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    Spiel ohne Regeln
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Spiel ohne Regeln
    Von Jürgen Armbruster

    Peter Segals Sportler-Komödie „Spiel ohne Regeln“ ist die offensichtlichste Bankrotterklärung, die Hollywood in den vergangenen Jahren zustande gebracht hat. Damit ist nun weniger die (recht zweifelhafte) Qualität des Films gemeint. Auch dass in Ermangelung origineller Ideen ein Remake nach dem anderem runter gekloppt wird, ist keine all zu neue Erkenntnis. Aber der Fall „Spiel ohne Regeln“ ist neu. Der Film ist das amerikanische Remake des britischen Remakes eines amerikanischen Films. Alles klar? Nein? Ist ja auch kein Wunder…

    Die große Zeit des ehemaligen Star-Quarterbacks Paul Crewe (Adam Sandler) ist längst vergangen. Seitdem gegen ihn wegen Manipulationsvorwürfen ermittelt wurde, macht jedes NFL-Team von der Ost- bis zur Westküste einen weiten Bogen um ihn (wer bisher nur Spanisch versteht: hier geht es um American Football). Auch die Beziehung mit seiner Freundin Lena (Courteney Cox) hat schon wesentlich bessere Zeiten erlebt. Nach einem Streit lässt er sich sturzbetrunken auf eine wahnwitzige Verfolgungsjagd mit der Polizei ein und wird zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Kaum im Knast angekommen, beginnen die Probleme für Paul erst richtig. Neben seinen politischen Ambitionen ist Gefängnis-Direktor Warden Hazen (James Cromwell) ein Football-Fanatiker durch und durch. In seinem nur aus Wächtern zusammen gewürfelten Semi-Pro-Team stecken Unsummen. Trotzdem ist der Trophäenschrank noch leer. Da kommt Paul wie gerufen. Er soll das Team der Wächter coachen. Ihnen den einen oder anderen Profitrick beibringen. Um dem Captain des Wächter-Teams (William Fichtner) eins auszuwischen, willigt Paul schließlich ein. Er organisiert mit Hilfe des Caretakers (Chris Rock) und der in die Jahre gekommenen Football-Ikone Nate Scarborough (Burt Reynolds) ein Vorbereitungsspiel. Auf der einen Seite die Wächter, auf der anderen die Knackis…

    Wir beginnen mit unserer kleinen Geschichtsstunde im Jahr 1974. Mit Burt Reynolds in der Hauptrolle wurde der Kampf des inhaftierten Profi-Footballers und seines Knacki-Teams unter dem Titel „Die Kampfmaschine“ erstmals verfilmt. Zwar kein Film, der in die Annalen der Filmgeschichte einging, aber immerhin ein kurzweilige, charmante Komödie für zwischendurch. Das jüngere Publikum wird vielleicht mit der Information etwas anzufangen wissen, dass das Team der Knackis schon damals den Namen „Mean Machine“ trug. Genau unter diesem Titel wurde anno 2001 der Stoff mit leicht modifiziertem Inhalt auf der Insel der Teetrinker und Linksfahrer wiederentdeckt. Statt Football wurde Fußball gespielt und die wenigen ernsthaften Töne des Originals mussten fast gänzlich dem Unterhaltungsgedanken weichen. „Mean Machine“ war zwar hohl, aber auf eine trashige Art und Weise dennoch amüsant. Der beste Gag findet sich übrigens schon in der Besetzungsliste: Ausgerechnet der ehemalige Fußballprofi und walisische Nationalspieler Vinnie The Axe Jones (u. a. aktiv für Leeds United und Chelsea London, auch zu sehen in Snatch, „Bube, Dame, König, gRas“ und Eurotrip) durfte den inhaftierter Fußballprofi Danny Meehan spielen. Welch Ironie. Vier Jahre später schließt sich der Kreis. Das runde Leder wurde wieder durch das eiförmige Wurfgeschoss ersetzt und Burt Reynolds ist ebenfalls wieder mit von der Partie. Inhaltlich ist das „Spiel ohne Regeln“ allerdings der „Mean Machine“ näher als der 74er-Fassung.

