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    Das Imperium der Wölfe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Das Imperium der Wölfe
    Von Deike Stagge

    Der französische Film hatte im Jahr 1914 noch einen Weltmarktanteil von heute unvorstellbaren 80 Prozent. Seitdem hat sich viel getan. Aber auch heute noch sind französische Produktionen in Europa führend am Markt. In den vergangenen Jahren überzeugte auch die Action „made in France“, wie Projekte wie „Die purpurnen Flüsse“ Teil 1 beweisen. Aus der Feder des Erfolgsautors Jean-Christophe Grangé, der die Erfolgsromane zu den purpurnen Flüssen verfasste, stammt auch die Drehbuchvorlage zum neuesten Action-Thriller „Das Imperium der Wölfe“. Mit Kultschauspieler Jean Reno („Léon – Der Profi“, „Godzilla“) aber ohne seine Lieblingsrolle, Kommissar Niemans, der die Ermittlungen in den Fällen der purpurnen Flüsse leitet, macht sich Regisseur Chris Nahon („Kiss Of The Dragon“) auf eine spannende Reise durch die Pariser Unterwelt.

    Die junge Anna Heymes (Arly Jover) leidet an einer seltsamen Krankheit: Sie kann sich nicht an ihre Vergangenheit erinnern und erkennt unter Stress sogar Bilder ihres Ehemann Laurent (Phillippe Bas) nicht mehr, obwohl sie keinerlei sonstige Gedächtnislücken aufweist. Die Ärzte wollen aufwendige Scans und eine Biopsie machen, aber Anna konsultiert auf eigene Faust die Psychologin Mathilde Urano (Laura Maurante). Langsam keimt in Anna der Verdacht, dass sie nicht die ist, die sie zu sein scheint. Als sie plötzlich Laurent gegen sie wendet, ergreift sie mit Mathilde die Flucht und versucht, ihre Vergangenheit und die Identität der Hintermänner ihrer Verfolger um den inzwischen nicht mehr ganz so liebevollen Laurent zu erforschen.

    Zur gleichen Zeit in einem verarmten Viertel der Stadt wird der junge Polizist Paul Nerteaux (Jocelyn Quivrin) mit dem grausamen Werk eines Serienmörders konfrontiert. Mehrere illegal eingewanderte rothaarige Frauen türkischer Herkunft werden grausam hingerichtet. Weil er allein nicht weiter kommt, reaktiviert Nerteaux den wegen seines brutalen Vorgehens vorzeitig in den Ruhestand versetzten Polizisten Schiffer (Jean Reno), der Experte für die türkische Mafia und eine wertvolle Informationsquelle ist. Doch schon der erste Einsatz endet in einem Blutbad und Nerteaux muss erkennen, dass er mit Schiffer die Katze im Sack gekauft hat. Dennoch ist er weiter auf die Hilfe des Insiders angewiesen, um den Killer zu finden. Doch ihre Ermittlungen sind in den türkischen Kreisen überhaupt nicht gern gesehen.

    Die beiden Handlungsstränge von „Das Imperium der Wölfe“ verlaufen fast eine volle erste Stunde völlig gleichgestellt separat nebeneinander. Dieses bewusst eingesetzte Stilmittel soll den Höhepunkt herauszögern und den Zuschauer über die Zusammenhänge spekulieren lassen. Dabei beginnt der Film mit der kompromisslosen Einführung eines Psycho-Thrillers: grausam zugerichtete Opfer, eine großkalibrige Verschwörung mit mysteriösen Hintermännern und dem dunklen Mafiamilieu der französischen Hauptstadt. Zimperlich wird mit den Themen Gewalt und Folter nicht umgegangen, die Kontrolle über der Ermittlungen entgleitet Nerteaux zunehmend. Daraus entwickelt sich ein für den Zuschauer packendes Spiel zwischen dem dsillusionierten Schiffer mit seinen radikalen Methoden und dem unerfahrenen, moralisch einwandfreien Nerteaux. Jean Reno, den das Publikum als aufrechten Kommissar Niemans in „Die purpurnen Flüsse“ ins Herz geschlossen hat, brilliert auch als äußerst zwielichtiger, korrupter Polizist und überzeugt durch seine gewohnt solide, ruppige Darstellung des Hitzkopfes Schiffer. Dessen Gegenpart Nerteaux wurde mit dem international unbekannten Joceyn Quivrin („Grande Ecole“) besetzt. Die Figur trägt deutliche Züge der beiden jungen Kommissare der beiden „Purpurnen Flüsse“-Verfilmungen, auch wenn Nerteaux deutlich persönlichere Hintergründe für seine Polizistenlaufbahn hat und schüchterner wirkt. In Schlägereien langt er trotzdem so hin, wie das Publikum es aus den aufwendig inszenierten Kampfsequenzen der anderen Grangé-Verfilmungen von Vincent Cassel und Beniot Magimel kennt.

    Ein echter Hingucker ist die Atmosphäre von „Das Imperium der Wölfe“. Die sterile Farbgebung mit viel strahlendem Weiß, der Anna in der Klinik ausgesetzt ist, kontrastiert deutlich mit den dauer-verregneten und in viel blau und verwaschenem Grün gehaltenen Straßen, in denen Nerteaux und Schiffer ihre Ermittlungen leiten. Gerade dieses depressive Stadtbild setzt die richtige Stimmung für einen düsteren Thriller. Leider ist die Athmosphäre der Geschichte selbst dadurch etwas voraus. Denn im Vergleich zu seinen anderen Verfilmungen bietet das neueste Werk aus seiner Feder relativ wenig Neues: Der Zuschauer merkt schnell, wie sich Annas Handlungsstrang mit den Kommissaren verbinden wird. Und auch wenn die Täter statt im Naziumfeld diesmal im rechtsextremen türkischen Milieu zu suchen sind, verläuft „Das Imperium der Wölfe“ nach dem altbekannten Muster.

    Daher hält der Film in handlungstechnischer Hinsicht wenige Überraschungen bereit. Trotzdem ist er nicht nur wegen Jean Renos großartiger schauspielerischer Leistung, sondern auch aufgrund der visuellen Einfälle durchaus sehenswert, wenn man sich mit der Schwäche des Autor Grangé für den Abschluss seiner Handlung abgefunden hat. „Das Imperium der Wölfe“ enttäuscht hier und belässt es bei unterhaltenden statt bis zum Schluss packenden zwei Stunden Action.

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