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    Das ist unser Land!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Das ist unser Land!
    Von Michael Meyns

    Zu den Waffen, Bürger, formiert eure Truppen, marschieren wir, marschieren wir! Bis unreines Blut, die Furchen unserer Äcker tränkt!

    Wenn diese Worte aus der Marseillaise etwa vor einem Fußballspiel der französischen Nationalmannschaft erklingen, dann denkt kaum jemand noch an ihre eigentliche martialische Bedeutung – im kollektiven Bewusstsein ist aus der kämpferischen Revolutionshymne längst eine Freiheitshymne geworden, die den Grundwerten der französischen Republik und Europas musikalischen Ausdruck verleiht: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Doch in Lucas Belvaux‘ polemischem Politdrama „Das ist unser Land!“ bekommen die obigen Zeilen auf einmal wieder etwas von ihrer ursprünglichen Unversöhnlichkeit zurück, denn die verkniffene Inbrunst, mit der sie hier auf einer rechtsnationalen Wahlkampfveranstaltung geschmettert werden, lässt die Gespenster von Ausländerfeindlichkeit, Nationalismus und Gewalt aufziehen. Und das ist nur eine der vielen beunruhigenden Zuspitzungen in diesem filmischen Menetekel.

    Pauline (Émilie Dequenne) arbeitet als häusliche Krankenschwester in einer Kleinstadt im Norden Frankreichs. Allein versorgt sie ihre zwei Kinder und den kränkelnden Vater, sie nimmt sich Zeit für ihre Patienten, aber hat sich ansonsten mit dem schleichenden Niedergang der Sozialsysteme abgefunden. Da macht ihr der Arzt Dr. Berthier (André Dussollier) das Angebot, Bürgermeisterin zu werden. Erst nach langem Zögern nimmt Pauline an, sie zweifelt vor allem an der Parteichefin Agnès Dorgelle (Catherine Jacob), der Tochter eines alten Faschisten. Doch Dorgelle scheint mit ihrer neuen Partei auf Ausländerfeindlichkeit zu verzichten und sich jenseits von rechts oder links zu positionieren: Wichtig sollen allein die Interessen Frankreichs, der Nation sein, doch was bedeutet das genau und vor allem: Wer ist eigentlich ein Franzose?

    Auch wenn sie Dorgelle heißt, ist unübersehbar, dass die Politikerin mit dem fragwürdigem Vater nach der Front-national-Chefin Marine Le Pen modelliert ist, die es bei der Präsidentenwahl in Frankreich 2017 in die Stichwahl der zweiten Runde geschafft hat, dort allerdings deutlich gegen Emmanuel Macron verlor. Trotzdem: Satte elf Millionen Franzosen wählten eine Kandidatin, die zwar nicht so offensichtlich rassistisch, ja faschistisch ist wie ihr Vater Jean-Marie, die aber doch unverhohlen fremdenfeindliche und nationalistische Politik betreibt und viele der Errungenschaften abschaffen will, die Europa zu der längsten Friedensphase der jüngeren Geschichte verholfen haben: Es weiß also jeder Franzose, wer gemeint ist, wenn es hier um die Verführungskraft einer rechtsnationalen Partei und ihrer charismatischen Anführerin geht und Lucas Belvaux („Lösegeld“) lässt keinen Zweifel daran, dass er diese Frau und ihre Politik für gefährlich hält. Um das zu verdeutlichen wählt der belgische Regisseur vor allem dramaturgisch nicht gerade subtile Mittel und macht aus seinem Film eindeutig parteiisches Agitationskino.

    „Das ist unser Land!“ ist auf den ersten Blick beinahe unterkühlt inszeniert, aber sonst in fast jeder Hinsicht zugespitzt: So agiert die Heldin Pauline zunächst etwas naiv und lässt sich vereinnahmen, bis sie schließlich merkt, dass sie nur Spielball in einem korrupten System ist - die herzensgute Krankenschwester steht kühl kalkulierenden Karrieristen gegenüber. Solche extrem pointierten Kontraste gehen auf Kosten der analytischen Tiefe, aber sie vermitteln wirkungsvoll die gefährliche Verführungskraft der Rechten und darum geht es dem engagierten Filmemacher. Er zeigt, wie aus nachvollziehbaren Sorgen etwa um Arbeitsplätze gefährliche fremdenfeindliche Parolen gezimmert werden, wie durch die Beschwörung des angeblich typisch Französischen die Angst vor Fremden geschürt und wie Unzufriedenheit in Wut verwandelt wird. Bei Belvaux gelingt all dies mit etwas rhetorischem Geschick und einem Beharren darauf, die „Normalität“ zu repräsentieren, während die Skrupellosigkeit der Strategin von Darstellerin Catherine Jacob („Tante Danielle“) bei Bedarf leutselig überspielt wird – man sieht den Populisten gleichsam bei der Arbeit zu und es ist beängstigend, wie leicht sie mit ihren Methoden zu Erfolgen kommen.

    Fazit: Lucas Belvaux zeigt mit seinem engagierten Politdrama „Das ist unser Land!“, wie eine nationalistische Demagogin à la Marine Le Pen mit rechten Parolen die Menschen verführt.

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