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    Land of Plenty
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Land of Plenty
    Von Stefan Ludwig

    Das Thema Amerika ist „in“. Genauer gesagt: Anti-Amerikanismus ist „in“. In Zeiten von präventiven Kriegen nach dem Motto „Sie könnten ja planen, Waffen zu bauen – vernichten wie sie noch zuvor!“ ist das allerdings auch kein großes Wunder. Wim Wenders („Buena Vista Social Club“) ist eng verbunden mit dem Land Amerika, der gebürtige Düsseldorfer lebt seit Jahren in den USA. Nach „9/11“ fiel ihm in seiner Wahlheimat die überall gegenwärtige Paranoia vor neuen Anschlägen, die ständige Angst auf, bedingt durch die erste wirklich große Verletzung im Inneren von God's Own Country. Da er sein aktuelles Filmprojekt „Don't Come Knockin'“ verschieben musste, machte er sich mit dem Drama „Land of Plenty“ an eine anspruchsvolle, sehr politische Zwischenarbeit. Der relativ geringe Aufwand hat sich gelohnt und die halbe Million Dollar Budget sind gut investiert, denn das Drama zeigt eine interessante Charakterstudie und weiß auf seine ganz eigene Weise zu unterhalten.

    Lana (Michelle Williams) macht sich nach langem Aufenthalt in Israel auf die Reise in die Staaten, um ihrem Onkel Paul einen Brief zu überreichen. Doch weiß sie nicht, wo er zu finden ist und kommt zunächst bei einem Bekannten unter, der Leiter einer Obdachlosenhilfsorganisation ist. Paul (John Diehl) ist Vietnamveteran und versucht nun die Sicherheit von Amerika aufrecht zu erhalten. Mit seinen Überwachungsmobilen fährt er durch die Stadt und fahndet nach verdächtigen Personen, besonders Menschen arabischer Abstammung hat er im Auge. Als Lana ihn dann ausfindig gemacht hat, scheint sie ihm in erster Linie für seine Ermittlungen eine Hilfe zu sein, menschlich geht er zunächst völlig auf Abstand.

    „Land of Plenty“ lebt von den Charakteren, denn der Plot ist zu großen Teilen nur einfache Hintergrundgeschichte. Die Spannung entsteht besonders durch die einzelnen Szenen und nur nebenbei entfaltet sich nach und nach eine Verschwörungstheorie, die Paul aufdecken will. Ganz offen zeigt der Film auch, dass er Botschaften vermitteln möchte. Christliche Botschaften, aber auch einfach nur moralische. Mit Lana hat Wenders als den einen Hauptcharakter eine Art Engel gewählt, eine hübsche junge Frau, die voller Optimismus und gutem Willen steckt und danach strebt, die Welt mit einem Buch zu verändern. Als extremen Gegenpol stellt er ihr mit Paul einen paranoiden Schnüffler entgegen, der gar nicht mehr in der Lage ist, in der Welt irgendetwas Schönes zu entdecken.

    Interessant ist gerade die Rolle von Paul und durch John Diehl wird sie sehr ansprechend verkörpert. So zeigt er einen äußerst zielstrebigen Ermittler, bei dem der Zuschauer lange nicht weiß, ob er wirklich so genial ist oder nur Phantomen hinterher jagt. Seine stetige Ernsthaftigkeit und das andauernde Verhalten des Staatsbeauftragten ohne Feierabend spielt er hervorragend und absolut glaubhaft. Hier hat Wenders in der kurzen Zeit, die er sich für das Drehbuch genommen hat, einen interessanten Charakter geschaffen, der viel vom Film tragen kann. Michelle Williams hat eine etwas einfachere Rolle und kann deshalb hier nicht zeigen, ob sie Potenzial für mehr als das hat, was sie in der Serie „Dawson’s Creek“ gezeigt hat. Dennoch ist auch sie für das Gelingen des Film verantwortlich, wenn sie unbekümmert auf dem Dach des Hauses zur Musik aus dem MP3-Player tanzt, muss sie dem Zuschauer einfach sympathisch sein. Übrigens wird sie im nächsten Jahr in Ang Lees Drama „Brokeback Mountain“ mitspielen und vielleicht ihr volles Können dort zeigen können.

    Der Film ist komplett digital aufgenommen und hatte nur 16 Drehtage. Das digitale Filmen mit großzügigem Einsatz der Handkamera funktioniert großartig und ist bei Filmen mit kleinem Budget schon länger erste Wahl. In „Collateral“ beweist zurzeit Michael Mann wie künstlerisch digitale Aufnahmen sein können. Wim Wenders ist in seinen Aufnahmen nicht ganz so künstlerisch, sondern möchte bei „Land of Plenty“ besonders die Aussage mit seinem Kunstprodukt in den Vordergrund stellen.

    Genau da liegt der Wermutstropfen: Die Moralkeule wird ein paar Mal zu oft hervorgeholt und teilweise so deutlich, dass es nicht mehr komplett in den Film passt. Denn wenn Dialoge zu christlich und zu reine Anpreisung von Obdachlosenhilfe sind, wird das genau wie das Zureden der Mutter, das Zimmer endlich aufzuräumen, manchmal zu viel des Guten. Außerdem sind die Charaktere zwar gut gewählt, aber es fehlt etwas an deren Vielschichtigkeit sowie Entwicklung, die besser zum hohen Anspruch des Films passen würde. Dennoch ist „Land of Plenty“ ein sehenswerter Film geworden, der äußerst gelungene Szenen zu bieten hat, die vom Kontrast der Hauptprotagonisten leben und in der Gesamtheit einen Plot zeichnen, der einfach wie genial für seine Zwecke ist. So ist die Desillusionierung der Amerikaner gut dargestellt und auch die Überzeichnung der Paranoia vor neuen Vorfällen trifft ihr Ziel genau ins Schwarze. Letztlich ist "Land of Plenty" eher Amerika-kritisch, denn komplett anti-amerikanisch, steckt er doch auch voller Hoffnung auf Ausbesserung der aktuellen und grundsätzlichen Fehler.

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