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    Die perfekte Ehefrau
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die perfekte Ehefrau

    Juliette Binoche sagt dem Ideal der perfekten Ehefrau den Kampf an

    Von Teresa Vena

    Auch in seinem siebten Langfilm stellt der regieführende und drehbuchschreibende Schauspieler Martin Provost wieder Frauen und ihre Emanzipationserfahrungen ins Zentrum seiner Geschichte. Dabei würzt der Filmemacher sein Lieblingsthema zwar meist mit einem ähnlichen Humor, spielt es zugleich aber in verschiedenen Epochen und den damit verbundenen sozialen Kontexten durch: So war der vielfach preisgekrönte „Séraphine“ (2008) über die Künstlerin Séraphine Louis etwa in den 1920er Jahren angesiedelt. „Ein Kuss von Beatrice“ (2017) mit Catherine Frot und Catherine Deneuve spielt dann in der Gegenwart, bevor es für „Die perfekte Ehefrau“ nun wieder zurück in die 1960er geht.

    Trotz der ähnlichen Thematik sind die drei Filme in Sachen Stil und Atmosphäre recht unterschiedlich geraten. Gemeinsam haben sie hingegen, dass Martin Provost in allen Fällen eine hochkarätige Besetzung verpflichten konnte. In „Die perfekte Ehefrau“ bietet er in den zentralen Rollen nun Juliette Binoche, Yolande Moreau und Noémie Lvovsky auf. Alle drei Schauspielerinnen beweisen Mut zur Selbstironie – aber während es Moreau und Lvovsky seit jeher gewohnt sind, zwischen bodenständig-leiser und krachend-absurder Komik zu wechseln, fällt es ausgerechnet Binoche sehr viel schwerer, bei diesen tonalen Sprüngen das Gleichgewicht in ihrer Rolle zu bewahren.

    Paulette (Juliette Binoche) muss sich nach dem Tod ihres Mannes plötzlich auch um die angeschlagene finanzielle Seite ihrer Haushaltsschule kümmern.

    Elsass, 1967: Paulette (Juliette Binoche) ist die Direktorin der Hauswirtschaftsschule Van der Beck. Hierher werden junge Frauen geschickt, damit sie lernen, wie sie zu perfekten Ehefrauen werden. Dafür müssen sie nicht nur die Aufgaben im Haushalt und der Kindererziehung beherrschen, sondern auch sittsam und gehorsam sein. Unterstützt wird Paulette bei der Leitung von zwei alleinstehenden Frauen mit kleinen exzentrischen Macken: Ihre Schwägerin Gilberte (Yolande Moreau) erteilt Kochunterricht und die Nonne Marie-Thérèse (Noémie Lvovsky) Handarbeit, während sie zugleich den Part eines Wachhunds übernimmt.

    Die strengen Regeln, die den Mädchen Disziplin und Genügsamkeit beibringen sollen, befolgt auch Paulette, die ihrem müßiggängerischen Mann Robert (François Berléand) die Geschäftsführung überlässt. Letzteres erweist sich im Nachhinein allerdings als Fehler, denn als Robert an einem Stück des von Gilberte liebevoll zubereiteten Kaninchenbratens erstickt, erfährt die frischgebackene Witwe, dass die Schule wegen der Spielschulden ihres verstorbenen Gatten kurz vor dem Bankrott steht. Aus der Not kann ihnen nun nur noch Paulettes Jugendliebe, der Bankier André (Édouard Baer), heraushelfen…

    Emanzipation im Turbogang

    „Die perfekte Ehefrau“ ist von schwankender Qualität. Das erste Drittel überzeugt noch mit pointierten Dialogen sowie einer charmanten Charakterisierung der Hauptfiguren sowie ihres sozialen Umfelds in den 1960er Jahren. Aber im weiteren Verlauf entwickelt sich der Film erst zu einem kitschigen Liebesabenteuer vor fast touristisch-werbenden Landschaftsaufnahmen und schließlich zu einer nur oberflächlich erzählten Emanzipationsgeschichte. Ganz zu schweigen vom märchenhaften Schluss, in dem es zu einem weiteren Stilbruch kommt. Abgesehen von wenigen dramaturgischen Höhepunkten präsentiert hier Martin Provost seine bisher wohl konventionellste französische Sommerkomödie – und das ist eher nicht als Kompliment gemeint.

