Poison - Eine Liebesgeschichte
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
2,5
durchschnittlich
Poison - Eine Liebesgeschichte

Allzu bühnenhafte Trauerarbeit

Von Michael Meyns

Obwohl das Regie-Spielfilmdebüt der Schauspielerin und Fernsehmoderatorin Désirée Nosbusch den Untertitel „Eine Liebesgeschichte“ trägt, geht es weniger um die Liebe als um Trauer. Nach zehn Jahren trifft ein ehemaliges Paar wieder aufeinander, und zwar auf dem Friedhof, auf dem das gemeinsame Kind begraben liegt. Es wird geredet, über den Verlust des Sohnes und der Liebe, über den Umgang mit der Trauer, um den Versuch, irgendwie abzuschließen. Nur zwei Personen treten auf, der Mann und die Frau, gespielt von Tim Roth („Pulp Fiction“) und Trine Dyrholm („Das Mädchen mit der Nadel“), die sich redlich bemühen und mit ihrem intensiven Spiel bisweilen auch berührende Momente erzeugen. Aber am Ende können auch sie nicht kaschieren, dass es sich bei „Poison – Eine Liebesgeschichte“ um die Verfilmung eines Theaterstücks handelt, deren Bühnenherkunft allzu deutlich hervortritt.

Er fährt mit dem Auto vor, sie kommt mit dem Fahrrad. Sie hat es nicht weit bis zu dem Friedhof, auf dem sie sich zum ersten Mal seit zehn Jahren treffen werden, er kommt extra aus den Niederlanden. Lucas (Tim Roth) ist Schriftsteller und Edith (Trine Dyrholm) arbeitet zwar als Dozentin, trauert aber vor allem immer noch um den gemeinsamen Sohn, der vor vielen Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Bald nach der Beerdigung auf dem kleinen, malerisch in einem Tal gelegenen Friedhof packte Lucas seine Koffer und ging, um ein neues Leben anzufangen. Nun haben geplante Umbauarbeiten auf dem Friedhof ein Treffen des ehemaligen Paars erzwungen, das nach all der Zeit eine Menge miteinander zu bereden hat…

Das Wiedersehen war zwar nicht unbedingt freiwillig. Trotzdem gibt es zwischen Lucas (Tim Roth) und Edith (Trine Dyrholm) eine Menge zu besprechen. Filmwelt
Das Wiedersehen war zwar nicht unbedingt freiwillig. Trotzdem gibt es zwischen Lucas (Tim Roth) und Edith (Trine Dyrholm) eine Menge zu besprechen.

Dem deutschen Fernsehpublikum ist Désirée Nosbusch (Jahrgang 1965) seit vielen Jahren ein Begriff. Seit Anfang der 1980er war die aus Luxemburg stammende Schauspielerin – neben dem kultigen Skandal-Klassiker „Der Fan“ – vor allem in Serien und Fernsehfilmen zu sehen. Zudem moderierte sie, als Luxemburgerin vielsprachig aufgewachsen, auch diverse Fernsehshows, darunter den Eurovision Songcontest. Nun hat sie zum ersten Mal bei einem Spielfilm Regie geführt. Ein Kind verloren hat sie selbst zwar nicht, diverse von der Boulevardpresse intensiv begleitete Trennungen hat Nosbusch allerdings hinter sich. Sie weiß also, wovon sie erzählt, wenn sie ein entfremdetes Paar in den Mittelpunkt ihres Films stellt, das trotz jahrelanger Trennung schnell merkt, dass da doch noch ein gewisses Maß an Nähe existiert.

Trotz der im Ansatz dramatischen Ausgangssituation passiert in „Poison – Eine Liebesgeschichte“ dennoch nicht viel mehr, als das sich zwei erwachsene Menschen wie Erwachsene verhalten und 90 Minuten miteinander reden. Unterschiedliche Themen werden dabei angerissen, weitläufige Gespräche geführt, die dem Publikum nach und nach die Details der Beziehung, des folgenschweren Unfalls und der daraus resultierenden Trennung vermitteln.

Man spürt die Bühne, selbst wenn sie gar nicht da ist

Dass hier ein Theaterstück als Vorlage diente, ist dabei kaum zu übersehen. Es stammt von der niederländischen Autorin Lot Vekemans und erlebte 2009 seine Uraufführung. Schon 2013 wurde es von der Spanierin Isabel Coixet unter dem Titel „Yesterday Never Ends“, hierzulande lief der Film damals allerdings nicht regulär im Kino, sondern nur im Panorama der Berlinale. Die ungleich Kino-erfahrenere Coixet („Mein Leben ohne mich“) war bei dem Versuch, die Bühnenherkunft der Vorlage filmisch aufzulösen, allerdings erfolgreicher als nun Désirée Nosbusch in ihrer Version.

Mehr als regelmäßige Ortswechsel lockern das Geschehen in „Poison – Eine Liebesgeschichte“ kaum auf: Von der Eingangshalle des Friedhofsgebäudes geht es in die Toilette, dann in die Kirche, schließlich ins Auto und zum Ende zu einem Aussichtspunkt über dem Friedhof. Die statische Inszenierung sorgt dafür, dass das Augenmerk noch mehr an den Dialogen hängt, die für ein derart reduziertes Zweipersonenstück allerdings nicht pointiert genug wirken, um auch nur die überschaubaren 90 Minuten zu füllen.

Die Bilder von „Poison“ haben oft eine Schwere an sich, die das Gewicht der geführten Gespräche widerspiegeln. Filmwelt
Die Bilder von „Poison“ haben oft eine Schwere an sich, die das Gewicht der geführten Gespräche widerspiegeln.

Zugleich liegt der Fokus so natürlich ganz massiv auf den beiden Stars des Films – und hier liegt die größte Qualität des Films: Mit Tim Roth und Trine Dyrholm hat Désirée Nosbusch ein erfahrenes Duo engagieren können, das viel Lebenserfahrung auf ihren Gesichtern trägt. Sie füllen ihre jeweiligen Figuren mit Tiefe, Trauer und Leben. In den besten Momenten erzählt „Poison“ so vom schwierigen Prozess der Trauerarbeit, vom unterschiedlichen Umgang mit dem Tod eines Kindes, von verletzten Gefühlen und dem Wunsch, doch noch einen Schlussstrich zu ziehen. Meistens jedoch plätschert das Regiedebüt eher behäbig dahin und begnügt sich damit, zwei Menschen beim Reden zu zeigen, was zu oft genauso aufregend ist, wie es sich anhört.

Fazit: Die Stars Tim Roth und Trine Dyrholm verleihen dem Film trotz der durchwachsenen Dialoge immer wieder Wärme und Tiefe. Insgesamt kann das Regiedebüt von Désirée Nosbusch seine Bühnenherkunft allerdings kaum verhehlen, allzu statisch ist „Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Großen und Ganzen in Szene gesetzt.

Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
Das könnte dich auch interessieren