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    Tatort: Das perfekte Verbrechen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tatort: Das perfekte Verbrechen

    Auf den Spuren von Alfred Hitchcock

    Von Lars-Christian Daniels

    Die Idee vom perfekten Verbrechen – also eine Straftat, die gar nicht als solche zu erkennen ist oder dem Täter nicht nachgewiesen werden kann – hat schon viele Filmemacher (und Schriftsteller) fasziniert und entsprechend Einzug in ihre Geschichten gehalten. Im Kino fallen uns zum Beispiel die zeitlosen Hitchcock-Klassiker „Cocktail für eine Leiche“ und „Bei Anruf Mord“, mit Blick auf die jüngere Vergangenheit auch Gregory Hoblits starbesetzter Thriller „Das perfekte Verbrechen“ mit Anthony Hopkins und Ryan Gosling ein.

    Nun erzählt auch der Berliner „Tatort: Das perfekte Verbrechen“ eine Story, die besonders an die Ausgangslage von Alfred Hitchcocks Kammerspiel „Cocktail für eine Leiche“ erinnert – denn wie beim Master of Suspense sind es auch hier junge Männer aus gutem Hause, die den vermeintlich perfekten Mord begehen und so in erster Linie ihre intellektuelle Überlegenheit demonstrieren wollen. Unter der Regie von Grimme-Preisträgerin Brigitte Maria Bertele („Grenzgang“) ist dabei ein durchaus reizvoller, aber nicht vollständig überzeugender Krimi entstanden, der sich zugleich ganz anders anfühlt als die Folgen, die die Hauptstadt in den letzten Jahren zur beliebtesten deutschen Krimireihe beigesteuert hat.

    Ein Sniper als Täter - und der Tatort mitten auf dem belebten Berliner Gendarmenmarkt.

    Die Studentin Mina Jiang (Yun Huang) bricht auf dem Gendarmenmarkt plötzlich zusammen. Ein Unbekannter hat sie aus der Ferne erschossen. Die Hauptkommissare Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) finden mit Unterstützung von Kollegin Anna Feil (Carolyn Genzkow) und Kriminaltechniker Knut Jansen (Daniel Krauss) heraus, dass der Schuss aus einem Seminarraum der „Berlin School Of Law“ abgefeuert wurde. Dort fand zur Tatzeit ein Colloquium statt – bestehend aus Theodor Quembach (Franz Pätzold), Friedrich Herrmann Falkenstein (Lukas Walcher), Wolfram Liere (Max Krause) und Ansgar Godlewsky (Johannes Scheidweiler). Luises Freund Benjamin Renz (Anton von Lucke) will der elitären Studentenrunde ebenfalls beitreten. Als Teil der Aufnahmeprüfung musste er unter anderem einen Vortrag über „Das perfekte Verbrechen“ halten…

    „Der Täter wollte, dass wir das Video finden. Der spielt mit uns“, zieht Karow nach einer guten halben Stunde ein erstes Zwischenfazit am Tatort – und fühlt sich von den Studenten als Ermittler diesmal besonders herausgefordert. Drehbuchautor Michael Comtesse, der bereits das Drehbuch zum spannenden Berliner „Tatort: Dein Name sei Harbinger“ und zwei weiteren Folgen der Krimireihe geschrieben hat, setzt auf eine reizvolle Kombination aus kniffligem Whodunit und klassischem Howcatchem – denn wenngleich schon nach wenigen Minuten klar ist, dass eigentlich nur einer der fünf angehenden Juristen die junge Kommilitonin in Berlin-Mitte erschossen haben kann, so bleibt doch lange Zeit unklar, welcher der verwöhnten und durchtriebenen Burschen den Abzug gedrückt und Benjamins theoretische Erörterung in die Praxis umgesetzt hat.

