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    Chicken Run 2: Operation Nugget
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Chicken Run 2: Operation Nugget

    Ein Hühnerhaufen auf den Spuren von Tom Cruise!

    Von Christoph Petersen

    Glücklich im Garten gehaltene Hühner werden im Schnitt fünf bis sieben Jahre alt. Demnach hat es also geschlagene vier erfüllte Gefieder-Leben gedauert, bis das britische Knetmasse-Kultstudio Aardman Animations nun endlich eine Fortsetzung zu seinem Langfilm-Erstling aus dem Jahr 2000 ins Rennen schickt. Nachdem das Studio die Animationswelt in den Neunzigern bereits mit einer Reihe von „Wallace & Gromit“-Kurzfilmen im Sturm erobert hatte, gelang mit „Chicken Run“ auf Anhieb ein Megahit, der weltweit mehr als das Fünffache seines 45-Millionen-Dollar-Budgets in die Kinokassen spülte. Allerdings war es gar nicht so leicht, diesen Erfolg auch abseits der erprobten Marken wie „Wallace & Gromit“ oder „Shaun das Schaf“ zu wiederholen. Stattdessen blieben neue Plastilin-Abenteuer wie „Die Piraten - Ein Haufen merkwürdiger Typen“ oder „Early Man - Steinzeit bereit“ deutlich hinter den Erwartungen zurück.

    Kein Wunder also, dass die Studioverantwortlichen mit „Chicken Run 2: Operation Nugget“ nun gleich doppelt auf Nummer sicher gehen: Nicht nur kehrt Aardman Animations zu seinem bislang erfolgreichsten Kino-Franchise zurück, Regisseur Sam Fell („Flutsch und weg“) und sein Team haben die Fortsetzung auch nicht für die Box-Office-Schlacht auf der großen Leinwand, sondern rundumfinanziert für Netflix produziert. Für den Streaming-Service ist das natürlich ein absoluter Coup – schließlich gibt es im Animations-Genre kaum ein Sequel, das nicht nur von Familien, sondern auch vielen (inzwischen) erwachsenen Fans so sehnsüchtig herbeigesehnt wird wie „Chicken Run 2“. Allerdings sollte man seine Erwartungen lieber ein wenig zügeln: „Operation Nugget“ ist zwar eine kurzweilige, stellenweise clever-gewitzte „Mission: Impossible“-Persiflage – aber nach einer Wartezeit von 23 Jahren hätte man sich doch die eine oder andere frische Idee mehr gewünscht.

    Netflix

    Statt „Gesprengte Ketten“ ist diesmal unter anderem die „Mission: Impossible“-Reihe mit Tom Cruise eines der offensichtlichen Vorbilder für das Animations-Abenteuer.

    Am Ende von „Chicken Run“ gelang den Hühnern der Ausbruch aus der Farm, die von der gefiederhassenden Mrs. Tweedy (Stimme im Original: Miranda Richardson) nach dem Vorbild eines deutschen Kriegsgefangenenlagers während des Zweiten Weltkriegs geführt wurde. Inzwischen leben Ginger (Thandiwe Newton) und Rocky (Zachary Levi) auf einer paradiesischen kleinen Insel, wo sie sich sorgenfrei um die Erziehung ihrer Tochter Molly (Bella Ramsey) kümmern können. Aber dann wird am Ufer des Sees eine neue Hightech-Hühnerfarm eröffnet: Während die erwachsenen Hühner um den Schrecken eines solches Ortes wissen, ist die unbedarfte Molly vor allem neugierig – und so stiehlt sie sich eines Nachts davon, um auf eigene Faust die Welt jenseits des Wassers zu erkunden.

    Dort trifft sie auf die gleichaltrige Frizzle (Josie Sedgwick-Davies), die sogar freiwillig in die Fun-World Farm hineinwill – immerhin sieht man auf dem Werbeplakat ein fröhliches Huhn in einem Eimer voller Pommes! Als die beiden Teenagerinnen ihren Fehler erkennen, ist es zu spät – sie stecken in den Klauen des verrückten Wissenschaftlers Dr. Fry (Nick Mohammed), der dabei ist, die ersten aus angstfreien Hühnern hergestellten Chicken Nuggets zu produzieren. Damit ist es an Ginger und Rocky, diesmal nicht aus einer Farm auszubrechen, sondern im Gegenteil in eine einzubrechen – und ihre Tochter samt all den anderen gefangenen Hühnern aus dem Hochsicherheitstrakt des geflügelverarbeitenden Betriebes zu befreien…