    Wer einen Film wie „Spiel ohne Regeln“ dreht, ist vor allem auf eines aus: Geld. Viel Geld. Wenn möglich so um die 200 Millionen Dollar. Das ist zumindest die Marke, an der Regisseur Peter Segal und Hauptdarsteller Adam Sandler mit den beiden bisherigen Kooperationen Die Wutprobe (Einspiel weltweit: 196 Mio Dollar) und 50 erste Dates (weltweit: 195 Mio Dollar) gekratzt haben. Einen anderen Grund, warum irgendwer Adam Sandler die Rolle eines Star-Quarterbacks geben würde, gibt es nicht. Das ist keinesfalls abfällig gemeint. Sandler kann durchaus unterhaltend sein. Auch dass er abseits der Klamauk-Schiene überzeugen kann, hat er mit Filmen wie Punch-Drunk Love und Spanglish zur Überraschung vieler bereits hinlänglich bewiesen. Trotzdem sind viele Schauspieler für die Rolle eines Football-Stars um ein Vielfaches geeigneter als er. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, Sandler zwischen all den Muskelbergen zu beobachten. Der zurückgebliebene Football-Chaot aus „Waterboy“ hat da schon eher zu ihm gepasst. Auch die übrige Besetzung ordnet sich voll dem Kommerz unter. Chris Rock (Bad Company, Das weiße Haus sieht schwarz) spielt einmal mehr den penetrant vor sich hin quasselnden Sidekick, Burt Reynolds (Trouble ohne Paddel, Driven, grandios: Boogie Nights) scheint sich mittlerweile für keine Rolle mehr zu schaden zu sein und das Kinodebüt von Star-Rapper Nelly dürfte auch den einen oder anderen Zuschauer zusätzlich in die Kinos locken. Die weiteren Darstellern mussten vor allem drei Dinge mitbringen: Muskeln, Muskeln und noch mehr Muskeln. So wurden unter anderem ehemalige Wrestler und Kickboxer für den Film rekrutiert. Wie zu erwarten war, wurde dabei kein schauspielerisches Talent entdeckt.

    Dass der Film innerhalb seiner Grenzen unterhält, liegt vor allem an zwei Dingen. Zunächst wäre die Tatsache zu nennen (jetzt bitte nicht den Autor schlagen!), dass die Geschichte durchaus funktioniert und absolut zweckdienlich ist. Auch wenn eigentlich alles altbekannt ist, reicht das allemal für einen passablen Underdog-Film. Während des gesamten Films wird einzig auf das große Spiel hingearbeitet. Und dass die Knackis dort über sich selbst hinaus wachsen, ist nicht nur selbstverständlich, sondern ebenso sympathisch. Nelly bringt das treffend auf den Punkt: „Jeder jubelt am liebsten dem Unterdog zu.“ Recht hat er. Der zweite Pluspunkt ist die Inszenierung des Matches Knackis vs. Wächter. Hierfür wurde eigens Sportkoordinator Mark Ellis, der schon an Oliver Stones An jedem verdammten Sonntag und Peter Bergs Friday Night Lights beteiligt war, verpflichtet. Entsprechend hochwertig ist das Ergebnis. Auch Football-Muffel werden damit durchaus etwas anfangen können.

    Allerdings erfordert „Spiel ohne Regeln“ vom Zuschauer eine sehr, sehr hohe Toleranzschwelle, was die Aufnahmefähigkeit diverser großer und kleiner Schwachsinnigkeiten anbelangt. Teilweise ist es schon mehr als nur grenzwertig, was Drehbuch-Debütant Sheldon Turner einem hier auftischt. Die wohl debilsten Einfälle sind ein Anabolika-Östrogen-Tausch (und seine Folgen) sowie die transsexuellen Cheerleader des Knacki-Teams. Auch der Auftritt von Hollywood-Nervensäge und Sandler-Busenfreund Rob Schneider (Deuce Bigalow: European Gigolo) verspielt einiges an Kredit. Das Schlimme dabei ist, dass der Film dies überhaupt nicht nötig gehabt hätte. Würde der gesamte Murks ersatzlos gestrichen werden, hätte man einen starken Unterhaltungsfilm. Herausgekommen ist aber ein Werk, das zwar unter bestimmten Vorraussetzungen immer noch unterhalten kann, aber zuweilen tierisch an den Nerven zehrt. Schade. Aber so ist „Spiel ohne Regeln“ eben nur das drittklassige Remake eines zweitklassigen Films mit einem erstklassigen Budget (Kosten: 82 Millionen Dollar). Und ob die Filmwelt ein solches Machwerk wirklich braucht, sei einmal dahin gestellt. Immerhin hat es in den USA zu einem Hit gereicht (Einspiel: 157 Mio Dollar). Bei uns hingegen scheint ein Flop schon jetzt vorprogrammiert. Schließlich geht es hier um American Football. Und dieser Sport ist hierzulande nun einmal ähnlich populär wie männliches Synchron-Schwimmen...

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