    Reich Vs. Obdachlos: Der Fight Club der Berliner Elite

    Schon hier offenbaren sich aber einige Klischees im Drehbuch: Vier der fünf Studenten stammen aus bestem Hause und benehmen sich – offenbar folgerichtig – entsprechend hochnäsig und abweisend. Für ihre teuren Anwälte, und das ist typisch für dieses Berufsbild im „Tatort“, gilt dasselbe in gesteigerter Form. Während andere Jungs in ihrem Alter netflixen, Sport treiben oder versuchen, Frauen abzuschleppen, bleiben Theodor, Wolfram, Ansgar und Friedrich Hermann in einer mondänen Grunewalder Villa lieber unter sich, spielen Schach oder gehen auf die Jagd – wenn sie als Aufnahmeritual denn nicht gerade in einer Art „Fight Club für Arme“ für ein paar hundert Euro Siegprämie einen bedauernswerten Obdachlosen auf den zwei Gewichtsklassen leichteren Benjamin hetzen. Der wirkt als „Perle des Proletariats“ weitaus menschlicher und nahbarer.

    Wurden studentische Verbindungen im „Tatort: Satisfaktion“ aus Münster noch humorvoll persifliert oder im Freiburger „Tatort: Damian“ für ein cleveres Verwirrspiel genutzt, wirkt das Ganze hier manchmal wie ein Ausflug in eine künstliche Parallelwelt – zwar nicht ganz glaubwürdig, aber zumindest vorstellbar. Doch über gute Ansätze kommt der mit vielen lateinischen Zitaten gespickte Krimi oft nicht hinaus. Auf der Zielgeraden verliert die ganze Nummer bei einer Kreuzung aus Maskenball und simulierter Gerichtsverhandlung dann endgültig die Bodenhaftung – und spätestens hier wirkt auch der großartige Peter Kurth („Herbert“) in seiner ansonsten angenehm gegen den Strich besetzten Rolle als renommierter Professor irgendwie nicht mehr ganz glücklich.

    Viel Krimi, kaum Soap

    Durch den juristischen Background der Studierenden ergibt sich aber ein reizvolles Duell auf Augenhöhe: „Der Club der schweigenden Jäger“ hält eisern zusammen und weiß genau, wie weit die Kommissare gehen dürfen und wo ihnen deutsche Paragraphen Einhalt gebieten. Rubin und Karow wiederum reizen ihren Spielraum konsequent aus und greifen sogar zu einem unkonventionellen Trick, der sie den Job kosten könnte. Hätten sie bei der Auswertung eines Videos allerdings schon bei der ersten Sichtung genauer hingesehen und nicht erst in den Schlussminuten des Films, wären sie mit ihrer Arbeit deutlich schneller fertig gewesen: Dieser dramaturgische Taschenspielertrick ließ sich in den letzten Jahren schon häufiger im „Tatort“ beobachten (zuletzt im Frankfurter „Tatort: Falscher Hase“) – und wirkt immer wahnsinnig konstruiert.

    Während die Fans des charismatischen Ermittlerduos diesmal Abstriche machen müssen, weil es zwischen Rubin und Karow ungewohnt entspannt zugeht, kommen Krimi-Puristen bei der 1124. Ausgabe der öffentlich-rechtlichen Erfolgsreihe auf ihre Kosten. Der Fokus in diesem Berliner „Tatort“ liegt nämlich zur Abwechslung mal allein auf dem Kriminalfall und das (vergleichsweise aufregende) Privatleben der Ermittler spielt diesmal überhaupt keine Rolle. Zur Charakterzeichnung tragen die Filmemacher dennoch bei: Karow outet sich zum Beispiel als Studienabbrecher und passiv agierender Buy-and-Hold-Anleger – wie passend, dass der Krimi nur wenige Tage nach dem „Corona-Crash“ ausgestrahlt wird, der die Börsen weltweit in die Knie gezwungen hat.

    Fazit: Durchaus reizvoller „Tatort“ aus Berlin, der sich an großen Vorbildern orientiert und dabei in manche Klischeefalle tappt.

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