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    American Carnage
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    American Carnage

    Die (allzu) launige Latino-Version von "Get Out"

    Von Lutz Granert

    Aus der Amtszeit des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ist neben seinem Rückzug aus allerlei internationalen Bündnissen vor allem ein politisches Versprechen in Erinnerung geblieben: Eine große Mauer wollte er an der Grenze zu Mexiko errichten, um so die illegale Einwanderung zu stoppen. Zugleich sollten bereits im Land lebende Migrant*innen möglichst rigoros abgeschoben werden. Wie viele andere Hispanoamerikaner*innen schürte Trumps Wahlsieg auch bei den Filmemacher-Brüdern Diego und Julio Hallivis eine gewisse Angst: Die politische Stimmung im Land war stark aufgeheizt – und sie fragten sich, wohin diese migrationsfeindliche, gesellschaftsspaltende Politik noch führen sollte.

    Ihre Gedanken spannen sie weiter zu einem dystopischen Drehbuch: Das Ergebnis ist nun „American Carnage“, ein durchaus abenteuerlicher Genre-Mischmasch aus Teenager-Film, Gesellschafts-Satire und Horror-Thriller. Der Hauptgrund für die meisten, sich den Film anzusehen, ist aber ohnehin nicht unbedingt sein Plot samt großem Twist, sondern sein Cast, der von zwei prominenten Namen angeführt wird – nämlich von Jorge Lendeborg Jr. aus dem „Transformers“-Spin-Off „Bumblebee“ sowie Jenna Ortega, die karrieretechnisch erst nach den Dreharbeiten zu „American Carnage“ dank ihrer Hauptrollen in „Wednesday“ und „Scream 6“ so richtig durchgestartet ist.

    Jenna Ortega spielt in „American Carnage“ nur eine eher kleine Rolle – und obwohl sie den Part der Teenager-Rebellin eigentlich im Schlaf beherrscht, fällt ihr Auftritt hier doch wenig spektakulär aus.

    Der junge Hispano-Amerikaner JP (Jorge Lendeborg Jr.) arbeitet bei der Burgerkette „Lady Liberty“ und lebt gemeinsam mit seiner Schwester Lily (Yumarie Morales) ein eigentlich ganz normales Leben. Doch dann erlässt der republikanische Gouverneur Harper Finn (Brett Cullen) eine Durchführungsverordnung, nach der illegale Immigrant*innen und ihre Kinder augenblicklich in Gewahrsam genommen werden sollen. Um einer Abschiebung zu entgehen, können sich die Inhaftierten allerdings bei einem Programm zur Betreuung von Senior*innen verpflichten.

    Neben JP, der bei der Verhaftung von Lily getrennt wurde, machen auch noch die toughe Bürgerrechtlerin Camila (Jenna Ortega), der psychotische Junkie Chris (Jorge Diaz) und der stets zu Scherzen aufgelegte Big Mac (Allen Maldonado) von der Option Gebrauch und beginnen in der abgeriegelten Einrichtung „Owls Cove“ ihren Dienst. Aber in dem Altersheim ist nichts, wie es scheint – stattdessen lauert zwischen den pflegebedürftigen Alten und dem sadistischen Aufsichtspersonal ein perfides Geheimnis auf die Neuankömmlinge...

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    Natürlich erinnert Senator Harper Finn als Hardliner bei der Migrationspolitik an Donald Trump. Auf dessen Rede zur Amtseinführung, aus der im Vorspann sogar einige Nachrichtenfetzen zu sehen sind, nimmt schließlich bereits der Filmtitel Bezug: Damals schwadronierte der grobschlächtige Milliardär direkt bei seiner ersten Rede als mächtigster Mann des Planeten vom „amerikanischen Gemetzel“ („american carnage“). Die Hallivis-Brüder haben als Antwort darauf „die Latino-Version von ‚Get Out‘“ entwickelt, wie sie ihr Projekt selbst einmal in einem Interview kategorisiert haben. Auch wenn „American Carnage“ nicht die Klasse des oscarprämierten Vorbilds erreicht, so passt der Vergleich doch zumindest inhaltlich: Vor allem ein besonders bösartiger Twist weckt tatsächlich Erinnerungen an den Superhit von Jordan Peele.

    Die arg zynisch geratene und dabei auch einige Logiklöcher reißende Wendung entpuppt sich für den Film jedoch als Fluch und Segen zugleich: Zum einen bringt sie mehr Abgründigkeit in das bis dahin etwas seicht geratene Teenie-Szenario. Schließlich wir die eher lockere Stimmung, wenn Big Mac nur mit Gurkenmaske und offenem Bademantel durch das Altersheim tanz oder beim nächtlichen Ausflügen in den Spa-Bereich romantisch angebädelt wird, bis dahin nur selten von denkwürdigen Grusel-Momenten wie sich grotesk aufbäumenden Körpern alter Menschen durchbrochen. Doch selbst nach dem erschütternden Twist foppen sich die „Pflegeaushilf*innen“ im nun plötzlich lebensbedrohlichen Szenario einfach weiter. Zudem wird das Tempo kaum zusätzlich angezogen, weshalb auch nur phasenweise wirklich Spannung aufkommt. Ein überzeugender Übergang von lässig-leichter Unterhaltung hin zum düsteren Horror-Thriller will den Hallivis-Brüdern jedenfalls nicht so recht gelingen.

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    Jorge Lendeborg Jr. verkörpert seine vielschichtige Identifikationsfigur zwischen selbstbewusster Fassade, innerer Verletzlichkeit (mit Dialogen rund um den würdevollen Umgang mit marginalisierten Menschen) sowie erotischem Interesse an Kollegin Micah souverän. Ihm gegenüber gelingt es Jenna Ortega in ihrer sehr begrenzten Screentime kaum, ihrer typischen Teenager-Querulantin eine wirklich individuelle Note zu verleihen – kein Vergleich zu ihrem Netflix-Megahit „Wednesday“, in dem sie sich eine zumindest entfernt ähnliche Rolle vollkommen zu eigen gemacht und damit die Sozialen Medien im Sturm erobert hat.

    Fazit: Diego und Julio Hallivis ist bei „American Carnage“ die Wut über Trumps Migrationspolitik spürbar anzumerken. Diese offenbart sich hier in einem nicht immer stimmigen Genre-Mix irgendwo zwischen Teenie-Film und Horror-Thriller, wodurch die auch nach der düsteren Wendung oft stimmungsschmälernd-gutgelaunte Rassismus-Parabel ein Stückweit ihr vorhandenes Potenzial verspielt.

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