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    Der Rosengarten von Madame Vernet
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der Rosengarten von Madame Vernet

    Einfach schön

    Von Helena Berg

    Eine Rose ist ja irgendwie beides: Zeitlos schön und doch als arg kitschig aus der Zeit gefallen, Inbegriff einer Liebeserklärung und umweltschädlicher Kapitalismusausdruck. Das muss auch die Titelheldin aus „Der Rosengarten von Madame Vernet” von Pierre Pinaud („Sag dass du mich liebst”) feststellen: Eve Vernet (Catherine Frot) kümmert sich seit dem Tod ihres Vaters voller Stolz um dessen Rosenzüchtung in Burgund, doch das Geschäft floriert schon lange nicht mehr. Stattdessen kann der Großkonzern Lamarzelle Jahr für Jahr die begehrte Goldene Rose abräumen. Da sich Eve keine professionelle Unterstützung leisten kann, heuert ihre langjährige Mitarbeiterin Véra (Olivia Côte) drei Arbeiter*innen aus einem Resozialisierungsprogramm an. Fred (Melan Omerta), Samir (Fatsah Bouyahmed) und Nadège (Marie Petiot) kennen sich zwar nicht mit der Kunst des Rosenzüchtens aus, haben dafür aber andere Qualitäten…

    So schwierig das Züchten einer neuen Rosenart ist, so einfach ist das Rezept dieses Films. Ein traditioneller, gefährdeter Betrieb kämpft gegen Goliath und bekommt dabei unerwartete Hilfe von Menschen, die ansonsten von der Gesellschaft vergessen wurden. Da wäre der etwas merkwürdige Arbeitslose, das rauchende Problemkind (mit unerwarteten Talenten) und die leicht Panische mit den großen Rehaugen. Kritisch betrachtet und trotzdem zusammengehalten wird die schräge Gruppe von der verbitterten Madame Vernet, die nur ihre Rosen an sich heranlässt. Kurzum: Das hätte leicht ein sehr vorhersehbarer und vor allem sehr, sehr kitschiger Film werden können.

    Eve Vernet (Catherine Frot) bekommt unerwartete Hilfe durch ein Resozialisierungsprogramm.

    Aber Pierre Pinaud erzählt die Geschichte mit Leichtigkeit, Humor und unerwarteter Kritik an Sexismus und Homophobie. „Was haben dir Frauen und Schwule getan?”, fragt Eve Fred nach seinen diskriminierenden Aussagen und ist nicht etwa deshalb frustriert, weil sie keinen Mann und keine Kinder hat, sondern weil große Unternehmen das bedrohen, was sie liebt: die Rosenzüchtung. Das alte, mit Duftproben gefüllte Landhaus wird so zu einem Symbol der Kritik am schnellen Geld. Während einer Besichtigung der Anlagen der vermeintlich übermächtigen Konkurrenz merkt Eve an, dass die Rosen unter diesen Bedingungen schneller verblühen. Das wäre doch gut, antwortet der herumführende Anzugträger, dann würden die Leute schließlich auch schneller neue Rosen kaufen. Außerdem würden die meisten Rosen sowieso nach China exportiert werden.

    Trotz der angeschnittenen Thematiken erhebt „Der Rosengarten von Madame Vernet“ keinesfalls den Anspruch, die Gesellschaft oder seine Charaktere tiefer ergründen zu wollen. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass die potenziellen Konflikte nicht auf die übliche Klischeeart zu Ende geführt werden: So erfährt man zwar, dass Fred geklaut hat und von seinen Eltern verstoßen wurde, ohne dass er dadurch zum Problemfall für den Betrieb oder am Ende dramatisch seine Familie wiedertreffen würde. Die unterschiedlichen Charaktere geraten zwar manchmal aneinander, vertragen sich dann aber auch schnell wieder.

    Keine Liebe trotz roter Rosen

    Und man mag es kaum glauben, aber die Liebe spielt trotz all der Rosen keine Rolle. Stattdessen müssen ständig neue Ideen ausgeheckt werden, damit Roses Vernet nicht pleitegeht: Die Truppe spielt auf dem Markt als einziger Stand Musik, Samir und Nadège klappern Haustüren mit Rosenstöcken ab, Fred verkauft die Blumen an seine Fußballfreunde – als Wiedergutmachung für die Freundinnen. Da kann man ruhig schmunzeln, doch die möglichen Auswege aus der Krise sind nicht das Herzstück des Films, der vor allem von der ansteckend-positiven Dynamik zwischen den Figuren lebt.

    Umso überraschender ist das Ende, das nicht so vorhersehbar ist, wie man es glauben würde. Es beweist stattdessen einmal mehr, dass die Natur nichts ist, was man bezwingen kann, und das Schönheit vor allem dann entsteht, wenn Menschen nicht aufhören, an ihre Träume zu glauben. Träume… die können genauso verbraucht sein wie die Rose als Liebeserklärung. Aber immer dann, wenn sie mit Leidenschaft unterfüttert sind, fangen sie doch wieder an zu blühen und sich zu bewegen. Daher ist es auch so schön, dass sich die Kamera immer wieder Zeit nimmt für die Blume als solche, für ihren Zyklus und ihre Vielfältigkeit.

    Die Rosen stehen auch visuell im Zentrum des Films, der sie in all ihren Formen, Farben und Zyklen ins Bild rückt.

    Auch durch die Filmmusik bekommen die Rosen etwas Magisches, fast Mystisches. Als Zuschauer*in entwickelt man so einen Bezug zu der Pflanze und der Mühe, die in ihr steckt. Die Botschaft des Films ist auch: Träume müssen gar nicht groß sein und das Leben (wie der Film) darf auch einfach mal nur schön sein. Denn wenn etwas schön ist und man deshalb ganz genau hinsieht, kann man meistens noch viel mehr erkennen. Während Eve Vernet im Abspann über ihre Felder läuft und „Für meine Mutter” auf dem Bildschirm erscheint, möchte man als Zuschauer*in vor allem eins: Dort sein, in Frankreich, auf der Farm Roses Vernet –egal wie kitschig dieser Gedanke im ersten Moment auch erscheinen mag.

    Fazit: Der Plot von „Der Rosengarten von Madame Vernet” ist nicht neu, aber mit viel Leichtigkeit und Humor erzählt. Vor allem dank der Schauspieler*innen und wunderschöner Bilder entwickelt man trotz der simplen Charakterzeichnung schnell Sympathien für die Figuren und auch den Rosen, die nicht nur zeitlos, sondern in diesem Fall auch sehr aktuell ist.

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