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    Der Fuchs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Der Fuchs

    Eine ebenso ungewöhnliche wie berührende Freundschaft

    Von Karin Jirsak

    Wenn du einen Freund willst, so zähme mich“, sagte der Fuchs zum kleinen Prinzen. Nicht weniger als die Essenz jeder Verbindung zwischen den Lebewesen beschreibt die Schlüsselepisode aus dem berühmten Kunstmärchen von Antoine de Saint-Exupéry. Liebe, Freundschaft, Zuneigung, Vertrauen – wie wir es auch nennen, es steht in harschem Kontrast zum Hintergrund des Zweiten Weltkriegs, den der österreichische Filmemacher Adrian Goiginger („Die beste aller Welten“) für seine humanistische Parabel gewählt hat. Aber das ist kein reiner Kunstgriff: „Der Fuchs“ basiert auf den Erlebnissen seines Urgroßvaters Franz Streitberger, der als Motorradkurier im Dienste des Bundesheers das Kriegsjahr 1940 in Frankreich erlebte – mit einem jungen Fuchs im Schlepptau.

    Für den jüngsten Sohn gibt es zum Abendessen nur eine Kartoffel. So kann es nicht weitergehen, entscheidet der Vater (Karl Markovics) – und gibt Franz in die Obhut eines Bauern, um auf dessen Hof als Knecht zu arbeiten. Jahre später findet Franz (Simon Morzé) Arbeit als Motorradkurier für das österreichische Bundesheer. Als seine Einheit Richtung Westen geschickt wird, fügt er sich in sein Schicksal. Inmitten der Kameraden ist der stille Franz ein Außenseiter, die Einsamkeit scheint sein einziger Begleiter zu bleiben. Bis er im Wald ein verletztes Fuchsjunges findet...

    Eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen Mensch und Fuchs – zwei Alleingelassene schlagen sich durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs…

    Vor dem Haus nähert sich ein Fremder dem Jungen, er gibt ihm ein Stück Schokolade. Franz weiß nicht, was er damit machen soll, er hat noch nie Schokolade gegessen. Sie schmeckt gut, aber mit dem Fremden mitgehen, das will er trotzdem nicht. Er rennt zum Haus. Seine Mutter steht im Eingang. Als sie ihn sieht, schlägt sie die Tür zu. Der Junge rennt weiter, findet seinen Vater bei der Feldarbeit, auch er wendet sich ab. Der Fremde ist ihm gefolgt. Der Vater hält sich die Ohren zu, als der Bauer das schreiende Kind einfach über die Schulter wirft und über das Feld wegschleppt... Eine der ersten Szenen aus „Der Fuchs“ ist zugleich auch die eindringlichste. Das Trauma der Trennung spiegelt sich, wenn Franz Jahre später das schreiende Fuchsjunge findet.

    Ohne viele Worte gelingt es Goiginger, seine Botschaft in ausdrucksstarken Motiven in Szene zu setzen und dabei Parallelen zwischen den scheinbar ungleichen Freunden und ihren Hintergründen zu akzentuieren. Wie die Mutter des Fuchswelpen saßen auch die Eltern des kleinen Franz (wenn auch nur im metaphorischen Sinne) in der Falle: Die Armut trieb sie dazu, ihren Jüngsten wegzugeben. „Was Ihre Väter nicht vollbracht haben, das können Sie nun vollbringen“, schärft es der Kommandant Jahre später seiner Einheit ein, bevor sie nach Frankreich aufbricht.

    Franz (Simon Morzé) bleibt auch in der Armee immer eine Außenseiter.

    Entkoppelt vom Kontext der Kriegsrhetorik nimmt der Satz hier auf der Betrachter*innenebene eine neue, positive Bedeutung an. Franz kann nun etwas vollbringen, das sein Vater nicht vollbracht hat. Er kann es besser machen und, allen Widrigkeiten zum Trotz, Liebe und Schutz geben, so lange es nötig ist. So beginnt mit dem Auffinden des Fuchses die Heilung des initialen Traumas. Doch der Krieg stellt jeder alten und neuen Bindung die allgegenwärtige Trennung entgegen. „Vater, ich hab' jeden Tag gewartet, dass du mich wieder holst“, schreibt Franz in der Normandie. Werden die Briefe den Adressaten je erreichen? Und kann die Freundschaft zwischen Franz und seinem Fuchs von Dauer sein?

    Aus diesen Fragen bezieht der Film durchgängig Spannung. In der biografischen Erzählung seines Urgroßvaters liegt genug emotionale Substanz, sodass sich Adrian Goiginger die für „tierische“ Kinofreundschaften üblichen Vermenschlichung sparen und sich stattdessen ganz auf seine Geschichte und ihre moralische Kernaussage konzentrieren kann. Das Leben in der lebensfeindlichsten aller Situationen um jeden Preis zu bewahren – um nichts weniger geht es hier, und das ist ebenso allgemeingültig wie aktuell.

    Fazit: Aus der anrührenden Geschichte seines Urgroßvaters, der sich als Soldat im Kriegsjahr 1940 mit einem Fuchs anfreundete, schafft Regisseur Adrian Goiginger eine moralisch klarsichtige Parabel über Trennung und Verbundenheit und den Wert der Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten.

     

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