    Die Rekonstruktion der 1960er Jahre funktioniert in erster Linie auf visueller und musikalischer Ebene – gerade Ausstattung und Kostüme machen echt was her. Was die Wertevorstellungen der Ära und speziell die Rolle der Frau darin betrifft, geht der Film hingegen wenig subtil vor, wenn er die Emanzipationsbestrebungen allein aus der Pariser Studentenbewegung von 1968 abzuleiten versucht. Insgesamt ist das Thema zu hastig abgearbeitet, es fehlt an Tiefe. Motive wie der Geschlechtsverkehr, der nur im Rahmen der Ehe möglich und für die Frau nichts Lustbringendes haben soll, oder der Siegeszug der Hose über Rock hätten viel mehr Potential gehabt. Ebenfalls nur angedeutet bleibt die rechtliche Ebene der Emanzipation, mit der die Protagonistin sich nach dem Tod ihres Mannes konfrontiert sieht, wenn erstmals in ihrem Leben ein Bankkonto auf ihren eigenen Namen eröffnet wird.

    Yolande Moreau und Noémie Lvovsky liefern als Köchin und Nonne die besten Gags des Films.

    Gilberte hört Schnulzen von Adamo. In ihrem Zimmer spielt sie die Platte vom Plattenspieler und tanzt verträumt dazu, bis ihr Bruder, geschickt von Paulette, sie bittet, doch endlich aufzuhören. Diese Träumereien gehören sich nicht. Gilberte stellt den Typus Frau dar, die als ewiges „Fräulein“ im Kreise der Familie lebte und sich, meist unbezahlt, um das Haus kümmerte. In dieser Position war es akzeptiert, dass eine Frau unverheiratet blieb. Die zweite Ausnahme bildeten die „Frauen Gottes“, vertreten durch die Nonne Marie-Thérèse. Es sind diese zwei Figuren, die am meisten überzeugen, weil die Darstellerinnen ihren Rollen etwas Eigenständiges zu geben vermögen. Sie sind im Weiteren auch davon befreit, einen Wandel durchmachen zu müssen. Bei Paulette fühlt sich gerade dieser Teil aber an wie das Abarbeiten einer dramaturgischen Pflicht, weil es sonst schlicht keine Geschichte gäbe.

    Die wirklich interessanten Szenen ereignen sich hier deshalb auch vor allem an den Rändern des eigentlich zentralen Erzählstranges. Zu den gelungensten Momenten gehört etwa die Begegnung mit einer Fernsehmoderatorin, die anlässlich einer Hauswirtschaftsmesse in Paris einen kleinen Beitrag über die Van-Beck-Schule machen will. Vor der Kamera erstarren Paulette, Gilberte und Marie-Thérèse allerdings und sorgen so bei der gerade noch selbstsicheren Journalistin aus der Hauptstadt für zunehmende Gereiztheit. Der Film hätte mehr solche nuancierte Situationskomik gebrauch. Stattdessen rettet sich das Skript zu oft und zu schnell in den naheliegenden, aber weniger ertragreichen Klamauk.

    Fazit: „Die perfekte Ehefrau“ ist eine leichte Komödie, die leider immer wieder durchhängt. Der Versuch einer Gesellschaftskritik fällt arg flach aus, genau wie die Zeichnung der Figuren. Sehenswert ist der Film so allenfalls wegen einiger gelungener Pointen sowie der schauspielerischen Leistung von Juliette Binoches gut aufgelegten Komplizinnen Yolande Moreau und Noémie Lvovsky.

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