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    Respect
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Respect

    Respekt!

    Von Helena Berg

    Als Aretha Franklin im Jahre 2018 im Alter von 76 Jahren verstarb, sang Jennifer Hudson beim Abschiedsgottesdienst den Gospelklassiker „Amazing Grace“, der wohl für immer untrennbar mit der unbestrittenen Queen of Soul verbunden bleiben wird. Drei Jahre später ist die „American Idol“- und Oscar-Gewinnerin nun in Liesl Tommys „Respect“ auf der Leinwand als ihr großes Vorbild zu sehen: Das Skript von Tracey Scott Wilson erzählt den Werdegang der legendären Sängerin von ihren ersten Auftritten bei Partys ihrer Eltern bis hin zur Aufnahme ihrer erfolgreichsten Platte „Amazing Grace“ im Januar 1972 – also jenem ikonischen Album mit bekannten Gospelsongs, bei dem sich im Vorhinein eigentlich alle einig waren, dass so ein Vorhaben ohnehin nur gnadenlos floppen kann.

    Aretha (als Mädchen: Skye Dakota Turner) wächst bei ihrem Vater C. L. Franklin (Forest Whitaker), einem ebenso einflussreichen wie strengen Baptistenprediger, der Arethas leibliche Mutter Barbara (Audra McDonald) mit seinen oft als Machtinstrument missbrauchten Predigten längst in die Flucht geschlagen hat, in Detroit auf. Schon als junges Mädchen versteht sie durchaus selbstbewusst, dass sie das Publikum beim Gospelsingen in der Kirche fest in der Hand hält. Als junge Frau (nun: Jennifer Hudson) soll Aretha in New York den Durchbruch schaffen. Doch die Karriere läuft nur langsam an und es dauert Jahre, bis sich die spätere Soullegende von den bestimmenden Männern um sie herum emanzipiert und schließlich auch ihren ganz eigenen Stil findet…

    Auch Aretha Franklins Manager und erster Ehemann Ted White (Marlon Wayans) entpuppt sich wie so viele Männer in ihrem Leben als toxisches Arschloch.

    Jennifer Hudson (Oscar als Beste Nebendarstellerin für „Dreamgirls”) ist zwar ein riesiger Fan von Aretha Franklin, verzichtet aber zum Glück trotzdem darauf, ihr Idol einfach nur nachzuahmen. Stattdessen verkörpert sie Aretha Franklin mit einer tief beeindruckenden Aufrichtigkeit und Zärtlichkeit – und auch ihre eigenen Songinterpretationen müssen sich nicht hinter den ansonsten alles überstrahlenden Originalen verstecken. Sowieso besticht „Respect“ durch die Bank mit einem herausragenden Schauspielensemble, aus dem neben Jennifer Hudson auch noch die zweite Aretha-Franklin-Darstellerin heraussticht: Nicht nur der Gesang, auch das eindringliche Spiel der erst 12-jährigen Skye Dakota Turner hinterlässt einen tiefen Eindruck.

    Das knapp zweieinhalbstündige Biopic wirkt trotz der vielen Musikeinlagen nie wie ein Musical, das jeden emotionalen Moment zwingend mit einem passenden Song untermauern muss. Stattdessen fügen sich die Gesangseinlagen natürlich in den Kontext ein – der Film zeigt Aretha beim intimen Klavierüben mit ihrer Mutter, bei ihren Auftritten auf Partys, für die sie spät abends noch einmal kurz aus ihrem Bettchen krabbeln darf, und schließlich bei den Konzerten in den größten Hallen der Welt. Am beeindruckendsten sind dabei allerdings gar nicht mal die ganz großen Happenings etwa im Madison Square Garden, sondern die Jamsessions in den Proberäumen, denn die sprudeln nur so vor verspielter Kreativität und guter Laune. Aretha Franklin wird im Film an einer Stelle vorhergesagt, dass „die Musik sie retten wird” – und nach diesen bahnbrechenden Sessions versteht man auch, warum.

    Der Ursprung ihrer musikalischen DNA

    Aber nicht nur die Musik steht im Vordergrund, es geht immer auch um die Umstände, in denen sie entstanden ist: Die Bürgerrechtsbewegung rund um Aretha Franklins engen Freund Martin Luther King, die Bevormundung von Frauen und die Religion (im Guten wie im Schlechten): All diese Themen prägen nicht nur den Film, sondern auch ganz konkret die Musik. Aretha Franklin sagt sofort alles andere ab, wenn sie bei einer Kundgebung der Bürgerrechtsbewegung auftreten soll. Sie verarbeitet ihren Herzschmerz ungeschminkt auf der Bühne und macht den Gospel zu einem Teil ihrer musikalischen DNA. Denn: Man bekommt vielleicht das Mädchen aus der Kirche, aber niemals die Kirche aus dem Mädchen.

    „Respect“ findet insgesamt eine gute Balance zwischen privaten und politischen Momenten. So wird ein gemütliches Dinner im Apartment der Sängerin durch die Nachricht über Martin Luther Kings Ermordung unterbrochen – und sein Trauermarsch endet in einem Streit zwischen Aretha Franklin und ihrem Vater. Durch diese spezifischen individuellen Momente verliert der Film seine zutiefst menschliche Protagonistin trotz der großen gesellschaftlichen Themen niemals aus dem Blick.

    In den Jamsessions findet Aretha Franklin endlich ihren ganz eigenen Stil - und beschert uns damit die besten Szenen des Films.

    Lobenswert sind auch die fabelhaften Kostüme und Kulissen, die den Film nicht platt-nostalgisch historisieren, aber das Publikum dennoch in eine andere Welt eintauchen lassen. „Respect” zeichnet die Stationen ihrer Karriere und die Schicksalsschläge ihres Lebens nach – und erzählt dabei die Geschichte, dass Aretha Franklin erst dann wirklich erfolgreich werden konnte, nachdem sie sich von den dominierenden Männern in ihrem Leben freigeschwommen hat. Die – mitunter auch aus einer heutigen Perspektive erzählte – Emanzipationsgeschichte geht allerdings nicht durchgängig auf, schließlich landete Aretha Franklin ihre ersten großen Hits an der Seite ihres toxischen Ehemannes und nahm ihr erfolgreichstes Album „Amazing Grace“ auch als Versöhnungsgeste an ihren Vater auf.

    Ganz großartig funktioniert hingegen die Geschichte, wie aus Schmerz Kunst entsteht und wie dieser Schmerz mit genau dieser Kunst überwunden werden kann. Gen Ende des Films wird zu der inzwischen weltweit megaberühmten Sängerin gesagt: „Du hast keine Dämonen, nur Trauer.” „Respect“ vermittelt, dass psychische Erkrankungen und Abhängigkeiten (egal ob vom Alkohol oder von toxischen Menschen) nicht allein die Schuld des Individuums sind, sondern meist private wie gesellschaftliche Umstände dahinterstehen – und dass die bewegendste Musik dann entsteht, wenn uns Künstler*innen genau an diesen oft schmerzhaften Gefühlen teilhaben lassen. In diesem Sinne: Danke, Aretha Franklin.

    Fazit: „Respect” ist ein kraftvolles Biopic mit einer Power-Performance von Jennifer Hudson als Aretha Franklin.

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