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    The Swordsman
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Swordsman

    Das historische "Taken" – ohne Liam Neeson, dafür mit Schwertern

    Von Björn Becher

    Dass Eltern im Kino zu unberechenbaren Kampfmaschinen werden, sobald ihre Kinder in Gefahr geraten, ist wahrlich kein neues Phänomen: So mutierte schon Arnold Schwarzenegger in „Das Phantom-Kommando“ zur brutalen Ein-Mann-Armee – und in „96 Hours – Taken“ avancierte selbst der Charaktermime Liam Neeson aufgrund der Sorge um seine entführte Tochter zum Actionstar (was seiner gesamten Karriere im Anschluss eine völlig neue Richtung verpasste). Auch „The Swordsman“ dreht sich um dieses altbekannte Szenario – allerdings im historischen Korea, mit viel Schwertkampfaction und einem Helden, der nach und nach sein Augenlicht verliert.

    Seinen erblindenden Protagonisten hält Jae-Hoon Choi zunächst ein wenig arg eng an der Leine, wenn der Regiedebütant uns in seinem Action-Drama erst mal etwas zu breit in sein Setting einführt. Aber dafür lässt er seinen Star Jang Hyuk dann in der hochkarätigen zweiten Hälfte umso entfesselter auftreten! Wenn sich der Schwertkämpfer Tae-yul mehr als eine halbe Stunde fast ohne Verschnaufpausen auf dem Weg zur finalen Konfrontation mit „Mortal Kombat“-Bösewicht Joe Taslim durch Ninjas, Soldaten und seinen einstigen Mentor schnetzelt, ist das trotz nicht immer überzeugendem CGI-Blut ganz starkes Martial-Arts-Kino...

    Joe Taslim (rechts) führt die Bösewichtriege an.

    Im 17. Jahrhundert toben im Königreich Joseon (Teil des heutigen Koreas) die Machtkämpfe. Angesichts des anhaltenden Chaos ist jeder nur darauf bedacht, seine eigene Haut zu retten. Sklavenhändler können unterdessen weitestgehend ungestört oder sogar ganz legal ihrem Unwesen nachgehen. Tae-yul (Jang Hyuk), einst Bodyguard des gestürzten Königs, hat sich hingegen mit seiner Tochter Tae-Ok (Hyeon-soo Kim) auf einen abgelegenen Berg zurückgezogen. Doch weil ihr Vater nach und nach sein Augenlicht verliert, willigt Tae-Ok im nächsten Dorf in einen folgenschweren Deal ein:

    Um die nötigen Heilkräuter bezahlen zu können, lässt sie sich von dem Adeligen Lord Lee Mok-yo (Choi Jin-ho) adoptieren – ohne zu ahnen, dass dieser düstere Hintergedanken verfolgt. Doch es kommt noch schlimmer: Tae-Ok fällt in die Hände von Gurutai (Joe Taslim) und seinen fiesen Schergen, die im Auftrag der ihren Einfluss über das Land ausbauenden Qing-Dynastie tätig sind. So kommt es, dass Tae-yul zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt wieder zu seinem alten, teilweise zersplitterten Schwert greift....

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    Der Prolog liefert nicht nur mit einem – auch aufgrund der um die Kontrahenten kreisenden Kamera – famosen Schwertkampf einen lustmachenden Vorgeschmack auf die Action, sondern etabliert auch direkt den Protagonisten als wild entschlossenen, kaum zu stoppenden Kämpfer. Danach schaltet Regisseur und Autor Jae-Hoon Choi aber gleich mehrere Gänge runter und erzählt sehr breit von der politischen und sozialen Situation in einem von Machtspielen zerklüfteten Land. Das dient vor allem dazu, das angemessene historische Setting für die laut Einblendung „wahre Geschichte“ zu etablieren – gerät aber trotz einiger Actioneinschübe bisweilen ein wenig dröge.

    Dass die Adeligen wie Lord Lee die Angst umtreibt, eine Tochter als Tribut an den neuen König zu verlieren und es daher verlockend ist, noch schnell ein armes Mädchen zum Zweck der Weitergabe zu adoptieren, ist zwar eine interessante Prämisse – am Ende spielt es aber für den Plot gar keine wirkliche Rolle. Schließlich ist nur wichtig, dass Tae-Ok in die Fänge des sadistischen Gurutai gerät, um Tae-yul zum gnadenlosen Ein-Mann-Killerkommando werden zu lassen.

    Auch von Ninjas lässt sich Tae-yul nicht stoppen...

    Wenn der fast blinde Kämpfer in der zweiten Hälfte des Films endlich von der Leine gelassen wird, liefert „The Swordsman“ dafür aber umso krasser ab: Die Action ist erstklassig inszeniert, dazu wird die ausufernde Metzel-Arie dank vieler Variationen auch nie langweilig. Höhepunkt ist eine umfangreich, fast ohne sichtbare Schnitte ablaufende Sequenz, in der sich Tae-yul in Zeitlupe durch ein ganzes Bataillon aus mit Gewehren ausgestatten Soldaten kämpft. Wenn die Kamera langsam über den sich immer weiter rot färbenden Schauplatz fährt, die Kugeln in „Matrix“-Manier durch die Gegend fliegen und das Schwert sich durch zahlreiche Bäuche schlitzt, ist das ebenso visuell beeindruckend wie mitreißend dynamisch . Einzig das bisweilen doch arg künstlich wirkende CGI-Blut trübt ein wenig den Gesamteindruck.

    Gerade im finalen Drittel zahlt sich der behutsame Aufbau dann doch noch aus, weil die Kontrahenten wie der titelgebende Schwertkämpfer und der nun auf der falschen Seite stehende Min Seung-ho (Man-sik Jeong) Schattierungen entwickeln, die in einer so geradlinigen Story nicht ganz üblich sind. Sowieso ist Tae-yul ein erfrischend ambivalenter „Held“. Nachdem er im Prolog noch wie ein edler Krieger anmutet, sind ihm später die Menschen eigentlich völlig egal, solange er nur seine Tochter zurückbekommt. Er hat nicht mal ein Problem damit, eine zwar nicht unschuldige, aber unbewaffnete Frau zu töten, nur um seinem Ziel ein Stückchen näher zu kommen.

    Kein zweiter Zatoichi

    Etwas auf der Strecke bleibt bisweilen die einsetzende Blindheit des Protagonisten: Hin und wieder erinnern uns zwar verschwommene Ego-Perspektiven daran, dass es ihm schwerfällt, seine Widersacher wahrzunehmen. Läuft eine Auseinandersetzung dann aber erst einmal, rückt die Behinderung schnell wieder in den Hintergrund, weil sich das eingeschränkte Sehvermögen – anders als in der legendären japanischen Samurai-Reihe „Zatoichi“ – selten deutlich im Kampfstil widerspiegelt. Da aber die Kämpfe auch so schon abwechslungsreich genug ausfallen, ist das am Ende zum Glück nur ein kleines Manko.

    Fazit: Auf einen (zu) langen Aufbau folgt eine dafür umso rasantere zweite Hälfte. Insgesamt ergibt sich so ein gelungenes Actionspektakel mit spektakulären Schwertkampfszenen und einem provozierend-ambivalenten Titel-„Helden“!

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