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    Tatort: Wo ist nur mein Schatz geblieben?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Tatort: Wo ist nur mein Schatz geblieben?

    Abschied nach 22 Jahren!

    Von Lars-Christian Daniels

    Am Ende haben wir alle geheult“, gestand Hauptdarstellerin Sabine Postel in einem Interview kurz vor Ostern 2019 – denn neben der Freude über ihre knapp 22 erfolgreichen Jahre in Diensten der öffentlich-rechtlichen Krimireihe war auch eine ordentliche Portion Wehmut dabei, als in Bremen die Schlussklappe zu ihrem letzten „Tatort“ fiel. Zum Abschluss der Dreharbeiten von „Tatort: Wo ist nur mein Schatz geblieben?“ stand das gesamte Filmteam mit Champagner bereit – für Postel und ihren langjährigen TV-Kollegen Oliver Mommsen gab es am Set Konfetti, Blaulicht und sogar ein kleines Feuerwerk. Ein eben solches brennen die beiden in ihrem Abschiedsfall auch vor der Kamera ab, denn ihre Figuren durchleben diesmal ein Wechselbad der Gefühle – beim Blick auf die vergangenen Jahre zählt ihr letzter Einsatz allerdings klar zu ihren schwächeren. Regisseur und Drehbuchautor Florian Baxmeyer, der bereits zum 14. Mal für den Fadenkreuzkrimi aus Bremen am Ruder sitzt, hat zwar einen temporeichen und dramatisch endenden „Tatort“ arrangiert, doch seine dynamische Inszenierung kann die vielen Drehbuchmängel und die klischeebeladenen Figuren nicht kaschieren.

    Bei Bauarbeiten in Bremen wird unter einer Straße die verschüttete Leiche einer nackten jungen Frau entdeckt. Wer hat sie getötet und wie ist sie dort hingekommen? Die Hauptkommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen), die bei ihren Ermittlungen von Rechtsmediziner Dr. Katzmann (Matthias Brenner) und Lürsens Tochter und Kollegin Helen Reinders (Camilla Renschke) unterstützt werden, übernehmen den Fall. Sie finden heraus, dass die Tote für eine Immobilienentwicklungsfirma gearbeitet hat, die in Verbindung zur tschetschenischen Mafia steht und an illegalen Geldwäschegeschäften beteiligt ist. Doch die Kommissare kommen nicht weit: Nachdem sie Geschäftsführerin Vera Berlov (Violetta Schurawlow) und ihrem Kollegen Roger Stahl (Kostja Ullmann), der zugleich mit ihr liiert und der Vater ihres Kindes ist, auf den Zahn gefühlt haben, machen die BKA-Ermittler Manfred Maller (Robert Hunger-Bühler) und Wolfgang Kempf (Philipp Hochmair) ihnen deutlich, dass sie sich besser aus den Ermittlungen heraushalten. Stahl ist nämlich ein verdeckter Ermittler, über den das BKA an Berlovs in Berlin lebenden Bruder Adam (Daniel Wagner) herankommen will – und der hat bereits seinen Besuch in Bremen angekündigt...

    Ein melancholischer Blick zum Abschied: Sabine Postel in ihrem letzten "Tatort" nach 22 Jahren als Ermittlerin.

    Lasst uns noch mal ein Feuerwerk abfackeln“, hatte Hauptdarsteller Oliver Mommsen vor den Dreharbeiten zu den letzten beiden „Tatort“-Folgen aus dem kleinsten deutschen Bundesland angekündigt – und mit dem heiß diskutierten Vampir-Tatort „Blut“ bekamen die Zuschauer im Herbst 2018 bereits einen eindrucksvollen Vorgeschmack darauf, dass Radio Bremen beim Abschied seiner Ermittler keine Gefangenen mehr macht. Mittelmaß gab es an der Weser in den letzten Jahren aber ohnehin so gut wie nie – schwachen Folgen wie „Tatort: Ordnung im Lot“ oder „Tatort: Echolot“ standen tolle Thriller wie „Tatort: Brüder“ oder aufwühlende Krimidramen wie „Tatort: Im toten Winkel“ gegenüber. „Tatort: Wo ist nur mein Schatz geblieben?“ fällt nun leider wieder in die Kategorie „missglückt“: Der Abschiedsfall unter Regie von Florian Baxmeyer, der gemeinsam mit Michael Comtesse und Stefanie Veith auch das Drehbuch zum Film geschrieben hat, ist ein seltsames Potpourri aus amerikanisch angehauchtem Actionfilm und emotionalem Krimidrama – eine sehr eigenwillige Mischung, die vor allem an der mangelhaften Charakterschärfe der Figuren und den vielen Plattitüden in den Dialogen krankt.

