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    Alles ist erleuchtet
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Alles ist erleuchtet
    Von Björn Helbig

    Als 2001 der Debütroman des jungen Jonathan Safran Foer (Jahrgang 1977) „Alles ist erleuchtet“ erschien, schlug die überschwängliche Kritik hohe Wellen. Wie kann ein so guter Roman von einem so unerfahrenen Menschen geschrieben werden, grübelte man. Insofern ist es nur passend, dass die Verfilmung des Romans ebenfalls von einem Debütanten in die Hand genommen wurde – dem Schauspieler Liev Schreiber (Kate und Leopold, Scream 3, Der Manchurian Kandidat). Schreiber, der seit längerem schreiberische Ambitionen hegte, war die Adaption von Foers Roman ein großes Anliegen – zur Zeit, als er eine Kurzfassung des Romans („A Very Rigid Search“) zugeschickt bekam, schrieb er gerade an einem Text über seinen in der Ukraine verstorbenen Großvater.

    Der junge amerikanische Jude Jonathan (Elijah Wood), fanatischer Sammler von Erinnerungsstücken, macht sich in der Ukraine auf die Suche nach einer Frau namens Augustine, die seinem Großvater während des Zweiten Weltkrieges das Leben gerettet haben soll. Jonathan will Augustine finden und den Ort Trachimbrod, aus dem seine Familie stammt. Gemeinsam mit seinem Reiseführer, einem alten Ukrainer, dessen Enkel Alex als Dolmetscher hilfreich zur Seite steht sowie dem Hund Sammy Davis Junior Junior und einem alten, klapprigen Auto, macht sich Jonathan auf eine Reise in seine Vergangenheit.

    Der Film hätte seine Aufgabe erfüllt und dürfte als gelungen bezeichnet werden, wenn sich der Zauber der Literaturvorlage ebenfalls in Schreibers Umsetzung wieder finden würde. Dabei ist nicht in erster Line entscheidend, ob der Film der Komplexität des Buchs gerecht wird – das ist sicherlich unmöglich – oder ob jene noch so kleine Kleinigkeit aufgegriffen wurde, sondern ob das Gesamtbild und die Atmosphäre stimmig ist. Unter diesem Gesichtspunkt kann es nichts schaden, wenn Liebhaber des Buches von Jonathan Safran Foer ihre Erwartungen ein klein wenig zurückschrauben. Zwar scheinen die Poesie und auch der Witz der Romanvorlage stellenweise durch, doch wird der Zauber von Foers Werk selten erreicht. Das eigentliche Thema der Sinnsuche entwickelt sich zögerlich. Es erwies sich wohl im Nachhinein als kaum lösbare Aufgabe aus Foers weitreichendem, verzahntem, mulitgenerationalem Werk einen in etwa normallangen Film herzustellen. Es mussten Entscheidungen getroffen werden, welche Elemente aus dem Buch auch im Film vorkommen sollten. Herausgekommen ist dabei leider nicht die Wundertüte des Romans voll Horror und Heiterkeit, sondern eher – platt gesagt – eine Art Buddiemovie.

    Das Buch unterscheidet sich auch insofern vom Film, als dass es sich augenzwinkernd mit dem Judentum, mit Amerika (mit eigentlich allem) auseinandersetzt und liebevoll die „etwas andere Welt“ von Jonathans Reiseland vorstellt. Im Film hingegen scheint Schreiber sein Hauptaugenmerk auf die vermeintliche Skurrilität der Ukraine gelegen zu haben. Dieser Gestus könnte manchem Zuschauer auch etwas wie von oben herab vorkommen. Das Buch lebt von der Begabung seines Autors, überall das Besondere, das Einzigartige – und eben auch das Skurrile – sehen zu können. Der Film setzt hingegen – zumindest anfangs – ausschließlich auf diese Skurrilitäten. Das ist natürlich nicht weiter schlimm, vor allem wenn der Humor stimmt. Leider macht Schreiber oft den Fehler, immer wenn etwas witzig, skurril oder einfach nur auffällig sein soll, eine kurze (meist musikalische) Pause zu machen, damit auch wirklich alle alles mitbekommen. Nach einem Witz, nach der Pause, startet die Musik dann wieder umso lauter und der Film geht weiter. Dieses im ersten Teil des Films vorherrschende Stilmittel wirkt etwas penetrant. Dabei ist der Film mit derart vielen liebevollen, kauzigen Details versehen, dass er diesen hinweisenden Aspekt nicht nötig gehabt hätte. Nicht jedermanns Sache dürfte ebenso die laute, aufdringliche Folkloremusik sein, die wohl noch mal zusätzlich verdeutlichen soll, dass wir uns in der Ukraine befinden.

