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    Red 11
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Red 11

    Ein absolutes Horror-Schnäppchen

    Von Michael Meyns

    Die Produktionsgeschichte von Robert Rodriguez‘ „El Mariachi“ wurde schon sooft erzählt, dass sich inzwischen kaum noch unterscheiden lässt, was davon tatsächlich der Wahrheit entspricht und was anschließend noch als Dichtung zu der Legende hinzugekommen ist. Angeblich soll der Film des mexikanischen Newcomers im Jahr 1993 nur 7.000 Dollar gekostet haben. 25 Jahre später will Rodriguez, der sich inzwischen natürlich an einer ganz anderen Stelle in seiner Karriere befindet (und zuletzt den megateuren Blockbuster „Alita: Battle Angel“ für James Cameron abgedreht hat), nun noch einmal zeigen, dass er es immer noch draufhat, solch einen Low-Budget-Coup zu landen.

    Aus der Arbeit an einem TV-Format, das Nachwuchsregisseuren die Kunst des Filmemachens ohne nennenswertes Budget näherbringen sollte, entstand so das Filmprojekt „Red 11“. Dabei handelt es sich übrigens um eine echte Familienproduktion. Gemeinsam mit seinen Söhnen Racer und Rebel schulterte Robert Rodriguez fast die gesamte Arbeit an dieser in 14 Tagen und erneut für (angeblich) nur 7.000 Dollar entstandene Horror-Thriller-Komödie, die eigentlich gar nicht veröffentlicht werden sollte, dann aber doch gut genug ausfiel, um in Sundance und Cannes gezeigt zu werden. Und tatsächlich: „Red 11“ ist ein sehenswert-lässiges Stück Do-It-Yourself-Kino.

    Wie sollen wir hier bloß rauskommen?

    Der junge Filmstudent Rob (Roby Attal) hat Geldprobleme. Genau 7.000 Dollar schuldet er einem Kartell und sieht für sich nur noch einen Ausweg: Sich als Laborratte verdingen! Als Red 11 nimmt er an einer Studie teil, bei der eine neuartige Droge getestet wird, die den Körper schneller heilen lässt. Dementsprechend werden den Probanden bewusst Verletzungen zugefügt, um dann zu sehen, wie gut diese anschließend wieder verheilen. Nachdem die erste Versuchskaninchen Blutiges erbrochen haben, hat Red 11 genug und plant die Flucht. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn schon bald muss er feststellen, dass die wahren Abläufe in dem Versuchslabor noch viel abgründiger sind, als er es sich jemals ausgemalt hat...

    Autobiographisch und selbstgemacht

    Vermutlich sollte man sich „Red 11“, so er denn irgendwann mal regulär im Kino oder vermutlich eher auf einem Streaming-Portal verfügbar sein wird, nicht unbedingt ansehen, ohne vorher in „Rebel without A Crew: The Robert Rodriguez Film School“ zumindest mal reingeschaut zu haben. Bei unserer Vorführung in Cannes war es hingegen Rodriguez selbst, der von der Entstehung des kleinen Experiments erzählte: Während der Post-Produktion zu seinem gut 170 Millionen Dollar teuren Film „Alita: Battle Angel“ brauchte der Regisseur offenbar einfach mal einen Tempowechsel und drehte deshalb zu Hause in Austin, zum Teil sogar in den Büros seiner Produktionsfirma, den kleinen, teilweise autobiographischen „Red 11“.

    Schließlich hat sich Rodriguez selbst Anfang der 1990er Jahre als medizinisches Versuchskaninchen zur Verfügung gestellt, um mit dem Geld „El Mariachi“ zu finanzieren. Voller Referenzen an sein eigenes Oeuvre ist dann auch diese Horror-Thriller-Komödie, die in vielen Momenten an Steven Soderberghs Depressions-Thriller „Side Effects“ denken lässt. Beide Filme wurden für wenig Geld ohne große Hilfe gedreht, nur das Rodrigues und seine Söhne eben noch ein Stück weiter gehen: Während der Vater als Autor, Produzent, Regisseur, Kameramann, Cutter und Spezialeffektspezialist tätig war, kümmerte sich Racer um das Buch, den Ton und die Stunts. Rebel übernahm unterdessen die Musik, zudem spielen beide Söhne in Nebenrollen mit.

    Vielleicht ja so!

    Dass er seine Söhne sicherlich nicht bezahlen musste und zudem teure Kameras sowie moderne Schnittcomputer mit umfangreicher Toneffekt-Datenbank sowieso zuhause rumstehen hat, trägt natürlich auch dazu bei, dass Rodrigues von einem 7.000-Dollar-Budget sprechen kann. Dennoch ist es bemerkenswert, wie Rodriguez mit simpelsten Tricks und geschickten Schnitten effektvolle Schockmomente herstellt. Und wie er nur allein mit zwei kleinen Scheinwerfern, die unterschiedlich aufgestellt werden, ganz verschiedene Lichtstimmungen erzeugt. Selbst für scheinbar banale Tricks wie das schnelle An- und Ausknipsen des Lichtschalters ist sich Rodrigues nicht zu schade; Mit einem ominösen Brummen unterlegt reicht auch das für einen brauchbaren Effekt.

    „Red 11“ ist durchweg geprägt von Rodrigues Lust am Filmemachen, seinem Credo, dass Kreativität durch Aktivität entsteht, das gerade die Reduktion der finanziellen und technischen Mittel oft zu originellen Ergebnissen führt. Nicht zu viel über ein Projekt Nachdenken, sondern einfach machen, das ist der Rat, den Rodrigues mit seiner Filmschule und letztlich auch mit diesem Film geben will. Ein Rat, den sich gerade viele angehende deutsche Regisseure zu Herzen nehmen könnten, die oft lieber über die Trägheit der Fördersysteme lamentieren, statt mit Freunden und Kollegen (Kurz)-Filme zu drehen, um zu beweisen, dass sie tatsächlich visuelles und erzählerisches Talent besitzen. 7.000 Dollar oder Euro mag das zwar nicht kosten, doch angesichts der heutzutage verfügbaren Technik ist auch ohne großes Geld sehr viel möglich. Zumindest wenn man das nötige Talent und die nötige Willenskraft besitzt.

    Fazit: Als für sich stehender Film macht Robert Rodriguez „Red 11“ eine Menge Spaß. Aber noch mehr begeistert er als flammendes Plädoyer für Do-It-Yourself-Filmemachen. Ein überzeugendes Beispiel für das, was mit Einfallsreichtum und Kreativität auch ohne große finanzielle Mittel alles möglich ist.

    Wir haben „Red 11“ beim Filmfestival in Cannes gesehen, wo er in der Sektion Quinzaine des Réalisateurs gezeigt wurde.

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