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    Aline - The Voice Of Love
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Aline - The Voice Of Love

    (Fast) die Geschichte von Céline Dion

    Von Karin Jirsak

    Aline – The Voice Of Love“ wird eingerahmt von dem Chanson „Ordinaire“, dessen Titel auf Deutsch so viel wie „gewöhnlich“ bedeutet – und tatsächlich erleben wir in diesem Beinahe-Biopic, das lose an die Biografie der kanadischen Pop-Ikone Céline Dion angelehnt ist, zwei Stunden lang eine ganz normale Frau, die nur nebenbei auch noch ein Superstar ist. Céline Dion, pardon, Aline Dieu wird in den späten 1960er Jahren in Québec als 14. Kind einer musikbegeisterten Familie geboren. Früh zeigt sich ihr besonderes Talent, das ihr später einen gewissen titanischen Superhit bescheren wird, um den es hier allerdings so gut wie gar nicht geht. Eine von vielen ungewöhnlichen und gerade deshalb so spannenden Entscheidungen von Regisseurin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Valérie Lemercier.

    Schon als kleines Kind singt sie mit ihrer Familie auf Hochzeiten. Aline (Valérie Lemercier) ist das große Publikum also von Anfang an gewohnt. Wer einmal ihre Stimme hört, vergisst sie nicht. Früh ahnt Mama Sylvette (Danielle Fichaud), dass ihre Jüngste das Zeug zum Star hat. Ein Demoband wird an den Musikproduzenten Guy-Claude Kamar (Sylvain Marcel) geschickt. Auch er ist sofort von Alines Stimme überwältigt. In den folgenden Jahrzehnten ist er stets an ihrer Seite – beim ersten Fernsehauftritt in Paris, beim Grand Prix 1988 und beim Aufstieg zum internationalen Star, den ihr der Titelsong zum Mega-Blockbuster „Titanic“ beschert. Unterwegs zum Weltruhm findet die junge Sängerin auch ihr privates Glück. Doch das gefällt nicht jedem...

    Die Szenen auf der großen Bühne spielen in "Aline – The Voice Of Love" eher eine Nebenrolle.

    „Das gefällt mir nicht“, urteilt Aline knapp, als ihr Guy-Claude zum ersten Mal das Intro zu „My Heart Will Go On“ vorspielt. Der Über-Schmalzhit spielt hier entsprechend kaum eine Rolle (später macht Aline in einer sehr bezeichnenden Szene sogar das Radio aus, als das Lied ertönt). Eine kluge Entscheidung von Regisseurin Valérie Lemercier – und das ist längst nicht die einzige. Souverän gelingt es ihr, die schlammigen Gewässer von Kitsch und Klischee zu umschiffen, indem sie die allzu offensichtlichen „großen Momente“ eher am Rande geschehen lässt und ihre Schlaglichter stattdessen auf die einnehmenden Figuren und deren Gefühle füreinander richtet.

    Viele Biopics behaupten ja, den Menschen hinter dem Star zu enthüllen. Aber selten gelingt das so lebensecht wie hier. Die Erzählung folgt nicht dem klassischen Aufstieg-und-Fall-Narrativ, das wir aus so vielen Leinwand-Lebensgeschichten kennen – was natürlich auch daran liegt, dass man die großen Abstürze im Leben von Céline Dion nicht findet. Langweilig? Au contraire! Denn es gibt ein anderes großes Thema, das einfach nie langweilig wird, zumindest wenn man die Klischees beiseitelässt: die Liebe. Zum einen gibt es hier die romantische Liebe, und auch die hat bei aller vermeintlichen „Anrüchigkeit“ etwas angenehm Alltägliches an sich. Zum anderen ist da die Großfamilie, in die das kanadische Stimmwunder als 14. von 14 Kindern geboren wird. Der Film nimmt sich Zeit und findet genau die richtigen Momente, um das Familienleben so mitreißend einzufangen, dass man sich direkt von Mama (eine Wucht: Danielle Fichaud) und Papa Dieu (sehr süß: Roc LaFortune) adoptieren lassen möchte.

    Eine Schauspielerin für alle Lebensstationen

    Mit Befremden wurde teilweise aufgenommen, dass Valérie Lemercier ihre Hauptfigur in allen Lebensphasen selbst verkörpert – vom kleinen Mädchen bis zur über 50-jährigen Dreifachmutter. Nötig wäre das vielleicht nicht gewesen, zumal Lemercier die Songs nicht selbst singt und auch nicht Céline Dion, sondern die französische Sängerin Victoria Sio. Doch Lemercier agiert in allen Entwicklungsstadien so sympathisch und selbstironisch, dass sich aus der gewagten Besetzung sogar noch der eine oder andere seltsam witzige Moment ergibt.

    Und so ist „Aline“ im Kern ein Mix aus Lovestory und Familienkomödie, in der ein Familienmitglied zufällig auch ein Superstar ist. Die lose Bindung an den biografischen Hintergrund gerät dabei insofern zum Vorteil, als sich Lemercier recht frei zwischen den Erzählkonventionen dieser Genres bewegen kann. Dynamische Kameraarbeit und hübsch in Szene gesetzte Details wie der Diamantring im Schokoladeneis oder der im Zeitraffer schrumpfende Stapel von Servietten, die Aline zur schriftlichen Kommunikation während einer Stimmbandentzündung nutzt, machen Lemerciers Hommage zu einer schönen, runden Sache.

    Nur ein kleiner Wermutstropfen zum Schluss: Während wir über den Menschen und den Star viel erfahren, bleibt die Künstlerin Céline Dion weitgehend im Dunkeln. Natürlich hören wir die Ergebnisse ihrer Arbeit. In die Arbeit selbst – die stilistische Entwicklung, die Aufnahmen und Proben – hätte Lemercier Fans und Musikbegeisterten aber gern etwas mehr Einblick geben dürfen.

    Fazit: Noch nie „My Heart Will Go On“ unter der Dusche gesungen? Macht nichts, an diesem Semi-Biopic, das im Kern ein Mix aus beschwingter Familienkomödie und Lovestory ist, kann man auch so leicht Gefallen finden. Sympathische Figuren und warmherziger Humor machen „Aline – The Voice Of Love“ mit und ohne „Titanic“-Background zum kurzweiligen Vergnügen.

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