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    Holy Lola
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Holy Lola
    Von Lars Lachmann

    Die Adoption von Kindern aus Drittweltländern durch kinderlose Ehepaare aus reichen Industrienationen ist nach wie vor ein viel diskutiertes und kontroverses Thema, welches auch in Bertrand Taverniers Drama „Holy Lola“ anklingt. Nach dessen eigener Aussage ging es Tavernier bei diesem Projekt jedoch nicht darum, „einen Thesen-Film zum Thema Adoption zu machen“, sondern in erster Linie die Geschichte eines Paares zu erzählen, welches nach Kambodscha reist, um dort ein Adoptivkind zu finden.

    Der französische Landarzt Pierre (Jacques Gamblin) und seine Frau Géraldine (Isabelle Carré) führen ein glückliches Eheleben. Doch ein Umstand macht den beiden schwer zu schaffen: Das bereits fertig eingerichtete Kinderzimmer im eigenen Haus steht immer noch leer. Da es den beiden nicht möglich ist, eigene Kinder zu haben, entschließen sie sich, nach Kambodscha zu reisen und sich dort auf die Suche nach einem Adoptivkind zu machen. In Phnom-Penh angelangt stellt sich dieses Unterfangen als sehr viel schwieriger heraus, als ursprünglich angenommen. Zum einen sind die beiden bei weitem nicht die einzigen Interessenten für ein Kind, das weder an Krankheiten wie Hepatitis oder Aids leidet und auch nicht durch Kinderhändler zu ihnen gelangen soll. Zum anderen werden ihnen von den zuständigen Behörden zahlreiche Steine in den Weg gelegt – von an Schikane grenzender Bürokratie bis zu korrupten Sachbearbeitern ist alles vertreten. Sich in dem fremden Land zurechtzufinden, ist schon abenteuerlich genug, aber auch im Hotel, das sich auf potenzielle französische Adoptiveltern spezialisiert hat, ist die Atmosphäre mitunter sehr angespannt. Als die Lage unter diesen Umständen fast aussichtslos scheint, macht sich bei Géraldine Verzweiflung breit, was schließlich sogar die Beziehung der Eheleute auf eine harte Probe stellt.

    Den ganzen Film über stehen Pierre und Géraldine im Zentrum der Handlung. Diese Perspektive lässt den Zuschauer von Anfang an mit den beiden Protagonisten in die fremde Welt Kambodschas eintauchen und an ihren Hoffnungen und Ängsten teilhaben. Der Großteil der Szenen spielt sich dementsprechend entweder im Hotel, in Kinderheimen oder Behörden ab, in denen die beiden unermüdlich darum kämpfen, ihr gestecktes Ziel zu erreichen. Durch diese Fokussierung der Dramaturgie gerät das Schicksal Kambodschas selbst, bzw. das der dort lebenden Menschen, oft etwas in den Hintergrund. Obwohl die Kamera zahlreiche visuelle Eindrücke des Landes zu transportieren vermag, erreichen diese das Publikum deshalb oftmals nur in gefilterter Form. So wird zwar mit dem Finger auf Missstände wie Korruption und Kinderhandel gezeigt, ohne jedoch weiter nach den Ursprüngen oder den näheren Umständen dieser Symptome zu fragen.

    Dennoch gibt es Stellen, die diese ausblendende Sichtweise durchbrechen. Zu diesen zählen das Schicksal zahlreicher Bauern, die sich beim täglichen Bestellen ihrer Felder noch immer der Gefahr von Landminen aus dem Vietnamkrieg ausgesetzt sehen, und das der Kinder, die die riesige Müllkippe von Phnom-Penh den ganzen Tag über nach verwertbaren Resten durchwühlen. Und als ein einheimischer Vermittler einer allein erziehenden Frau, die Géraldine um Geld bittet, entgegnet, sie möge ihr Kind doch lieber den beiden Franzosen überlassen, da sie ohnehin kein genügendes Auskommen habe, dann lässt diese Situation sogar unsere Protagonisten für kurze Zeit über den Tellerrand ihres eigenen Projekts hinaus blicken. Die beiden machen sogar einen Besuch im Völkermord-Museum, in dem zahlreiche Fotos die Grausamkeiten des vergangenen Krieges dokumentieren. Es wird im Rahmen dieser kurzen Einstellung allerdings gänzlich auf jedwede Erläuterung verzichtet, so dass der uneingeweihte Zuschauer nicht einmal erfährt, um was für eine Ausstellung es sich überhaupt handelt.

    Eine kritische Sichtweise der Adoptionspraxis von Ehepaaren aus westlichen Ländern beschränkt sich – neben der oben genannten Szene – in erster Linie auf das Anprangern von Nationen wie den USA oder Kanada, die sich „ihr“ Kind bereits per Internet aus einem Katalog auswählen und so den steinigeren Weg, den unser französisches Ehepaar einschlägt, durch das Zahlen von hohen Geldsummen umgehen. Dennoch wirkt diese Gegenüberstellung zum „sanften Adoptions-Tourismus“ sehr undifferenziert. Wenngleich „Holy Lola“ dem aufmerksamen und interessierten Zuschauer einige faszinierende und zum Nachdenken anregende Eindrücke vermitteln kann, wird sich wahrscheinlich gerade dieser am Ende fragen, ob die Belange eines kinderlosen Paares wirklich so viel mehr Aufmerksamkeit verdienen als die der kambodschanischen Bevölkerung – einschließlich ihrer Kinder.

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