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    Juliet, Naked
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Juliet, Naked
    Von Ulf Lepelmeier

    Gerade junge Leute sind anfällig dafür, einem bewunderten Idol regelrecht zu verfallen und als Superfans alles zu sammeln und zu besprechen, was der geliebte Star herausbringt oder gerade von sich gibt. In Nick Hornbys Roman „Juliet, Naked“ ist es der längst erwachsene Duncan (er befindet sich jenseits der 30), der sich dem vollkommen dem Fantum hingibt und dem Alternative-Folk-Rock-Sänger Tucker Crowe huldigt, der vor 25 Jahren das melancholische Album ‚Juliet’ veröffentlichte und während der Konzerttour zu diesem Album auf einmal verschwand, untertauchte und nie mehr gesehen wurde. Regisseur Jesse Peretz verfilmt das Schicksalsdreieck zwischen diesem Extremfan, seiner unzufriedenen Freundin Annie und dem von ihm verehrten Musiker als romantische Tragikomödie unter gleichem Titel und macht „Juliet, Naked“ zu einem amüsant-schrägen Kinovergnügen.

    Filmprofessor Duncan (Chris O’Dowd) ist besessen von dem Sänger Tucker Crowe (Ethan Hawke), der in den 1990er Jahren nur ein einziges Album veröffentlichte, und kurz darauf von der Bildfläche verschwand. Auf Duncans Website werden zahlreiche Theorien über die Songs, das Verschwinden des Sängers und dessen heutiges Leben aufgestellt. Seine Freundin Annie (Rose Byrne) fühlt sich von Duncans Obsession nur noch genervt. Eines Tages findet sie ein an Duncan adressiertes Demoband von Tucker Crowe in der Post, das unter dem Titel „Juliet, Naked“ die Songs des Albums in unpolierten Akustikversionen enthält. Während Duncan die Aufnahmen glückstrunken in seinem Forum anpreist, kann Annie nicht widerstehen, einen Verriss zu veröffentlichen. Damit erzürnt sie Duncan, aber sie erhält auch eine Mail von Tucker Crowe höchstpersönlich, der ihr mitteilt, dass sie mit ihren kritischen Worten goldrichtig liegt. Damit beginnt eine Freundschaft zwischen Annie und dem in den USA lebenden Musiker…

    Nick Hornby hat unter anderem die Buchvorlagen für die späteren Erfolgsfilme „About A Boy“ und „High Fidelity“ verfasst. Mit „Juliet, Naked“ überzeugt ein weiterer Roman aus seiner Feder nun auch in der Leinwandversion. Dabei wird Annie bald zur Schlüsselfigur. Sie ist ungewollt in der südenglischen Kleinstadt steckengeblieben, nachdem sie von ihrem Vater dessen langweiligen Job im örtlichen Museum übernommen hat, als dieser ihn aufgeben musste. Ihr Freund Duncan verbringt mehr Zeit mit seiner Fansite als mit ihr und sie muss sich die ewig gleichen Verschwörungstheorien anhören. Man wünscht Annie einfach, dass sie sich endlich emanzipieren und ihren eigenen Weg einschlagen kann.

    Die gutmütig-bodenständige Annie (Rose Byrne zieht alle Sympathien auf sie) findet sich ausgerechnet zwischen zwei Männern wieder, die beide nie wirklich erwachsen geworden sind und selbst nicht recht wissen, wie sie ihr Leben auf die Reihe bekommen sollen. Der eine ist ein unaufmerksames großes Kind und der andere ein zumindest in seinen Mails charismatisch erscheinender Chaot, der aber seit seiner berühmten Platte auch nicht mehr viel zustande gebracht hat und von seiner Exfrau in der Garage ihres Hauses geduldet wird.

    TV-Serien-Spezialist Jesse Peretz („GLOW“, „Girls“) erzählt von einem Aufbruch, aber auch von der Verarbeitung von (falschen) Lebensentscheidungen. Dabei gelingt ihm die richtige Mischung aus absurd-amüsanten Situationen, schrägen Figuren, tragikomischen Momenten sowie einem Hauch Romantik - garniert wird das Ganze mit den gefühlvollen Alternative-Folk-Songs des Juliet-Albums.

    Vor allem das Zusammentreffen zwischen Crow und seinem größten Fan auf Erden ist ein extrem witziger Moment, aber auch die Szene, in der Duncan die Akustikversion des Albums zum ersten Mal hört und ihm dabei die Tränen in die Augen schießen, ist irre komisch. Ganz wie die YouTubevideos, auf denen er sein (Halb-)Wissen über seinen Lieblingskünstler zum Besten gibt. Chris O’Dowd („The IT Crowd“) steigert sich verblüffend glaubhaft in die Rolle des Superfans hinein und Ethan Hawke („Boyhood“) zeigt als gescheiterter und vom Leben gezeichneter Künstler mit Herz ein kleines Augenzwinkern.

    Fazit: „Juliet, Naked“ ist eine witzig-lockere romantische Komödie über falsche Lebensentscheidungen und übertriebenen Fankult.

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