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    We Die Young
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    We Die Young

    Jean-Claude Van Damme röchelt sich so durch

    Von Lutz Granert

    Gleich mit seinem Debüt „Roads“ (den ihr euch hier ansehen könnt) aus dem Jahr 2007 schaffte es der israelisch-amerikanische Filmemacher Lior Geller ins Guinness-Buch der Rekorde. Insgesamt elf Filmpreise, darunter sogar eine Nominierung für den Studenten-Oscar in der Kategorie „Bester nicht-englischsprachiger Kurzfilm“, konnte seine 22-minütige Abschlussarbeit an der Universität von Tel Aviv einheimsen – so viel wie kein anderer Studentenfilm zuvor. Kein Wunder, denn „Roads“ liefert einen authentischen Einblick ins Leben des 13-jährigen Arabers Ismayil, der in der israelischen Stadt Lod als Laufbursche für ein Drogenkartell sein Taschengeld verdient. Dabei folgt Geller der der Dramaturgie eines klassischen Gangsterfilms rund um die Zutaten Loyalität, Vertrauen und Verrat – ein Stoff, wie geschaffen für Hollywood! Und auch ein Grund, weshalb Geller sein Kurzfilmskript anschließend noch weiterentwickelte und nun mit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm „We Die Young“ ein Quasi-Remake vorlegt. Der brutale Gangsterthriller kann zwar mit ein paar technisch anspruchsvollen Szenen aufwarten, enttäuscht jedoch mit allerlei Genreklischees und unübersichtlich gefilmten Actionszenen.

    In einem heruntergekommenen Viertel in Washington, D.C. regieren die lateinamerikanische Bande MS-13. Der brutale Gangsterboss Rincon (David Castañeda) sanktioniert ausstehende Schutzgeldzahlungen oder Verrat regelmäßig mit drakonischen Strafen. Für ihn arbeitet auch der 14-jährige Lucas (Elijah Rodriguez), der auf seinen Fahrradtouren durchs Viertel Geld einsammelt und Drogen verkauft, um seinem 10-jährigen Bruder Miguel (Nicholas Sean Johnny) so ein Leben fernab der Kriminalität zu ermöglichen. Als Miguel seinem Bruder nacheifern will und Lucas bei einem Botengang eine Packung Drogen abhandenkommt, gerät er selbst ins Visier von Rincon. Mit Hilfe des traumatisierten Kriegsveteranen Daniel (Jean-Claude Van Damme), einem von Lucas‘ Kunden, gelingt den ‚G‘eschwistern zunächst die Flucht. Aber Rincons Schergen sind ihnen dicht auf den Fersen…

    Jean-Claude Van Damme sieht als Kriegsveteran zumindest glaubhaft fertig aus!

    Der Regisseur und Drehbuchautor Lior Geller führte für seinen in Bulgarien und an Originalschauplätzen in Washington, D.C. gedrehten Gangsterthriller zahlreiche Gespräche mit Einsatzkräften der Polizei sowie ehemaligen Gangmitgliedern der MS-13, um eine möglichste authentische Milieuzeichnung zu erreichen. Aber dieser Rechercheaufwand erweist sich schnell als verlorene Liebesmüh, denn die per Voice-Over von Lucas beigesteuerten Einblicke in die Strukturen des Gangsterclans bleiben konsequent an der Oberfläche und auch der Plot entwickelt sich in allzu vorhersehbaren Genrebahnen. Zwischen korrupten Cops, vom Gangsterleben faszinierten Halbwüchsigen, Misstrauen im innersten Kreis der Macht, Rivalitäten mit anderen Gangs und Scheinheiligkeit bei den Mächtigen – hier regieren doch wieder nur die üblichen Gangsterfilmklischees das Geschehen.

    Die mimische Bandbreite des diabolisch aufspielenden David Castañeda („Sicario 2“) als Gangsterboss Rincon ist dabei tatsächlich beeindruckend. Nachdem er betont bildungsbürgerlich einige Zeilen aus William Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“ zitiert hat, malträtiert er einen Widersacher brutal mit einer Machete und spricht sichtlich gerührt seiner körperlich behinderten Schwester Gabriela (Robyn Cara) vor ihrer anstehenden Hochzeit Mut zu. Da kann Jean-Claude Van Damme, dem hier als traumatisiertem Afghanistan-Veteran nach seiner starken Performance als Türsteher in „The Bouncer“ eine ungleich kleinere und undankbarere Rolle zukommt, schlicht nicht mithalten – im Gegenteil: Da Daniel durch eine Kriegsverletzung seine Stimme verloren hat, röchelt sich The Muscles From Brussels ohne Dialogzeilen und mit einem Einheitsgesichtsausdruck durch den Film.

    Spurenelemente von Virtuosität

    Während die wackelige Kamera in „Roads“ noch die Authentizität beim Dreh an Originalschauplätzen in der israelischen Stadt Lod betonte, sind die Reißschwenks und das ständige Gerüttel bei „We Die Young“ eine einzige Zumutung. Kameramann Ivan Vatsov filmt von der einfachen Dialogszene bis hin zur Verfolgungsjagd durch die Wohnungen und Hinterhöfe des Viertels nahezu alle Szenen mit einer gleichbleibend hypernervösen Handkamera. Obwohl im bleihaltigen Finale auch eine zweiminütige Plansequenz zu finden ist, die Gellars Talent in der Szenenregie unter Beweis stellt, geht auch hier die Übersicht schnell zwischen den viel zu hastigen Schnitten verloren.

    Der Zuschauer fragt sich bei dem Dauergeballer unweigerlich, wer hier eigentlich auf wen schießt und wer gerade wohin läuft. Über dieses Defizit kann auch eine weitere furios geschnittene Parallelmontage im letzten Drittel nicht hinwegtäuschen: Wenn sich hier an gleich drei Schauplätzen die abschließende Gewaltentladung zusammenbraut, ist das durchaus packend. Da scheint so etwas wie Virtuosität zumindest kurz durch. Aber insgesamt bleibt „We Die Young“ dann doch nur spannungsloser und überraschungsfreier Thriller-Einheitsbrei.

    Fazit: Eine enervierende Kameraarbeit macht die Actionszenen zur Qual und Jean-Claude Van Damme enttäuscht in einer glanzlosen Nebenrolle – Lior Geller Langfilmdebüt „We Die Young“ ist trotz einiger ambitioniert inszenierter Szenen als Ganzes misslungen.

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