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    Girls Girls Girls
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Girls Girls Girls

    So geht Sex-Komödie richtig!

    Von Thorsten Hanisch

    Auf den ersten Blick hat „Girls Girls Girls“ wenig Neues anzubieten: Die finnische Produktion dreht sich um drei junge Frauen auf der Suche nach Liebe und Sex, was erwartungsgemäß mit einigen Stolpersteinen verbunden ist. Also nichts, was man nicht von anderen artverwandten Filmen kennt. Was „Girls Girls Girls“ aber dennoch großartig macht, ist nicht das was, sondern das wie …

    …. denn der Film von Alli Haapasalo („Love & Fury“) besticht durch eine dezidiert weibliche Sichtweise, was bei Stoffen dieser Art immer noch recht selten ist. Dazu kommt ein gerütteltes Maß an Authentizität, ein großes Einfühlungsvermögen und jede Menge finnische Gelassenheit samt eines herrlich schrulligen Humors.

    Ein Protagonistinnen-Trio wie aus dem Leben gegriffen: Mimmi (Aamu Milonoff), Rönkkö (Eleonoora Kauhanen) & Emma (Linneo Leino).

    Die Ausgangssituation erinnert etwas an den Klassiker „Ich glaub' ich steh' im Wald“ von 1982: Mimmi (Aamu Milonoff) und Rönkkö (Eleonoora Kauhanen) gehen nicht nur auf dieselbe Schule, sie sind auch beste Freundinnen, die zusammen an einem Smoothies-Stand in einem Einkaufszentrum arbeiten. Mimmi ist extrovertierter und rebellischer. Sie ist unbeherrschter und hat ein problematisches Verhältnis zu ihrer Mutter, die vor einigen Jahren mit einem neuen Mann und einem weiteren Kind ein neues Leben gestartet hat. Rönköö ist hingegen deutlich introvertierter und kämpft damit, dass sie beim Sex nicht die Gefühle hat, die sie glaubt haben zu müssen. Sie gibt ihren wechselnden Partnern sogar Hilfestellungen, kommt aber selbst einfach nicht zum Orgasmus.

    Als eines Tages die von Ehrgeiz zerfressene Eiskunstläuferin Emma (Linnea Leino) einen Drink bestellt, bröckelt Mimmis pseudopunkige Fassade und sie verliebt sich kurze Zeit später auf einer Party in die so zart wie kühl wirkende Sportlerin, die ihre Gefühl tatsächlich erwidert. Das ist aber nicht ganz unproblematisch, denn Mimmi hat Schwierigkeiten damit, sich auf andere Menschen einzulassen. Währenddessen wirft der attraktive Jarmo ein Auge auf Rönkkö, die aber abweisend reagiert, da bei ihr die Funken nicht so recht fliegen. Dabei könnte genau das doch die Voraussetzung sein, damit der Sex endlich mal so richtig geil wird – oder vielleicht doch nicht?

    Streben nach Wahrhaftigkeit

    „Girls Girls Girls“ setzt auf eine saloppen, nahezu episodischen Erzählweise, die Geschichte spielt bis auf eine Ausnahme am Ende stets an Freitagen. Die Loslösung von dramaturgischen Fesseln schafft Raum für das eigentliche Anliegen von Haapasalo und ihren beiden Drehbuchautorinnen Ilona Ahti und Daniela Hakulinen: Dem Streben nach Wahrhaftigkeit. Der Film hat sich ganz und gar den Erfahrungswelt der drei jungen Frauen verschrieben, die auch in formaler Hinsicht im Fokus stehen. Gedreht wurde im Intimität erzeugenden 4:3-Guckkasten-Format – und die Kamera erkundet tatsächlich mit Vorliebe die faszinierenden Gesichter der Darstellerinnen.

    Ganz selbstverständlich: Mimmi und Emma verlieben sich!

    Auf Exposition oder große Zuspitzungen wird verzichtet. „Girls Girls Girls“ ist ein Film wie aus dem Leben gegriffen, der Interesse an Momenten, Erlebnissen und Interaktionen hat und dank einer hervorragend aufspielenden Besetzung und einer einfallsreichen Regie, die schon mal ein von Neonfarben dominiertes Lasertag-Spiel mit Julies Londons 1955 erschienener Version von „I’m in the Mood for Love“ unterlegt, eine Sogwirkung erzeugt, der man sich kaum entziehen kann. Zumal es absolut beachtlich ist, mit welcher lässigen Eleganz auch queere Themen eingewebt werden:

    Es gibt kein Coming-out, es müssen keine Repressionen erduldet werden, es wird nicht im Geringsten thematisiert. In der hier dargebotenen Welt interessiert es niemanden, dass ein Mädchen ein Mädchen küsst. Die Liebesgeschichte der beiden inklusive der damit verbundenen Sexualität entfaltet sich ganz natürlich, was ebenso ein Verdienst der beiden Darstellerinnen Aamu Milonoff und Linnea Leino ist, deren Chemie untereinander stimmiger nicht sein könnte. Beide werden kongenial von Eleonoora Kauhanen ergänzt, die als leicht naiv anmutende Rönkkö eine leichtere Note ins Spiel bringt und für den finnischen Witz sorgt – ein Highlight ist hier vor allem ein wunderbar-trockenhumorige Handjob-Szene in einem Bad.

    Fazit: Ein Slice of Life mit finnischer Gelassenheit. Es mag sein, dass nichts Neues erzählt wird, aber der Film lässt sich voll und ganz auf seine Protagonistinnen ein, fühlt sich an, wie direkt aus deren Leben gegriffen und entfaltet deswegen eine unglaubliche Sogwirkung, die dem Abspann fast schon eine gewisse Schockwirkung verleiht, denn man würde viel lieber noch weitere Stunden mit Mimmi, Rönköö und Emma verbringen.

     

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