Until Dawn
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
2,0
lau
Until Dawn

Endlosfahrt in der Geisterbahn

Von Stefan Geisler

Als im August 2015 das Videospiel „Until Dawn“ für die Playstation 4 veröffentlicht wurde, beeindruckte direkt, wie damit die Atmosphäre von Horrorfilmen auch auf der Konsole lebendig wurde. Es fühlte sich tatsächlich wie ein spielbares Leinwand-Abenteuer an. Im Herzen ist „Until Dawn“ zwar kaum mehr als cineastisch inszenierter und mit Quicktime-Events durchsetzter Walking Simulator, aber dennoch verströmt der Konsolen-Schocker eine ganz eigene Magie. Entsprechend der Entscheidung der Gamer*innen verändert sich die Geschichte – und passt sich dem Spielverhalten an. Das führte dazu, dass es zig Handlungs-Variationen gibt, die immer neue, fiese Wege und Möglichkeiten offenbaren und zum mehrmaligen Durchspielen einladen.

Dieses von individuellen Entscheidungen geprägte Spielerlebnis auf die Leinwand zu übertragen, ist leider unmöglich. Zwar gibt es bereits interaktive Filme, die aber lediglich auf das Heimkino-Erlebnis beschränkt sind, wo die Zuschauer*innen mit der Fernbedienung den Fortlauf der Geschichte bestimmen können. Logischerweise entschieden sich „Shazam!“-Regisseur David F. Sandberg und sein Horror-erprobtes Autoren-Duo Blair Butler („The Invitation“) und Gary Dauberman („Annabelle 2“) für einen gänzlich anderen Ansatz – und lassen die Figuren in einen Zeitschleifen-Horror stolpern. Dies führt nicht nur dazu, dass „Until Dawn“ Videospiel-Fans enttäuscht sein dürften, weil es extrem wenig mit der Vorlage gemein hat. Viel schlimmer: Das fiese Timeloop-Setting bleibt so deutlich hinter seinen kreativen Möglichkeiten, sodass auch Horror-Kino-Fans kaum Spaß haben werden.

Am Ende jeder Nacht wird die Zeit zurückgesetzt 2025 CTMG
Am Ende jeder Nacht wird die Zeit zurückgesetzt

Ein Jahr nach dem mysteriösen Verschwinden von Melanie (Maia Mitchell) kehren ihre Schwester Clover (Ella Rubin) und eine Gruppe von Freund*innen in das abgelegene Tal zurück, in dem die Vermisste zuletzt gesehen wurde. Die Spur führt sie zu einem verlassenen Besucherzentrum – in dem die Zeit stillzustehen scheint. Doch was als Erkundung beginnt, verwandelt sich schnell in einen Albtraum: Ein maskierter Killer taucht auf und knöpft sich einen nach dem anderen vor.

Statt jedoch endgültig zu sterben, werden Clover und ihre Freundesgruppe wieder an den Ausgangspunkt des Abends zurückgesetzt. Und dieses Spiel beginnt immer wieder von vorne. Jeder Neustart bringt neue Schrecken. Immer neue Monster und Albträume suchen die Truppe heim. Und nach und nach dämmert es den Jugendlichen, dass ihre Wiederauferstehungen begrenzt sein könnten. Wann erwartet sie der finale Tod? Ihre einzige Chance besteht darin, den Horror bis zum Morgengrauen zu überleben und den Albtraum so zu durchbrechen.

Figuren? Handlung? Die Vorlage hat andere Stärken!

Wer die „Until Dawn“-Spiele kennt, der erwartet von der Verfilmung sicher keine gut geschriebenen Charaktere oder clevere Handlung. Schon die Vorlagen sind ein reines Abklappern bekannter Genre-Motive. Freundesgruppe trifft auf übernatürlichen Schrecken, der nach und nach deren Anzahl möglichst blutig dezimiert. Nein, der Griff zum Konsolen-Original erfolgte aufgrund der faszinierenden Mechanik, welche die Spieler*innen ein Abenteuer mit individueller Note erleben ließ. Die schlimmsten und einprägsamsten Momente waren hier eben jene, in denen eine der Spielerfiguren und damit möglicherweise ein ganzer Handlungsbogen unwiederbringlich verloren wurde.

Auch die Leinwand-Adaption überzeugt nicht durch die Charaktere. Die in einer seltsamen Anomalie gefangenen Mittzwanziger sind im besten Fall austauschbar und im schlimmsten Fall nervig. Das ist nicht weiter dramatisch, denn der eigentliche Star des Films sollte natürlich die Zeitschleifen-Erzählung sein. Doch genau das Gimmick, was wir vor allem aus dem Comedy-Klassiker „...und täglich grüßt das Murmeltier“ kennen, welches aber mit „Happy Death Day“ oder „Triangle“ schon erfolgreich ins Horror-Genre überführt wurde, bleibt enttäuschend wirkungslos. Dabei verspricht die Aussicht, dass die jugendliche Bande bei jedem Durchlaufen einem neuen Schrecken gegenübertreten muss, auf dem Papier eigentlich abwechslungsreiche und somit launige Unterhaltung.

Kann Clover ihre Schwester finden? 2025 CTMG
Kann Clover ihre Schwester finden?

