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    Blut, Blei, Bullen & Benzin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Blut, Blei, Bullen & Benzin
    Von Martin Soyka

    Wohin führt die Karriere von Narc- und Smokin‘ Aces-Regisseur Joe Carnahan? Darauf wird das von Fans mit Argwohn beäugte und Spannung ersehnte „A-Team“-Kino-Abenteuer Zeugnis ablegen. Von derart aufwändigen Räuberpistolen war Carnahan im Jahr 1998 noch weit entfernt. Bis dahin waren erst zwei seiner Skripts verfilmt worden, gleichwohl versuchte er „Blut, Blei, Bullen und Benzin“ als Regisseur seines eigenen Drehbuchs mit ihm selbst als Hauptdarsteller umzusetzen. Dabei lehnt Carnahan sich in seinem Low-Budget-Independent-Streifen offenkundig an Genre-Größen wie Tarantino und Co. an, ohne jedoch auch nur im Ansatz deren Klasse zu erreichen.

    Sid (Joe Carnahan) und Bob (Dan Leis) sind am Ende! Die beiden haben sich in einem amerikanischen Kaff als erfolglose Autohändler selbstständig gemacht. Nicht nur, dass sie bloß Rostlauben zum Verkauf anbieten können. Auch ihr Ex-Boss und Neu-Konkurrent Woo (Dan Harlan) nimmt ihnen Kunden weg. Dann flattert gar ein Räumungsbefehl herein. Mehr als 50.000 Dollar Schulden haben sie angehäuft. Da erreicht sie ein dubioses Angebot: Sie sollen ein paar Tage lang über ein altes Pontiac Cabrio wachen. Der Mühe Lohn: 250.000 Dollar. Die beiden riechen Lunte, aber die einzige Alternative - ein warmer Abriss der Bürobaracke und ein zünftiger Versicherungsbetrug – sind keineswegs lukrativer. Also lassen sich die Loser auf den schrägen Deal ein. Dass die Karre und ihre Ladung bis zu diesem Zeitpunkt bereits Dutzende Leben gefordert haben, wissen die beiden nicht. Und obwohl sie gewarnt wurden und ihnen bald die ersten Kugeln um die Ohren fliegen, siegt Neugier über Vernunft. Sie beschließen, den Wagen an sich zu bringen…

    „Blut, Blei, Bullen und Benzin“ hat mit seinen 7.000 Dollar praktisch nichts gekostet. Das zeigt sich nicht nur an der bescheidenen, zuweilen extrem unscharfen Optik, sondern auch an dem sparsamen Einsatz von Kulissen: Ein Großteil des Films spielt auf dem Firmengelände eines Autohandels. Wagen sind jedoch kaum zu sehen, es wurde clever um sie herumgefilmt. Das gleiche Prinzip kann man bei allen Schauplätzen wiedererkennen. Offenbar wurde der Film „on location“ gedreht und immer nur das Nötigste gezeigt. Der Rest obliegt der Fantasie des Zuschauers.

    Mit minimalem Budget auszukommen, ist oft nicht einfach. Dass diese Spielart auch Perlen hervorbringen kann, hat etwa Roger Corman unter Beweis gestellt, ebenso wie Robert Rodriguez (Sin City) mit El Mariachi. Letzterem eifert Regisseur/Autor/Darsteller Carnahan mit stilisierter Gewalt, schnellen Schnitten und galligem Humor unverhohlen nach. Doch auch an Quentin Tarantino lehnt sich Carnahan an, wenn er Endlos-Dialoge inszeniert, in denen die Protagonisten sich anpöbeln und aneinander abarbeiten. Carnahan geht so weit, einen minutenlangen und völlig ziellosen Streit über hypothetische Homo-Eskapaden Johnny Cashs vom Zaun zu brechen. Dies erinnert überdeutlich an den „Like A Virgin“-Dialog in Tarantinos Reservoir Dogs. Auch die aus Pulp Fiction und Co. sattsam bekannten Zwischentitel werden inflationär eingesetzt.

    Das erzählerische Basisprinzip interessanter oder gar sympathischer Figuren wirft Carnahan allerdings achtlos über Bord. Sid ist ein schmieriger, cholerischer und übergewichtiger Betrüger, der keine Hemmungen hat, einen Schrotthaufen an einen Jugendlichen mit Down-Syndrom zu verscherbeln. Bob ist ein weinerlicher Hysteriker, der bei den geringsten Schwierigkeiten zusammenbricht. Hinzu kommt, dass sich die beiden schlicht saublöd anstellen und von mehreren Möglichkeiten immer die voraussehbar dümmste wählen. Dass ein Großteil des Films dafür draufgeht, Leute beim sinnlosen Streiten und Fluchen zu zeigen, macht die Sache nicht besser.

    Warum aber kloppen sich eigentlich alle um diesen Wagen? Wenn das Rätsel um den Inhalt des Kofferraums aufgelöst ist, bleibt es doch letztlich unbeantwortet. Denn der Inhalt ist nicht wirklich von Interesse. Warum werden dem ersten Händler nur ein paar Dollar für die Wagenwacht angeboten, den Protagonisten dagegen eine Viertelmillion? Warum müssen die Verfolger des Wagens nicht einfach nur erschossen oder überfahren, sondern von Profihand zerstückelt und entsorgt werden – um sogleich vom FBI gefunden zu werden? Wozu werden parallel immer wieder fieberhafte FBI-Ermittlungen gezeigt, wenn sie für die Geschichte völlig unbedeutend sind? Außerdem wirkt das Ende merkwürdig unfertig, ganz als ob Autor Carnahan einfach nichts mehr eingefallen sei.

    Unterm Strich ist der Film als Fingerübung zu werten, die aber im Kino oder auch nur auf DVD nicht viel verloren hat. Die Geschichte kommt kaum in Schwung und ist über weite Passagen langweilig und logikbefreit. Die Figuren sind abstoßend. Und nicht einmal Gorehounds kommen auf ihre Kosten, denn die Gewalt wird fast nie explizit gezeigt, sondern bloß darüber geredet. Einzig die darstellerischen Leistungen sind ansprechend. Beim Gesamteindruck von „Blut, Blei, Bullen und Benzin“ ist jedoch ohne weiteres nachvollziehbar, dass von den Darstellern – abgesehen von Carnahan – in der Folge nichts mehr zu hören war.

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