    Trotz seiner Schwächen kann Schreibers Debüt als beachtlich und seine Umsetzung des Romans als größtenteils gelungen eingestuft werden. Unabhängig von der Vorlage gelingt es ihm und seinem Kameramann Matthew Libatique (Requiem For A Dream, Pi) in ausdrucksstarken Bildern eine fast magische Odyssee durch die melancholischen Landschaften der Ukraine auf die Leinwand zu bannen. Auch wenn Schreibers Schwerpunkt dabei eher im Komödiantischen liegt, gewinnt der Film in seinem Verlauf und somit der Annährung an das mystische Trachimbrod immer mehr Faszination und Stärke. Wenn sich Jonathan, Alex und sein Großvater am Ziel ihrer Reise befinden und die Fäden der Geschichte zusammenlaufen, wird nicht nur Jonathan erleuchtet werden, sondern alle Beteiligten. Dann ist der Film richtig stark und großes Kino.

    Zum großen Kino gehören natürlich auch großartige Schauspieler. Auch hier punktet „Alles ist erleuchtet“. Elijah Wood (Der Eissturm, Herr der Ringe – Trilogie, Hooligans, Sin City), der Star des Films, füllt seine Rolle als introvertiert-neurotischer Jonathan voll aus. Wood liefert hier vielleicht nicht die beste Performance seiner Karriere, aber es zeigt sich wieder einmal, dass er bereit ist, die unterschiedlichsten Rollen anzunehmen, um sich selbst auszuprobieren. Und auch Jonathan Safran Foer war mit der Darstellung seiner selbst sehr zufrieden, was ja ein gutes Zeichen ist. Leider bietet der manchmal phlegmatisch wirkende Charakter des Jonathan nicht die Fläche, auf die Wood sein gesamtes Können projizieren könnte. Da stehlen ihm sowohl Eugene Hutz, Mitglied der ukrainischen Zigeuner-Punk-Band „Gogol Bordello“, als auch der in Russland geborene Boris Leskin (bekannt z. B. aus den amerikanischen Produktionen „Der Falke und der Schneemann“ und „Men In Black“) beinahe die Show. Gerade an Leskins Gesicht kann man sich kaum satt sehen. Schauspielerisch bewegt sich „Alles ist erleuchtet jedenfalls auf durchweg hohem und höchstem Niveau.

    Auch wenn Schreibers Debüt einiges an Potenzial des Romans nicht einlöst, auch wenn er gerade am Anfang zu sehr zeigt und hinweist anstatt die Geschichte selber sprechen zu lassen, auch wenn der zu sehr auf Witz getrimmte Beginn des Films einiges an Magie zerstört und den Blick auf die Holocaust-Thematik verstellt – die Schwächen des Films sind unscheinbarer als seine Stärken: Letztendlich siegen die verquerten Personen, die wunderschöne, melancholische Landschaft und die Poesie einer Reise in die Vergangenheit, was „Alles ist erleuchtet“ zu einem nachdenklich stimmenden, hervorragend gespielten und damit sehenswerten Film macht. Aufgrund der Leistung Schreibers, die schwierige Vorlage überhaupt in ein Drehbuch und letztendlich einen Film zu adaptieren, darf man auf weitere Projekte von ihm hinter der Kamera gespannt sein.

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