, wie der Wein von Unwettern, Stürmen und Hochwassern. Den drei Hauptdarstellern François Civil („Frank“), Pio Marmaï („Sehnsucht nach Paris“) und Ana Girardot („Saint Amour – Drei gute Jahrgänge“) gelingt es außerdem, mithilfe ihrer aussagekräftig-kraftvollen Performances, den Beginn von der stattgefundenen Entfremdung hin zum sukzessiven Zusammenwachsen glaubwürdig und authentisch darzubieten.

    Wie die Trauben auf den Hängen des malerisch in Szene gesetzten Weinbergs (Kameramann: Alexis Kavyrchine) ohne menschliches Zutun reifen, reifen auch die Menschen, die, sobald die Zeit gekommen ist, sowohl die Trauben ernten als auch das Gespräch miteinander suchen. Hier und da mag die bemühte Verknüpfung zwischen den Eigenschaften des Weins und den familiären Attributen ein wenig aufgesetzt wirken – etwa wenn die vorher so um fachliche Korrektheit bemühten Jean und Jérémie den ersten Jahrgang ihrer Schwester Juliette genau so beschreiben, wie sie auch ihre Schwester selbst beschreiben würden. Aber gerade weil es in „Der Wein und der Wind“ nicht nur um den Wein, sondern vorherrschend um die Familie geht, fallen derartige Anflüge von Kitsch nicht allzu sehr ins Gewicht. Cédric Klapisch inszeniert seinen Film stilistisch und erzählerisch fast märchenhaft und findet in den entscheidenden Momenten immer die nötige Bodenhaftung. So mag „Der Wein und der Wind“ zwar auf ein versöhnliches Ende hinzusteuern, doch das klassische Happy End findet sich hier nicht – einfach, weil die Drehbuchautoren Cédric Klapisch und Santiago Amigorena das richtige Maß finden, um Realismus und Romantik in Einklang zu bringen. So mag das Finale in seinem fehlenden Spektakel zwar fast schon langweilig sein, doch bis zuletzt kann man sich wunderbar in das verträumte Szenario von „Der Wind und der Wein“ hineinversetzen. Und so viel steht fest: Der nächste Frankreich-Urlaub kommt bestimmt!

    Fazit: „Der Wein und der Wind“ ist eine besonnen erzählte Geschichte über Familie, in der Schweres nicht allzu schwer genommen wird und die trotzdem erstaunlich realistisch ausfällt. Als Sinnbild für menschliche Kommunikation findet Regisseur Cédric Klapisch den Weinanbau und trifft damit ins Schwarze, auch wenn die ausgedehnten Fachgespräche gern ein wenig kürzer sein dürften.

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