    Dabei setzen die Filmemacher auf einen konsequent düster wummernden Soundtrack und schlagen den Bogen zurück zu „Tatort: Er wird töten“ von 2013: Stedefreund war damals im Rahmen einer kurzen Kripo-Auszeit in Afghanistan tätig – was genau er dort gemacht hat und was ihn für Monate traumatisiert hat, blieb aber damals schon nebulös. Nun wird das Geheimnis mit sechs Jahren Verspätung gelüftet, doch hat man dabei nie das Gefühl, als hätte Radio Bremen diese Auflösung von langer Hand geplant. Vielmehr scheint das Ganze eine willkommene Gelegenheit zu sein, dem Kommissar nachträglich ein dunkles Geheimnis andichten zu können. Stedefreunds Sünden und das zunehmend gestörte Vertrauensverhältnis zu Lürsen sind die Antriebsfeder der 1091. „Tatort“-Folge. Deutlich unspektakulärer fällt hingegen das Wiedersehen mit BKA-Kollegin Linda Selb (Luise Wolfram) aus, die sich im „Tatort: Zurück ins Licht“ verabschiedet hatte und nun doch noch ein letztes Mal ihre Hackerqualitäten unter Beweis stellen darf. Auch der Auftritt von Stedefreunds Ex-Liebhaberin wirkt ziemlich konstruiert – zum Abschluss wollte man in Bremen auf Kosten der Glaubwürdigkeit offenbar noch einmal alle vor der Kamera zusammenbringen und aufeinander loslassen.

    In jeder Lebenslage das Baby unter dem Arm: Kostja Ulman als Undercover-Ermittler.

    Über die holprig zusammengeschusterte Geschichte mag man noch großzügig hinwegsehen, beim Blick auf die Figuren offenbaren sich aber ebenfalls große Schwächen: Die durchgeknallten BKA-Ermittler Maller und Kempf agieren schlichtweg fernab jeder Realität, während man der unterkühlten Vera Berlov und ihrem angeblich so schwer in sie verliebten Lebensgefährten Roger Stahl das glückliche Pärchen zu keinem Zeitpunkt abkauft. Zum unfreiwilligen Running Gag entwickelt sich dabei ihr Baby Kolja (Junis Koussan), das fast in jeder Sequenz mit von der Partie ist und von einem der beiden gewickelt, auf dem Arm getragen oder durch die Gegend gefahren wird – ganz gleich, ob gerade der Bruder von der tschetschenischen Mafia mit seinen Schergen hereingeschneit ist, die Kommissare in der Immobilienfirma herumschnüffeln oder die Scharfschützen des SEK auf einen Geiselnehmer angelegt haben. Auch schauspielerisch agieren nicht alle Darsteller auf der Höhe – einige Komparsen und Kleindarsteller agieren gar so steif und hölzern, dass man diese Szenen besser ganz gestrichen hätte. So gehen Lürsen und Stedefreund am Ende mit einem großen Knall in „Tatort“-Rente – aber nicht mit einem überzeugenden Sonntagskrimi.

    Fazit: Dem letzten „Tatort“ mit Sabine Postel und Oliver Mommsen mangelt es nicht an Action, Dramatik und reißerischen Dialogen – dafür aber an originellen Figuren, Substanz und Glaubwürdigkeit.

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