    Wieder an die Kette gelegt

    „Chicken Run“ ist nicht nur eine Knetmassen-Karikatur des Kriegsfilm-Klassikers „Gesprengte Ketten“ mit Steve McQueen und Charles Bronson: Mit ihrem mindestens britisch-trockenen bis geradeheraus-makabren Humor richtete sich die Ausbruchs-Action-Komödie von Peter Lord und Nick Park auch sonst nicht nur nebenbei, sondern vielleicht sogar vor allem an ein erwachsenes Publikum. (Der Autor dieser Zeilen hat „Chicken Run“ damals in einer Hamburger Sneak Preview um 23 Uhr gesehen – und es war trotz der Uhrzeit und des Altersdurchschnitts des Publikums der am lautesten abgefeierte Film des Jahres!) Im Sequel wird dieser Anarcho-Kern allerdings deutlich zurückgefahren – und auch sonst fühlt sich vieles an der Fortsetzung generischer an als beim Original vor 23 Jahren (und das liegt längst nicht nur an der nachvollziehbaren Entscheidung, die Rolle des Draufgänger-Gockels Rocky nun von „Shazam“-Star Zachary Levy statt von Mel Gibson sprechen zu lassen).

    War das Kriegsgefangenen-Lager noch ein Setting, das man so aus dem Genre praktisch nicht kannte, erinnert der hochgesicherte Fabrik-Bunker aus „Chicken Run 2: Operation Nugget“ nun an die Bösewicht-Verstecke aus jedem zweiten Animations-Actionfilm. Das soll aber nicht heißen, dass der Film als „Mission: Impossible“-Persiflage nicht auch ein paar echt clevere Einfälle bereithalten würde. Besonders gelungen ist etwa, wie das Agentenfilm-Klischee der Retina-Scans hier durch den Kakao gezogen wird: Statt eines Computers nimmt den Abgleich diesmal eine sichtlich unterforderte Sicherheitsbeamtin vor, die sich lustlos durch ein Buch voll mit den gescannten Augäpfeln aller Beschäftigten blättert. Und trotzdem: Als Genre-Parodie kann „Operation Nugget“ zum Beispiel der Pixar-Konkurrenz von „Die Unglaublichen“ und „Die Unglaublichen 2“ nicht ansatzweise das Wasser reichen.

    Netflix

    Ein psychedelisches Highlight: Der trügerisch-spaßige Hühner-Freizeitpark soll dafür sorgen, dass sich die Tiere möglichst angstfrei in ihr Chicken-Nugget-Schicksal ergeben.

    Damit bleibt als Alleinstellungsmerkmal natürlich die Knetmasse: Die liebevoll gestalteten Sets und Figuren sind und bleiben ein absoluter Augenschmaus! Gerade das doppelbödig-psychedelische Hühner-Freizeitpark-Paradies irgendwo zwischen „Truman Show“ auf LSD und der Battle-Royale-Videospiel-Sensation „Fall Guys“ ist ein echter Hingucker! Wobei die Animationskünstler*innen inzwischen so gut in ihrem Job sind, dass sie immer weniger sichtbare Daumenabdrücke auf den Knetfiguren hinterlassen – was ironischerweise dafür sorgt, dass einige Szenen kaum noch von üblichen computergenerierten Animationen zu unterscheiden sind.

    Es sind eben auch diese kleinen Imperfektionen, die die Filme von Aardman Animations aus der Masse herausstechen lassen – und die Verantwortlichen täten sicherlich gut daran, diese nicht noch weiter zu reduzieren, sondern sie im Gegenteil womöglich sogar aktiv wieder mehr zuzulassen: Hollywood liefert Hochglanz – aber aus dem englischen Bristol kommt der Knetmassen-Rock-n-Roll! Daran sollte sich möglichst nichts ändern, selbst wenn inzwischen Netflix die Rechnung bezahlt.

    Fazit: „Chicken Run“ war mit seinem anarchisch-makabren Charme für viele Animations-Fans eine Offenbarung! Mit der Fortsetzung kann man als Netflix-Abonnent*in an einem Sonntagnachmittag zumindest wenig falschmachen.

     

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