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    Syriana
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Syriana
    Von Deike Stagge

    Aufgrund der momentan angespannten politischen Weltlage wird der Thriller „Syriana“ mit besonderem Interessen betrachtet. Denn Regisseur Stephen Gaghan und George Clooney packen ein besonders heißes Eisen an: die US Außenpolitik, krumme Ölgeschäfte und den Nahen Osten.

    CIA-Agent Bob (George Clooney) verliert bei einem Waffendeal in Ägypten eine Rakete, die er sicher in die USA zurückbringen sollte. Bei der Zentrale ist er damit in Ungnade gefallen, auch wenn ihm das niemand so richtig bestätigen will. Darüber hinaus quälen ihn familiäre Probleme mit seinem Sohn. Schließlich ist er froh, einen spannenden Auftrag in Beirut ausführen zu können: Er soll Prinz Nasir (Alexander Siddig) eliminieren, der mit seinem Bruder um die Nachfolge eines mächtigen Öl-Emirs in Beirut rivalisiert. Die Vereinigten Staaten sähen lieber den anderen Sohn des Emirs an der Macht, da Nasir ein Hardliner sein soll, der gerade den Chinesen eine Pipeline gab und offen gegen die USA wettert.

    Während sich Bob auf den Weg macht, wird die Fusion zweier Ölkonzerne in den USA eingeleitet: Der Ölkonzern Killen hat in Kasachstan gerade eine wichtige Pipeline gewonnen und soll nun von den Amerikanern geschluckt werden. Anwalt Bennett Holiday (Jeffrey Wright) soll die Fusion überprüfen und stößt auf Ungereimtheiten, Bestechung und Betrug, in den die Ölgiganten Whiting (Christopher Plummer) und Jimmy Pope (Chris Cooper) von Killen verstrickt sein könnten. Während Holiday seine Untersuchung macht, wird Finanzexperte Bryan Woodman (Matt Damon) Prinz Nasirs Berater und stellt fest, dass der Prinz große liberale Reformen für sein Land plant, die seinem profitgierigen Bruder egal sind. Während sich die Situation um die Fusion und Bobs Auftrag immer weiter zuspitzt, wird ein junger Pakistaner (Mazhar Muzir) in die Kreise muslimischer Terroristen hineingezogen.

    Das klingt kompliziert! Man muss Stephen Gaghan, der mit seinem Drehbuch für Traffic einen Oscar gewann, wirklich danken, dass er einen weiteren Handlungsstrang aus dem Film wieder herausnahm. Eigentlich sollte Michelle Monaghan als Miss America noch an der Miss-Universum-Wahl teilnehmen. Aber auch so muss man der Handlung schon sehr konzentriert folgen, um jede Wendung zu verstehen. Das ist das einzige Problem, mit dem der Zuschauer kämpft: Es dauert eine Weile, bis man die Charaktere eingeordnet hat, ihre Positionen (vor allem die der Öl-Multis und CIA-Berater) versteht und sich im Sprachengewirr zwischen Farsi, Arabisch und Pakistanisch zurechtfindet. Sobald dieser Schritt gemacht ist, kann man sich aber ordentlich in die politischen Verwirrungen stürzen. Das Drehbuch basiert auf den Erinnerungen eines ehemaligen Geheimagenten und wurde von Stephen Gaghan filmisch überarbeitet. Deshalb erinnert „Syriana“ in seiner narrativen Struktur auch sehr stark an seinen großen Erfolgsfilm Traffic. Die einzelnen Handlungsstränge werden geschickt miteinander verwoben, bis der Zuschauer am Ende endlich den Durchblick gewinnt. Das Spannende an einem solchen Thriller ist, das natürlich nicht jeder der ist, für den er sich ausgibt. Bei dem Wirbel, der bereits um die politische Brisanz dieses Streifens gemacht wurde, ist es allerdings nicht so schwer, die echten bad guys von vornherein auszumachen. Trotzdem ist die Handlung spannend aufbereitet und fesselnd erzählt.

    Es ist schon erstaunlich, dass dieser Film überhaupt groß herausgebracht werden kann. In der momentan ungemein patriotisch aufgeladenen Stimmung in den USA kommt ein Film, der die amerikanische Außenpolitik im Nahen Osten auf die Anklagebank setzt und die mit geheimdienstlichen Mitteln durchgesetzten Öl-Interessen des Landes in den Mittelpunkt stellt, nicht gerade wie gerufen. Regisseur Gaghan sagte dazu auf der Berlinale, wo der Film offiziell vorgestellt wurde: „Man geht also zu einem Studioboss und stellt sein Projekt vor: Dreh in vier Ländern, fünf verschiedenen Sprachen, ungefähr 100 Sprechrollen und eine sehr kritische Analyse der amerikanischen Politik und dem Missbrauch von Geheimdiensten. Natürlich wollte jeder den Film herausbringen.“ Warner Bros. entschied sich aber doch dafür, den Film zu veröffentlichen und setzte sogar selbst ein kleines Zeichen: Die Einblendung des Verleiherlogos am Anfang des Films ist mit arabischer Gebetsmusik unterlegt, auch Warner als weltweit größter Medienkonzern will sich international einsetzen.

    Ein sehenswertes Plus ist bei „Syriana“ die großartige Darstellerriege. Für seine Rolle als alternder Agent fraß sich Clooney (Good Night, And Good Luck, Out Of Sight) in nur 30 Tagen 35 Pfund an. Außerdem schreckte er auch vor körperlichem Einsatz und harten Folterszenen nicht zurück. Matt Damon (Die Bourne Identitaet, Die Bourne Verschwoerung) macht als engagierter Finanzberater und Familienvater ebenfalls eine gute Figur. Vor allem aber Alexander Siddig, der zuletzt in Koenigreich der Himmel aufgefallen war, kann seine Rolle als umstrittener Prinz hervorragend in Szene setzen und überzeugt durch sein differenziertes Spiel sowie seine intensive Kamerapräsenz. Bis zur kleinsten Nebenrolle haben sich große Darsteller für dieses engagierte Filmprojekt zur Verfügung gestellt und verleihen „Syriana“ dadurch eine besondere Energie. Das Thema scheint viele Hollywood-Verteter doch sehr zu interessieren.

    Dieser Film nimmt kein Blatt vor den Mund. Die Botschaft ist klar. „Syriana“ gibt keine Antworten auf drängende politische Probleme, aber der Film stellt der Weltmacht USA einige unbequeme Fragen. Der auch in den Entstehungsprozess eingebundene Clooney sah dies auf der Berlinale „als meine Bürgerpflicht. Ich bin durch meine Eltern schon früh in den Kontakt mit politischen Themen gekommen. Mein Vater war Journalist, am Tisch wurde viel Politik diskutiert. Ich finde, als Bürger muss ich hier einfach Fragen stellen.“ Das Publikum wird dies zumindest diesseits des Atlantiks sicher honorieren. Von „Syriana“ darf man nicht nur packende Popcorn-Unterhaltung erwarten, sondern vor allem auch politische Fragen, die durch die aktuelle Relevanz besondere Bedeutung auch in der Entertainmentbranche erhalten.

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