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    Elizabeth Harvest
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Elizabeth Harvest
    Von Christoph Petersen

    Schon nach den ersten fünf Minuten von „Elizabeth Harvest“ glaubt man, sicher zu wissen, wo der Hase langläuft. Der steinreiche Medizin-Nobelpreisträger Henry (Ciarán Hinds) bringt seine sehr viel jüngere, frisch angetraute Model-Ehefrau Elizabeth (Abbey Lee) erstmals mit zu sich in seine abgelegene Villa, wo er ihr neben der Hausmanagerin Claire (Carla Gugino aus „Sin City“) und dem blinden Gärtner Oliver (Matthew Beard) auch alle Räume ihres neuen luxuriös-geräumigen Zuhauses vorstellt. Nur eine blauschimmernde Tür im Keller ist für Elizabeth absolut tabu! Na, dann ist doch alles klar: Die naive Braut wird sich in den kommenden eineinhalb Stunden in ihrem Goldenen Käfig zunehmend unwohler fühlen, bis sie kurz vor dem Finale gar nicht mehr anders kann, als hinter die verbotene Tür zu schauen, wo sich dann ein grauenvolles Geheimnis offenbart…

    Aber Pustekuchen! Wo man sich gerade noch sicher war, worauf das alles hinauslaufen wird, weiß man nach einer Viertelstunde plötzlich nur noch, dass man nichts weiß. Regisseur und Drehbuchautor Sebastian Gutierrez („Snakes On A Plane“, „The Eye“) serviert das erwartete Filmfinale samt krassem Twist nämlich schon nach 15 statt 105 Minuten. Sein Pulver hat er damit aber noch lange nicht verschossen, ganz im Gegenteil: Selbst nachdem das Mysterium der blauen Tür gelüftet ist, regnet es fast schon im Minutentakt weitere kleine und große Wendungen. Das Drehbuch zu „Elizabeth Harvest“ hat nicht wie „Die üblichen Verdächtigen“ oder „The Sixth Sense“ diesen einen genialen Moment, auf den alles zuläuft, sondern jede Menge immer überraschende, manchmal richtig schön böse Richtungswechsel, die den Zuschauer ständig auf Trab halten.

    In gewisser Weise ist „Elizabeth Harvest“ die sehr viel garstigere Genre-Variante von „Fifty Shades Of Grey“ – nur dass sich Henri nicht damit zufriedengibt, seiner bürgerlichen Braut einen Klaps auf den Po zu geben. Und so kann man sich, wenn gerade mal keine neue Wendung um die Ecke kommt, immer auch an der Schönheit der Architektur und der Frauen erfreuen. Die Inszenierung ist betont elegant und sexy, was die Brüche in der geleckten Luxusfassade (allein diese Kamine!!!) nur noch krasser macht, wenn sich schließlich selbst die verabscheuungswürdigsten Abgründe auftun. Abbey Lee („Mad Max: Fury Road“, „The Neon Demon“), die ihre Karriere auch tatsächlich selbst als Model begonnen hat, startet hier zwar als naiv-staunendes, die Intelligenz ihres Mannes anhimmelndes Mädchen, kann sich von diesen Limitationen der Rolle aber schnell emanzipieren. Schon lange bevor sich Elizabeth tatsächlich aktiv zur Wehr setzt, lässt sich an Lees Spiel erahnen, dass da noch sehr viel mehr in der jungen Braut steckt als eine sexy Bettgespielin.

    Game Of Thrones“-Star Ciarán Hinds hat unterdessen sichtlich Spaß an der Rolle des intellektuellen Ungetüms – und tatsächlich steht der Spaß hier generell immer an der ersten Stelle: Ein wenig wirkt „Eliabeth Harvest“ wie eine spielfilmlange Episode von „Twilight Zone“ oder „Black Mirror“, schließlich gibt es auch hier eine wissenschaftliche Prämisse, deren moralischen und philosophischen Dimension anhand eines – zugegebenermaßen sehr krassen – Einzelfalls durchexerziert werden. Speziell ein Monolog von Henri darüber, wie sich die Art der Liebe zu seiner Frau über die Zeit verändert hat, ist an Bosheit kaum noch zu übertreffen. Aber auch wenn die pure Verdorbenheit in einzelnen Szenen wie dieser immer wieder mit aller Macht hineindrängt, lässt sich der Film davon nicht dauerhaft runterziehen. Stattdessen bleibt „Elizabeth Harvest“ in erster Linie immer ein vor allem plot- und twistgetriebener Mystery-Thriller mit konstant hoher Schlagzahl. Sicherlich wäre da thematisch noch mehr herauszuholen gewesen – aber so wie er ist, bietet „Elizabeth Harvest“ wunderbar kurzweilige Genreunterhaltung.

    Fazit: Wendungsreich, clever, elegant, sexy – ein Volltreffer für Mystery-Fans, selbst wenn der Film an der einen oder anderen Stelle ruhig noch tiefer in die sperrangelweit aufgerissenen Abgründe einer Ehe der etwas anderen Art hätte hinabsteigen dürfen.

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