Mein Konto
    State Of Mind
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    State Of Mind
    Von Carsten Baumgardt

    Das berühmte Sundance Film Festival, das einst von Hollywood-Star Robert Redford initiiert wurde, bringt in schöner Regelmäßigkeit Perlen des amerikanischen Independent-Kinos ans Licht der Öffentlichkeit. Dieses Lob trifft zwar nicht in vollem Maße auf Matthew Ryan Hoges unprätenziöses Drama „The United States Of Leland“ (deutsch: „State Of Mind“) zu, aber immerhin schaffte es der Low-Budget-Film zu einer internationalen Kinoauswertung, die sich der Werk durchaus verdient hat.

    Der 16-jährige Leland Fitzgerald (Ryan Gosling) hat eine unvorstellbare Tat begangen: Er hat den geistig behinderten Sohn von Harry und Karen Pollard (Martin Donovan, Ann Magnuson) scheinbar kaltblütig erstochen. Nach dem Tatmotiv befragt, antwortet er einfach: „Wegen der ganzen Traurigkeit.“ Neben dem Mörder steht Gefängnislehrer Pearl Madion (Don Cheadle) im Zentrum der Geschichte. Er bemüht sich nicht nur aus reinen Motiven darum, die Mauer, die Leland umgibt, zu durchdringen – der Möchtegern-Autor wittert in den Geständnissen des Teenage-Killers einen möglichen Bestseller. Die zerrüttete Ehe von Lelands Eltern (Kevin Spacey, Lena Olin) ist seine erste Station bei der Spurensuche nach den wahren Hintergründen des sinnlosen Mords.

    Nach der Uraufführung im Januar 2003 beim Sundance Festival lief „The United States Of Leland“ unter anderem im September 2003 beim Filmfest Hamburg. Superstar Kevin Spacey („K-Pax“, „American Beauty“, „Das Leben des David Gale“) war so angetan von dem Stoff, dass er sich dazu entschlossen hatte, den Film zu produzieren und eine kleine, aber feine Nebenrolle zu übernehmen. Kino-Debütant Matthew Ryan Hoge wollte mit seinem schnörkellosen Drama vor allem eines erreichen: Die schreckliche Bluttat, die der intelligente Leland begeht, sollte nicht nur aus einer Perspektive gezeigt werden. Allerdings stellt er vornehmlich den Mörder ins Zentrum des Films und versucht zu ergründen, was ihn dazu getrieben hat. In Newcomer Ryan Gosling („Mord nach Plan“) findet er einen exzellenten Hauptdarsteller, der das Seelenleben des Killers Leland offenbart. Sensibel porträtiert Gosling seinen Filmcharakter, schafft es, teils Verständnis zu wecken und das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Eine abschließende Erklärung für das Leid, das er dem getöteten Kind zufügt, spart Hoge allerdings aus. „I know what they want from me. They want a why, they want a reason“, sagt Leland/Gosling an einer Stelle. Er hatte Mitleid mit dem geistig Behinderten und wollte ihn quasi erlösen.

    Die Tatsache, dass „The United States Of Leland“ nahezu ausschließlich aus der Perspektive des Täters erzählt wird, hat allerdings auch einen Nachteil. Die moralischen Werte werden durch Hoges Inszenierung unbewusst verrückt. Die Opferfamilie kommt weniger sympathisch über die Leinwand als der eigentliche Kriminelle. Es ist beinahe unvorstellbar, dass Leland die Tat überhaupt begangen hat – er wirkt völlig harmlos. Das Leid, das die Familie Pollard durch den Verlust ihres Sohnes ertragen muss, wird zwar transportiert, doch den emotionalen Zugang bekommt das Publikum lediglich zu Leland. Das führt zu einer verdrehten Täter-Opfer-Darstellung. Es ist zweifelhaft, ob Regisseur Hoge dies in der Konsequenz beabsichtigt hatte. Vielmehr wollte er beide Seiten zeigen, was nicht immer ausgewogen gelang. Neben der Titelfigur hinterlässt Don Cheadle („Traffic“, „Boogie Nights“) einen guten Eindruck. Er setzt sich mit Leland auseinander, sucht Antworten auf seine Tat, aber nicht nur aus Nächstenliebe. Er will sich als Buchautor versuchen und setzt alles daran, aus Lelands Geschichte Kapital zu schlagen. Nebendarsteller Kevin Spacey, dessen Part nicht sonderlich groß ist, zeigt bei seinen Szenen die gewohnt brillante Präsenz. Er gibt Lelands Vater als arrogant, aalglatt und gefühlskalt.

    Die Bilder, die Hoge präsentiert, sind klar und unprätenzios. Seine melancholische Geschichte über die jungendliche Vereinsamung und Orientierungslosigkeit in einer südkalifornischen Kleinstadt verstört, rüttelt wach, aber sie reißt nicht mit. Das ist ein Grund dafür, dass „The United States Of Leland“ zwar ein beachtens- und sehenswerter, aber eben kein überragender, auf allen Ebenen zwingender Film geworden ist. Für eine Auswertung im Kino hat sich Matthew Ryan Hoges Werk jedoch allemal qualifiziert. Im Arthouse-Bereich wird das Independent-Drama sicherlich seinen Platz finden.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top