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    Pain & Gain
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Pain & Gain
    Von Christoph Petersen

    Nach drei „Transformers“-Megaproduktionen in Folge stand Michael Bay der Sinn nach Abwechslung – also hat er vor dem für 2014 angekündigten vierten Teil der Bombast-Spielzeugfiguren-Action kurzerhand noch einen „kleineren, intimeren Film“ eingeschoben. Herausgekommen ist dabei mit „Pain & Gain“ eine dunkelschwarze Satire, die mit ihrer geleckten Blockbuster-Optik und All-Star-Besetzung (Mark Wahlberg, Dwayne Johnson, Ed Harris) für jeden anderen Regisseur als Großprojekt durchgehen würde, für Bay aber wohl tatsächlich nicht mehr als eine Fingerübung darstellt. Die absolut unglaubliche, aber größtenteils wahre Geschichte von drei Bodybuildern, denen ein Kidnapping vollkommen aus dem Ruder läuft, bietet etliche Steilvorlagen, um die Mär vom amerikanischen Traum mal mit so richtig Schmackes geradezurücken. Doch obwohl Bay mit „Pain & Gain“ fleißig den Indie-Heroen Quentin Tarantino („Pulp Fiction“) sowie Joel und Ethan Coen („Fargo“) nacheifert, inszeniert er seine bitterböse Komödie trotzdem im zeitlupenlastigen Stil eines seiner Sommerblockbuster (inklusive des für ihn typischen Stammtischhumors). So richtig gut passen der Satire-Stoff und die Holzhammer-Regie allerdings nicht zusammen.

    Miami, in den 1990ern: Der Privattrainer Daniel Lugo (Mark Wahlberg) lernt in einem Motivationsseminar des Selbsthilfegurus Johnny Wu (Ken Jeong), dass es zwei Arten von Menschen gibt: Doers und Donters! Also beschließt er, nicht länger ein zaudernder Donter zu sein und stattdessen ein zupackender Doer zu werden: Gemeinsam mit seinen Bodybuilder-Kumpels Paul Doyle (Dwayne Johnson) und Adrian Doorbal (Anthony Mackie) entführt er kurzerhand den wohlhabenden Victor Kershaw (Tony Shalhoub), um dessen Millionen aus ihm herauszufoltern. Tatsächlich überschreibt Kershaw nach mehrtägiger Tortur sein gesamtes Vermögen auf die drei Kidnapper, doch ihr anschließender Versuch, den Gefangenen per fingiertem Autounfall ins Jenseits zu befördern, geht gehörig in die Hose: Kershaw bleibt am Leben und sinnt auf Rache! Weil ihm bei der Polizei niemand seine unglaubliche Geschichte abkauft, wendet er sich in seiner Not an den Ex-Cop Ed DuBois (Ed Harris). Der Privatschnüffler soll die drei Muskelprotze, die ihren neugewonnenen Reichtum in vollen Zügen genießen, doch noch dingfest machen…

    Die realen Vorbilder für das Bodybuilder-Trio in „Pain & Gain“ (von denen zwei noch heute in der Todeszelle schmoren) sind so menschenverachtend egoistisch und bescheuert, dass man es kaum glauben mag (hier könnt ihr euch den sehr langen Zeitungsartikel durchlesen, auf dem der Film basiert). Aber kleiner Film hin oder her, Michael Bay will seine Mainstream-Fans natürlich nicht vollends verschrecken: Also präsentiert er Lugo und seine Gang als hysterische Spinner und stellenweise nahezu liebenswerte Loser, während er die Folterorgie an Kershaw eher bizarr-komisch als brutal-nihilistisch in Szene setzt. Das soll aber keinesfalls heißen, dass Bays Vision nicht düster geraten wäre - ganz im Gegenteil: Spätestens wenn mit dem Hackebeil abgeschlagene Hände zum Fingerabdrückewegschmoren auf dem Grill des zugekoksten Doyle landen, verwandelt sich der amerikanische Traum im Vorgarten einer Vorstadtvilla mit stilechtem weißem Zaun endgültig in einen Albtraum ohne befreiendes Erwachen. Das ist dann derart absurd-böse, dass sich der Zuschauer immer wieder selbst das Mantra vorbeten muss: Ja, das ist tatsächlich so (oder ganz ähnlich) geschehen! Im Film gibt es spät dann auch noch einmal eine Texteinblendung zur Beglaubigung, denn die vom Beginn reicht einfach nicht aus, um während der bizarr-blutigen Twists nicht vom Glauben an den Wahrheitsgehalt des Gezeigten abzufallen.