Im Fall von David F. Sandbergs „Until Dawn“ will das Timeloop-Konzept jedoch nicht richtig zünden. Durch das permanente Zurücksetzen eigentlich dramatischer Ereignisse verliert der Verlust eines Lebens hier zunehmend an Gewicht. Die Protagonist*innen können schließlich immer und immer wieder ohne größere Konsequenzen über die Klinge springen. Der verzweifelte Kampf ums Überleben – eigentlich der Hauptantrieb des Horror-Genres – wird ad absurdum geführt, wenn sogar Figuren anfangen, sich aus freien Stücken gegenseitig umzubringen, um endlich die perfekte Nacht zu schaffen. Wie alle zusammen versuchen, den gemeinsamen Sonnenaufgang mitzuerleben, weckt – ob beabsichtigt oder nicht – Erinnerungen an sogenannte perfekte Speedrun-Versuche beim Zocken. Denn auch hier wird nach einem missglückten Start oder kleinem Fehler oft freiwillig der Reset-Knopf betätigt oder der Game Over herbeigeführt, um einen frischen Run zu starten.

Dazu wird viel zu wenig Zeit auf die Entfaltung der Albtraumszenarien verwendet. Regisseur David F. Sandberg lässt den einzelnen Bedrohungen nur wenig Platz. Ehe sich das Publikum richtig auf einen neuen Horror eingestellt hat, ist der jeweilige Spuk auch schon wieder vorbei. Auch die Kills – eigentlich das diabolische Herzstück solcher Filme – wirken gehetzt. Statt dem blutigen Spaß zu frönen, wird ordentlich auf die Tube gedrückt. Der nächste Leinwandtod ist schließlich nur ein paar Szenen entfernt und wartet auch darauf, gezeigt zu werden. Wie man ein solches Gruselgestalten-Potpourri wirklich clever inszeniert, hat 2012 „The Cabin in the Woods“ gezeigt. Dort wird im Grunde eine ähnliche Prämisse verfolgt – aber das halt viel, viel besser. In „Until Dawn“ zünden dagegen viel zu wenige der einzelnen Horror-Attraktionen.

Zu wenig Ideen und wenn es doch eine gute gibt, wird sie viel zu kurz gezeigt!

Die hereinbrechenden Schrecken in „Until Dawn“ sind zudem erstaunlich ideenarm. Natürlich darf der Killer mit Maske nicht fehlen, denn der hat immerhin seine Vorlage im Spiel. Doch daneben werden irgendwelche Hexen, Geister und undefinierbar-entstellte Kreaturen aufgefahren, die nicht nur einem wahllosen Griff in die Horror-Rumpelkiste zu entstammen sein, sondern auch in ihrer Gestaltung bedauerlich generisch geraten. Einen Vorteil hat dieser wahllose Monster-Mix jedoch: Alle sollten zumindest einen Abschnitt finden, der ihren eigenen Vorlieben entspricht. Damit ist zumindest keine durchgängige Langeweile angesagt.

Dafür sorgen auch einige durchaus spannende Ideen. Auf einem Handy findet die Gruppe so zum Beispiel Videos der vergangenen Abende. Hier versprechen Gehirnmaden herrliche Ekel-Einlagen, unheilvolle Gespenster mit leeren Augen verbreiten derweil blanken Terror und eine düstere Fliegersirene kündigt dystopische Schrecken an. Diese Momente sind effektiv – und trotzdem direkt eine Enttäuschung. Dass gerade die besten Einfälle nur in kurzen Clips gezeigt werden, ist unverständlich. Schließlich sind die Bedrohungen innerhalb dieser kurzen Einspieler spannender als alles, was es sonst in „Until Dawn“ zu sehen gibt – kein Wunder, dass viele dieser Szenen in den Trailern gelandet sind.

Den zwielichtigen Dr. Hill (Peter Stormare) dürften viele Fans aus den Spielen kennen 2025 CTMG
Den zwielichtigen Dr. Hill (Peter Stormare) dürften viele Fans aus den Spielen kennen

Richtig Spaß macht „Until Dawn“ nur dann, wenn Regisseur David F. Sandberg wirklich frei dreht und seine Liebe zu praktischen Effekten auslebt. Insbesondere eine Sequenz, in der der Genuss von verseuchtem Leitungswasser schwerwiegende Konsequenzen hat, wird zum explosiven Highlight des Films, das sich in seiner hemmungslosen Absurdität fast wie ein Exzess aus einem besseren Film anfühlt. Doch leider bleiben solch drastisch wie kreative Einfälle bis zum Schluss eher die Ausnahme.

Fazit: Was als Spiel funktioniert, kann auf der Leinwand nicht überzeugen. Das für die „Until Dawn“-Adaption gewählte Zeitschleifen-Gimmick erweist sich als größte Schwachstelle des Films, denn das Horror-Potential dieses Kniffs wird nicht ausgeschöpft – und steht stellenweise sogar dem Aufbau von Spannung im Weg. So fühlt sich die Videospiel-Adaption wie eine Endlosfahrt in der Geisterbahn an, bei der einfach zu wenige Attraktionen wirklich schocken. Dennoch dürfte trotzdem jeder im Publikum sicherlich zumindest eine Episode finden, die den inneren Horror-Durst zu stillen vermag.

Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
Das könnte dich auch interessieren