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    Mit Liebe und Entschlossenheit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Mit Liebe und Entschlossenheit

    Ein herbeigemogeltes Mysterium

    Von Christoph Petersen

    Im Kern geht es in „Mit Liebe und Entschlossenheit“ um ein klassisches Liebesdreieck: Die Radiomoderatorin Sara (Juliette Binoche) ist bereits seit neun Jahren durchaus glücklich mit dem ehemaligen Rugby-Profi Jean (Vincent Lindon) zusammen, als dessen ehemaliger Geschäftspartner François (Grégoire Colin) wieder auftaucht und mit Jean gemeinsam eine Agentur für Spielervermittlungen aufmachen will.

    Zugleich ist François auch der Mann, in den Sara ganz stürmisch verliebt war, bevor sie sich damals für den verlässlicheren Jean entschieden hat. Nun flammen die alten Gefühle wieder auf – und zwar derart lichterloh, dass Sara jedes Mal eine sichtbare körperliche Reaktion zeigt, wenn sie François auch nur aus der Ferne erspäht.

    Sind Sara (Juliette Binoche) und Jean (Vincent Lindon) wirklich so glücklich, wie es gleich zu Beginn des Films die HD-Cam-Aufnahmen ihres Urlaubs am Meer suggereieren?

    Allerdings erzählen Regisseurin Claire Denis („High Life“) und ihre Co-Autorin Christine Angot, mit der gemeinsam sie auch schon das Skript zur romantischen Komödie „Meine schöne innere Sonne - Isabelle und ihre Liebhaber“ verfasst hat, das alles nicht wirklich gradlinig. Stattdessen formen sie aus der Jahrtausende alten Prämisse mit geschickten Auslassungen und nur halb mitgehörten Handygesprächen ein regelrechtes Mysterium …

    … weshalb sich die erste Stunde von „Mit Liebe und Entschlossenheit“ auch anfühlt wie ein Beziehungs-Krimi, bei dem man nur darauf wartet, bis all die dunklen verborgenen Geheimnisse an die Oberfläche sickern: Was ist damals wirklich zwischen Sara und François vorgefallen? Warum hat Jeans Mutter (Bulle Ogier) das Sorgerecht für seinen Teenager-Sohn Marcus (Issa Perica) übernommen? Warum war Jean für einige Jahre im Knast?

    Mysterium ohne Pointe

    Aber wir sehen hier keinen Thriller – und so sind die Auflösungen letztendlich entweder banal oder werden gar nicht erst geliefert. Ist „Mit Liebe und Entschlossenheit“ deshalb eine Mogelpackung? Vielleicht. Auf jeden Fall hält Denis so eine konsequente Grundspannung, die durch das einmal mehr grandiose Spiel der Stars im Zentrum weiter befeuert wird:

    Vor allem die finale Konfrontation zwischen Juliette Binoche (Oscar für „Der englische Patient“) und Vincent Lindon („Titane“) hat ebenso viel Pfeffer wie Facetten. Grégoire Colin („Nénette und Boni“) hat durch weniger Präsenz die schwierigere Rolle. Doch weil man die ganze Zeit allein durch Saras Reaktionen die Persona eines Superlovers auf François projiziert, ist es einfach köstlich, wenn er sich beim ersten Schäferstündchen dann wie ein bockiger Teenager mucksch auf die Toilette hockt, weil Sara im Bett nicht so will wie er.

    Gegen den Maskenstrom

    Zugleich lädt Claire Denis ihr ohnehin schon überdehntes Liebesdreieck auch noch mit allerlei Zeitgeschichtlichem auf – und das mit schwankendem Erfolg: „Mit Liebe und Entschlossenheit“ spielt während der Pandemie, ohne dass je ein Wort über Corona gesprochen würde, selbst wenn das Einstecken und Aufsetzen der Masken ganz selbstverständlich geschieht. Es ist vielleicht der erste Film, in dem die Pandemie zu einer Selbstverständlichkeit des Alltags geworden und deshalb auch gar nicht mehr der Rede wert ist.

    Wobei Denis vor allem in dokumentarisch anmutenden Szenen immer wieder plötzlich und sichtbar die Aufnahmetechnik wechselt. Ein Gang durch einen U-Bahn-Tunnel, in dem der subjektiven Kamera ein Schwall von maskentragenden Pendler*innen entgegenströmt, wurde offenbar mit einem iPhone gedreht. Es sind faszinierende Brüche, die „Mit Liebe und Enschlossenheit“ so viel eleganter im Hier und Jetzt verorten als die zu offensichtlichen Szenen, in denen Sara in ihrer Radioshow ihre Gäste wie den Fußballweltmeister Lilian Thuram zu Themen wie der Migration der jungen Mittelschicht im Libanon oder neuen Ideen in der Rassismusforschung interviewt.

    Fazit: Das Mysterium um das zentrale Liebesdreieck wird durch erzählerische (Krimi-)Kniffe über Gebühr aufgebläht und zudem noch mit allerlei Ballast an den Rändern beschwert, weshalb es am Ende vor allem den großartigen Schauspieler*innen und dem streckenweise faszinierenden Spiel mit verschiedenen Aufnahmetechniken zu verdanken ist, dass aus „Mit Liebe und Entschlossenheit“ dennoch ein bis zum Ende involvierendes Beziehungsdrama geworden ist.

    Wir haben „Mit Liebe und Entschlossenheit“ im Rahmen der Berlinale 2022 gesehen, wo er als Teil des offiziellen Wettbewerbs gezeigt wurde.

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