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    The Retaliators
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Retaliators

    Ein Horror-Albtraum voller Metal-Stars

    Von Lutz Granert

    Harte Gitarrenriffs, metallische Klänge und martialische Lyrics eignen sich schlichtweg ideal als düster-bedrohliche Soundkulisse für Horrorfilme. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Mitglieder vieler Metal-Bands zumindest mal ins Horror-Filmbusiness hineinschnuppern. Rob Zombie, dem es dank des frühen Erfolgs seiner dreckig-anarchischen Neu-Interpretation von „Halloween“ gelungen ist, seine Karrieren als Filmemacher und Rockmusiker unter einen Hut zu bringen, bleibt trotzdem die Ausnahme. Die meisten seiner Berufskollegen schaffen es allenfalls nur vor die Kamera – und da bleibt es aufgrund durchwachsener darstellerischer Fähigkeiten meist auch nur bei einem kurzen Gastspiel, etwa von Linkin-Park-Sänger Chester Bennington als Opfer des Jigsaw-Killers in „Saw VII“ oder Slipknot-Frontmann Corey Taylor als Phobien-Spezialist mit Pornoschnurrbart in „Fear Clinic“.

    Der Independent-Horrorthriller „The Retaliators“ versammelt nun allerdings eine ganze Reihe von mehr oder weniger bekannten Rockstars auf der Besetzungsliste. Schon lange vor Kinostart fuhr die Produktionsfirma mit dem bezeichnenden Namen Better Noise Entertainment, zu der auch ein gleichnamiges Musiklabel gehört, eine clevere Werbestrategie: So wurde bereits abgedrehtes Filmmaterial mit den Bandmitgliedern in Musikvideos der entsprechenden US-Metalbands Bad Wolves, Five Finger Death Punch und Papa Roach gestreut. Die Aufmerksamkeit der Fans war damit geweckt – und das handwerklich immerhin solide, gerade im letzten Drittel völlig freidrehende Gemeinschaftsprojekt der Filmemacher Samuel Gonzalez Jr.Michael Lombardi und Bridget Smith kann mit Rob Zombies grellen Gewaltfantasien durchaus mithalten.

    John Bishop (links) nimmt das Angebot von Cop Jes Sawyer an, sich am Gesetzt vorbei am Mörder seiner Tochter rächen zu dürfen.

    Nach dem Tod seiner Frau erlaubt der Pfarrer John Bishop (Michael Lombardi) seiner Tochter Sarah (Katie Kelly) nur widerwillig, am Weihnachtsabend eine Party zu besuchen. An einer Tankstelle hört die Teenagerin verdächtige Geräusche dem Wagen von Gangster Ram Kady (Joseph Gatt), der in seinem Kofferraum gerade das Mitglied einer verfeindeten Gang entführt. Eine Entdeckung, die die Sarah im Anschluss an eine wilde Verfolgungsjagd mit dem Leben bezahlt. Der ermittelnde Polizist Jed Sawyer (Marc Menchaca) kann den flüchtigen Mörder schnell in seine Gewalt bringen. Aber statt ihn vor Gericht zu stellen, erlaubt der Cop dem Vater der Toten, sich an dem Mann zu rächen – doch in dem Keller, in dem ihm der Mörder seiner Tochter zum Drauflosfoltern serviert wird, macht der Priester eine ebenso ungeahnte wie grausame Entdeckung…

    Nach einer atmosphärischen Vorblende um eine nächtliche Panne und verstörenden Begegnungen in einem Waldstück errichtet „The Retaliators“ zunächst einen durchaus soliden und spannenden Thriller-Plot rund um die Rivalität zweier verfeindeter, aber dennoch bei Drogengeschäften kooperierenden Clans auf. Dabei setzen die Autoren Jeff Allen und Darren Geare (kurz: The Geare Brothers) fast schon cartooneske, in monochrone Farbtöne getauchte Gewaltexzesse wie Nadelstiche ein: Ein gehandicapter Drogenkurier verliert ein paar Zähne, als sein Mund zur Betäubung gewaltsam auf den Auspuff eines Muscle Cars gedrückt wird. Das alles ist jedoch nicht mehr als ein kleiner Vorgeschmack auf das letzte Filmdrittel, in der sich die Gewalt in Jeds Keller (und daraus hinaus) Bahn bricht. „The Retaliators“ mutiert mit regelrechten Blutbächen unvermittelt zur zuweilen unpassend bierernst vorgetragenen, aber zumindest konsequent auf handgemachte Effekte setzenden Splatter-Schlachtplatte, bei dem neben Macheten auch ein Unkrauthäcksler zum Einsatz kommt.

    Vor allem Joseph Gatt sorgt dafür, dass es im letzten Drittel extrem brachial-blutig zugeht.

    Klar, inhaltlich ist das alles ein ziemliches Chaos, aber der düster-bedrohlichen Atmosphäre und dem hohen Unterhaltungswert des mit dröhnenden Songs vollgestopften Rockmusik-Marketingvehikels tut das keinen großen Abbruch. Es trägt sogar regelrecht absurde Züge, wenn etwa die Nu-Metal-Combo From Ashes to New mit ihrem Song „Scars That I'm Hiding“ während Johns betont moderner Weihnachtsmesse in der Kirche einen Live-Auftritt hinlegt. Nahezu jede Auto- oder Motorradfahrt wird penetrant mit Stücken der beteiligten Bands unterlegt, während die Balladen eher bei ruhigeren Rückblenden aufs Familienleben zum Einsatz kommen. Nicht-Metal-Fans werden das zuweilen etwas aufdringlich finden – aber die meisten Zuschauer*innen werden ja gerade durch die Metal-Cross-Overs überhaupt erst auf „The Retaliators“ gestoßen sein.

    Die schauspielerischen Leistungen sind wie erwartet durchwachsen. Die Mitglieder von Five Finger Death Punch verkörpern durchaus solide eine martialische Biker-Gang und man hätte gern noch mehr vom herrlich durchgeknallten Papa Roach-Frontmann Jacoby Shaddix als Serienkiller Quinn Brady gesehen (in einer Rückblende auf seine Taten werden Genrefans natürlich sofort eine Anspielung auf den Horrorklassiker „Maniac“ erkennen). Hauptdarsteller Michael Lombardi ist selbst Musiker und agiert in seiner plump gezeichneten Rolle als erst Gewaltverzicht predigender, am Ende aber „Auge um Auge“ (im wörtlichen Sinne!) kämpfender Priester steif und bisweilen hölzern. Mötley-Crüe-Drummer und Skandalnudel Tommy Lee verschwindet als schmieriger DJ eines Tabledance-Schuppen nach drei Dialogzeilen und einem sein Image bekräftigenden Klatscher auf den Po einer Stripperin nach 20 Sekunden Screentime zum Glück gleich wieder aus dem Film.

    Fazit: Die vielen Songs und (Kurz-)Auftritte von Rockmusikern werden vom Plot zwar nur notdürftig zusammengehalten. Gerade dank der blutigen letzten halben Stunde, in der sich der Anarcho-Horror entgrenzt Bahn bricht, rockt „The Retaliators“ aber trotzdem ordentlich ab.

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