    Leider sind so grandiose Metaphern für die Pervertierung des amerikanischen Traums wie die erwähnte etwas andere Grillparty insgesamt rar gesät. Statt sich ganz auf die abgründigen Absurditäten des realen Falls zu verlassen, schweift Bay immer wieder in zotige Humorgefilde ab, wo er sich deutlich wohler zu fühlen scheint. Das haben seine Blockbuster schon oft gezeigt und so gilt für Frauen, Schwule und Fette auch hier: Rettet euch, solange ihr noch könnt! In herabwürdigender Zeitlupe fährt die Kamera an zwei übergewichtigen Frauen auf einer Tretmühle vorbei, während Mark Wahlberg als Lugo gerade noch seinen Brechreiz unterdrücken kann. Und Dwayne Johnsons Doyle bekommt zwischendurch einen homosexuellen Priester als Beistand hinzugedichtet, der als Belohnung für seine Hilfe bei der Reintegration des Ex-Knackis etwas ausführlicher dessen Muskelberge betatschen möchte. Das gehört bei Bay bestraft und so wird der Geistliche kurzerhand brutal zusammengeschlagen.

    Der Regisseur hat ganz offensichtlich viel mehr Spaß daran, sich über die anabolikabedingt geschrumpften Klöten des schwarzen Doorbal lustig zu machen, als seine geliebte amerikanische Flagge oder das, wofür sie seiner Meinung nach steht, durch den Kakao zu ziehen. Ja, das Stars-and-Stripes-Banner weht auch in „Pain & Gain“ wieder ständig im Wind – und obwohl der Film zweifellos eine Satire auf den amerikanischen Traum sein soll, kann sich das Publikum nie wirklich sicher sein, ob Bay seine patriotischen Bilder nicht doch ernst meint. Die Inszenierung ist jedenfalls oft so beliebig geraten, dass etwaige ironische Untertöne oft nur mit viel Fantasie zu entdecken sind. Hinzu kommt noch eine weitere Schwäche, an der praktisch jeder Bay-Film krankt: Mit 129 Minuten ist der zwischendurch arg ausfransende „Pain & Gain“ locker eine halbe Stunde zu lang geraten.

    Während Bay mit dem Stoff nicht wirklich zurechtkommt, sorgen seine Schauspieler für die Glanzpunkte des Films, allen voran Dwayne Johnson, der hier womöglich die stärkste, auf jeden Fall aber die vielseitigste Performance seiner Karriere abliefert. Vom bekehrten Ex-Knacki und wiedergeborenen Christen bis hin zum hemmungslosen Kokser und psychotischen Grillmeister offenbart er eine Bandbreite, die dem Action-Helden („G.I. Joe 2“, „Fast & Furious 6“) und Bizeps-Clown („Daddy ohne Plan“, „Zahnfee auf Bewährung“) wohl nur die wenigsten zugetraut hätten. Kaum weniger überzeugend präsentiert sich Mark Wahlberg, bei dem sich nach „Die etwas anderen Cops“ und „Ted“ immer deutlicher herauskristallisiert, dass ihm trocken-schwarzer Humor besonders gut liegt. Wenn ihm die Drehbuchautoren ein wenig davon für „Transformers 4“ zugestehen, könnte Bay mit Wahlberg als Ersatz für Shia LaBeouf genau die richtige Wahl getroffen haben.   

    Fazit: Dass Michael Bays „kleiner, intimer Film“ weder sonderlich klein noch sonderlich intim geraten ist, stört uns nicht die Bohne. Aber dummerweise ist „Pain & Gain“ auch nicht besonders gut, sondern reines Mittelmaß.

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